100 Mal am selben Ort: Tim Raue teilt seine Reise-Tipps

Tim Raue zählt unbestritten zu den renommiertesten und bekanntesten Köchen des Landes und hat sich mit strenger Disziplin und seinem ausdrucksstarken Mix von asiatisch inspirierter Aromenküche und französischer Präzision einen festen Platz in der internationalen Spitzengastronomie erarbeitet. Geboren 1974 in Berlin-Kreuzberg, prägte ihn seine bewegte Jugend ebenso wie seine frühe Leidenschaft fürs Kochen. Mit seinem gleichnamigen Restaurant Tim Raue in Berlin, das seit Jahren mit zwei Michelin-Sternen und einem Platz unter den World’s 50 Best Restaurants ausgezeichnet ist, führt er eine der besten Gourmet-Adressen Europas.
Schon seit Jahren ist Raue auch außerhalb von Deutschland unterwegs: Er kochte unter anderem in Bangkok und Dubai, führte und beriet Restaurants in St. Moritz, auf den Malediven sowie auf Kreuzfahrtschiffen. Seiner kulinarischen Neugier und seiner Leidenschaft fürs Reisen geht der Sternekoch zudem in seiner TV-Reihe „Herr Raue reist“ nach. Im Juni eröffnet sein jüngstes Projekt, das Restaurant Sphere im Berliner Fernsehturm.
Im Merian-Interview spricht Tim Raue über seine Reise-Marotten, was unbedingt in den Koffer muss und welche Hotels er am liebsten bucht. Außerdem verrät uns der Berliner seine drei liebsten Foodspots rund um den Globus.
Spitzenkoch und Reise-Profi Tim Raue im Interview
Merian: Welches Souvenir überlebt jeden Umzug?
Tim Raue: Eigentlich keins. Erst mit meiner Sendung „Herr Raue reist“ habe ich angefangen, überhaupt Souvenirs zu haben. Das Letzte wird nicht ewig halten: Ich habe in Malta selbst einen Honig geimkert, also direkt entnommen, das Wachs runtergekratzt, geschleudert und einmal kurz durch die Filtration. Und das ist der geilste Honig, den ich je gegessen habe.
Wie genau planen Sie Ihre Reisen?
Sehr genau. Bei mir wird alles fünf mal durchs Hirn gedreht, bevor ich etwas mache. Ich überlasse nichts dem Zufall.
Was packen Sie immer ein und benutzen es doch nicht?
Das gibt es bei mir nicht. Ich bin sehr effizient.
Travel Essentials, die auf Reisen nicht fehlen dürfen?
Ich habe immer meine Mell-o-Cashmeresocken dabei, ohne kann ich nicht schlafen. Ich habe immer ein Tempur-Kissen dabei – und bei Reisen ab drei Tagen eine Decke.
Welcher Song ruft sofort Reiseerinnerungen hervor?
Robin Schulz: „Sun Goes Down”. Der erinnert mich an die erste Reise mit meiner Frau auf die Malediven. Gerade als wir gelandet sind, ist die Sonne über Malé untergegangen, das war ein magischer Moment und das Lied war wie eine Hymne.
Tim Raue: „Ich vermeide alle Orte mit Touris“

Welche Orte suchen Sie unterwegs immer auf und welche vermeiden Sie?
Ich vermeide alle Orte mit Touris. Viele von ihnen haben kein Gefühl dafür, wo sie sind, eher wie ferngesteuerte Roboter. Was ich immer aufsuche, sind Shops. Wenn ich an einen neuen Ort komme, dann gucke ich zuerst, wo ist ein Supermarkt oder ein Delikatessenladen. Ich liebe es zu shoppen.
Und wie finden Sie die besten Shops?
Ich frage Menschen, die mit einer Form von Kunst, Kultur oder Fashion zu tun haben. Das sind oft Leute, die gerne genießen. Zum Beispiel war ich mit meiner Frau in einem Laden in Apulien, der sehr kunstvolle Haarreifen mit Vintage-Stoffen aus Seide und Leinen von Hand hergestellt hat. Dort habe ich gefragt, wo geht ihr essen, wenn ihr einen Hochzeitstag feiert, wo geht ihr shoppen, welche ist die coolste Galerie? Das sind immer die besten Empfehlungen. Ich suche nach lokalen Orten, die einzigartig sind.
Von was machen Sie unterwegs Fotos?
Meine Frau liebt alte Türen. Als ich gerade in Malta war, habe ich viele Fotos für sie gemacht, da gibt es ganz alte, wunderbare, schwere Holztüren. Sonst fotografiere ich Sonnenuntergänge, Momente, Farben und Essen natürlich. Das Essen lösche ich dann aber wieder, weil sich das ohnehin in mein Hirn einbrennt.
Welche Spezialität ist eine Reise wert?
Ich finde, dass etwas als Spezialität völlig unterschätzt wird, und das sind Kreuzfahrtschiffe. Du kommst mindestens jeden zweiten Tag in einer neuen Stadt an, kannst rausgehen und kommst abends in dein Zimmer zurück. Ich kenne niemanden, der das gemacht hat und es scheiße fand.
„Schlaf ist für mich das A und O“

