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Kultur

Harry-Potter-Studios: Ein magischer Ausflug nach Hogwarts

Einmal nach Hogwarts reisen: In Leavesden wird es möglich. Ein magisches Erlebnis wartet bei einem Rundgang durch die schönsten Harry-Potter-Kulissen auf Sie, von der Winkelgasse über Gleis 9 3/4 bis zum weltberühmten Schloss, in dem Harry das Zaubern lernt. MERIAN-Redakteur Kalle Harberg war vor Ort – und kam nicht mehr aus dem Staunen raus...

Text Kalle Harberg
Datum 06.12.2022

Willkommen in Hogwarts! In riesigen Studio-Hallen eröffnet sich westlich von London die Welt des berühmten Zauberschülers Harry Potter. Der Großteil aller Filmszenen wurde hier aufgenommen, außerdem finden Sie zahlreiche Requisiten, Filmkostüme und Entwürfe: für Harry-Potter-Fans ein absolutes Muss. Doch auch für eingefleischte Muggel ist ein Rundgang durch die Harry-Potter-Studios ein zauberhaftes Erlebnis. Wer auf liebevoll und bis ins feinste Detail hergestellte Fabelwesen wie den Hippogreif Seidenschnabel oder auf die charmante Winkelgasse trifft, spürt die Magie dieses Ortes. Besuchen Sie mit MERIAN-Redakteur Kalle Harberg die fantastischen Kulissen und Requisiten und erfahren Sie magische Film-Geheimnisse.

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Die Tür, von der ich geträumt habe, ist golden. Sie ist doppelt so groß wie ich und wird bewacht von zwanzig Ritterrüstungen, die sich auf ihren Sockeln in der Mauer finster vor mir aufbauen. Ich bleibe ungerührt. Zu lange habe ich darauf gewartet, hier zustehen. Vor dieser Pforte, die noch immer matt glänzt, auch wenn schon Tausende Hände über sie gestrichen sind. Erst nach einem Moment strecke ich den Arm nach dem Türring aus. „Endlich“, denke ich, stemme mich gegen die Pforte und betrete die Große Halle von Hogwarts.

 

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Ihre verzauberte Decke entsteht am Computer, aber der Rest ist real: die Große Halle von Hogwarts

Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Hogwarts irgendwo versteckt in den schottischen Highlands liegt. In Wahrheit liegt die Schule für Hexerei und Zauberei in einer alten Fabrikhalle, die ganz einfach über die M 1 zu erreichen ist. Hier in Leavesden, einer verschlafenen Ortschaft 32 Kilometer westlich von London, befindet sich eines des größten Filmstudios Großbritanniens

Blockbuster wie „Star Wars“, „James Bond“ und „Mission Impossible“ entstanden auf dem Gelände des ehemaligen Rolls-Royce-Werkes, aber seinen Ruf als englische Traumfabrik verdankt es vor allem dem Erfolg der acht Streifen der Harry-Potter-Filmreihe, die hier gedreht wurden. Und weil die Begeisterung für den jungen Zauberer nach Ende der Dreharbeiten überhaupt nicht abebben wollte, bewahrte Warner Bros. einfach alle Kulissen auf, stellte sie in einer Ausstellung zusammen und eröffnete 2012 seine Studiotour „The Making of Harry Potter“ – mit Hunderten edler Kostüme, einzigartigen Requisiten und kolossalen Bühnenbildern.

Die Große Halle von Hogwarts

Keines ist gewaltiger als die Große Halle von Hogwarts. Wie benommen laufen die Trauben von Fans durch den kathedralenartigen Saal im Studio J. Alle sind verzückt, in der gleichen Halle zu stehen, die auch Harry bei seiner Ankunft in Hogwarts betrat. Sie machen Fotos von dem langen Holztisch, an dem er so oft mit Ron und Hermine Platz nahm – selbst von dem Geschirr darauf, das so putzblank ist, dass es sich eigentlich, wie vor einem Mahl in Hogwarts üblich, jeden Moment magisch mit Essen füllen müsste. Ich kann es ihnen nachfühlen. Wären die Bänke nicht mit einer Kordel abgeschirmt, ich würde mich sofort an den Tisch setzen.

Harry Potter: Die meistgelesene Buchreihe aller Zeiten

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Dumbledores Büro ist eines der opulentesten Sets. Nur wer genau hinschaut, findet zwischen den dicken Wälzern – eigentlich in Leder gebundene Telefonbücher – auch den Sprechenden Hut.