Haben Sie eine Marotte, die Ihre Reisepartner um den Verstand bringt?
In dem Moment, wo ich am Flughafen ankomme, bin ich absolut unleidlich, ich gehe in meinem Tempo und auf dem direktesten Weg zum Check-in, durch die Security und zum Gate. Die Fernsehteams, mit denen ich unterwegs bin, haben schon lange aufgegeben. Die lassen mich einfach ziehen. Mein aktuelles Therapieziel 2025 ist es, da besser zu werden.
Sind Sie manchmal auf Reisen noch richtig aufgeregt?
Eigentlich nicht. Ich bin ein Schisser, halte mich von jeder Gefahr fern.
Wer ist der beste Reisepartner Ihres Lebens?
Meine Frau. Wir sind den Großteil des Jahres getrennt. Wenn wir reisen, nehme ich mich total zurück, ab da übernimmt sie. Und wir teilen einfach die Dinge, können auch schweigend Zeit miteinander verbringen. Sie ist der Typ für Exkursionen und Attraktionen, und ich bin derjenige, der sich vor Ort darum kümmert, wo wir spannend, lustig, amüsant oder außergewöhnlich essen gehen. Und shoppen.
Welchen Luxus gönnen Sie sich unterwegs immer?
Meine Devise ist, ich lebe nur einmal. Wir haben keine Kinder, ergo, wir verprassen die Kohle mit vollen Händen. Für mich ist das Entscheidende, auf dem effizientesten Weg von A nach B zu kommen, das heißt, Direktflüge, vorne zu sitzen, um gut schlafen zu können. Und vor Ort genauso. Ab drei Tagen habe ich meine Decke dabei, mein Kissen habe ich immer dabei. Schlaf ist für mich das A und O und da mache ich keine Kompromisse.
Und Hotels?
Ich bin nicht so der klassische Luxushotel-Typ. In vielen großen Hotelketten fühle ich mich sofort, als wäre ich 75. Das ist mir zu piefig. Ich gucke lieber nach Small Luxury Hotels oder Design Hotels. Oder nach etwas, was schlicht ist. Wenn ich zum Beispiel beruflich in Deutschland reise, bin ich ein großer Fan von Motel One, weil das extrem effizient ist. Dich labert keiner voll, du gehst hin, hast dein Zimmer, schläfst und haust wieder ab. Was Hotels angeht, bin ich kein Schnösel. Da gibt es andere Bereiche.
Tim Raue teilt seine Top-Reiseziele

Wann haben Sie sich zuletzt gedacht: Hier könnte ich für immer bleiben?
Zum Essen in Singapur, zum Shoppen in Hongkong, für ein langes Wochenende in Madrid, Safari in Namibia.
Was passiert eigentlich, wenn Ihre Pläne mal nicht aufgehen?
Ist mir noch nie passiert. Wenn Plan A nicht geht, habe ich mindestens Plan B und C.
Die Frage, welche spontane Entscheidung eine ganze Reise verändert hat, spare ich mir dann?
Ja, ich kann Ihnen aber sagen, was mich geflasht hat. Ich war für „Herr Raue reist“ in Warschau und habe dort nichts erwartet. Dann war da auf dem Markt ein Mini-Stand, darin stand eine alte Frau, die hatte nur so eingemachtes Zeug, unter anderem: Gurkensalat. Das war der beste, un-fucking-fassbar geilste Gurkensalat meines Lebens. Mit Chili, Tonnen von Knoblauch, süß, sauer und salzig. Von da an habe ich Warschau komplett anders gesehen. Eine spannende Stadt mit großartiger, junger Gastronomie.
Tim Raue reist: 100 Mal in dieselbe Stadt

Tipps gegen Jetlag?
Ich trinke nur stilles Wasser im Flieger. Ansonsten hast du danach furchtbare Blähungen, das braucht keiner. Da bin ich gnadenlos, selbst wenn es ein Zwölf-Stunden-Flug ist, dann gibt es eben zwölf Stunden nur Wasser.
Erkennt man Sie als Tourist oder verschwinden Sie zwischen den Locals?
Ich werde leider oft erkannt, weil ich meistens ein Fernsehteam um mich herum habe, wenn ich reise. Und wenn nicht, dann ich habe eine Marotte: Ich trage immer preußisch-blau, blau mit blau, als Hommage an meine Großeltern, um sie für das zu ehren, was sie mir im Leben mitgegeben haben. Nämlich diese preußischen Werte, die ich für ganz wichtig halte: Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, authentisch zu sein. Insgesamt falle ich schon auf. Auch in meinen Lieblingsstädten, die ich gut kenne. Ich war nirgendwo so oft, wie in Hongkong und Singapur, bestimmt 60 bis 100 Mal. Da gehe ich maximal als Expat durch. Aber ich bin doch eher ein Fremdkörper auf der Welt.
Was ist unterwegs besser alleine als in Gesellschaft?
Nichts.
Was war schlicht der schönste Ort, an dem Sie je waren?
Ich habe seit sieben Jahren ein Pop-Up-Restaurant auf den Malediven, im Soneva Fushi. Das ist ein magischer Ort, und diese Möglichkeit zu haben, dort sozusagen Work and Travel zu machen, da denke ich jedes Mal: Alter, was für ein geiler Scheiß, was hast du für ein Glück, dass du mit deinem Beruf heute so eine Möglichkeit hast! Mein Leben ist ansonsten immer sehr aufgeregt, dort komme ich wirklich mal zu mir. Und das ist für mich der größte Luxus.
Ihre drei Lieblings-Foodspots weltweit?
Singapur. In den Hawker-Centern, also in den Streetfood-Areas, kannst du unfassbare Sachen essen. Eine Aromenwucht im Maul! Und du hast teilweise die besten Restaurants der Welt, wie das Odette.
Nummer zwei: Graz. Das ist mein zweites Zuhause. Die Wirtshausküche ist dort einfach unglaublich gut. So eine Jausenplatte mit herausragender Wurst und Käse, die südsteirischen Weine, allen voran von Tement. Das ist einfach eine Küche, die dich immer glücklich macht.
Als drittes: Bangkok. Ich liebe die thailändische Küche und in Bangkok kannst du alle thailändischen Regionalküchen essen, die sehr unterschiedlich sind. In Bangkok kommt alles zusammen.