Die sieben Romane von J. K. Rowling sind mit mehr als 500 Millionen verkauften Exemplaren die meistgelesene Buchreihe aller Zeiten, genauso wie die Filmreihe bei Erscheinen des letzten Kapitels die erfolgreichste der Kinogeschichte war. 

Die Geschichte von Harry, der an seinem elften Geburtstag erfährt, dass er in Wahrheit ein Zauberer ist und in Hogwarts aufgenommen wurde, hat die Gesellschaft durchdrungen. Selbst Menschen, die kategorisch alle Fantasiewelten als kindisch ablehnen, kennen zumindest einige Wörter der magischen Welt: Hogwarts (das Zauberei-Internat), Dumbledore (der Schulleiter), Gryffindor (eines der vier Häuser von Hogwarts), Muggel (nichtmagische Menschen) oder Quidditch (Besen-Sportart).

Ich gehörte niemals zu den Hardcore-Fans, die tagelang vor Buchläden campten oder plötzlich auf ein Internat wechseln wollten – britische „boarding schools“ konnten sich nach Rowlings Romanen auf einmal vor Bewerbungen kaum retten. Aber ich liebte diese Bücher. 

Kulissen voller Geheimnisse

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Das Set des Zaubertränke-Unterrichts

Ein bisschen zögerte ich, als ich erfuhr, dass Hogwarts in einem Studio vor den Toren Londons auf mich wartete: Was, wenn mir die Wirklichkeit den Traum der Bücher nehmen würde? Träume, das weiß schließlich jeder, sind etwas Heiliges. Okay, vielleicht bin ich doch ein bisschen Hardcore-Fan. 

Von der Großen Halle laufe ich wie Harry an seinem ersten Abend zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors, der mit seinem Kamin, in dem leise ein falsches Feuer knistert, herrlich gemütlich aussieht. Direkt gegenüber liegt im Studio das Klassenzimmer von Snape, dem verhassten Lehrer für Zaubertränke. 

Das Zaubertränke-Klassenzimmer

An den Wänden des schummerigen Kerkers stehen Hunderte gläserne Gefäße und in seiner Mitte eine junge Frau namens Ashleigh Ings. Die 20-Jährige mit den lila funkelnden Ohrringen gehört nicht zur Kulisse, sondern ist ein „Interactor“, wie die Mitarbeitenden hier genannt werden, die über die Sets informieren. „Es steckt etwas in jedem Glas in diesem Raum“, erzählt Ashleigh. „Vor allem getrocknete Blätter, Kräuter und Tannenzapfen, aber die Requisiteure hatten auch eine Menge Spaß mit schrägen Experimenten. Sie kauften Plüschtiere aus dem Souvenirladen des London Zoo, hackten Körperteile ab und klebten sie an andere Tiere.“ Sie streift sich ein Paar Plastikhandschuhe über und greift nach einem schweren Bottich, in dem eine Art Tiefseemonster mit Toupet schwimmt. 

„Eine flauschige Krake!“, sagt sie stolz, und der Junge in Schuluniform neben mir ruft sofort alle seine Freunde zusammen, um die Kreuzung zu bestaunen. Nein, auch wenn sie nun jeden Tag hinter die Kulisse blicke, habe dieser Ort seine Magie für sie noch nicht verloren, sagt Ashleigh, die seit einem Jahr in den Studios arbeitet, aber seit ihrer Schulzeit eingefleischter Harry-Potter-Fan ist. 

Feierabend im Gryffindor-Gemeinschaftsraum

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Im Gemeinschaftsraum von Gryffindor sind die ikonischen Kostüme von Hermine und Harry ausgestellt.

Nachdem die Türen der Harry-Potter-Studios schließen, erzählt sie, würden die Interactors manchmal noch zusammen im Gemeinschaftsraum der Gryffindors entspannen – „da habe ich einen Lieblingssessel!“ – oder sich in den kleinen Kinosaal setzen und füreinander ein Harry-Potter-Quiz entwerfen – „wir sind ziemlich gut“. Eine eingeschworene Gemeinschaft junger Menschen, die hier zusammen spielen und arbeiten, als lebten sie wirklich in Hogwarts. Kurz überlege ich, ob ich meinen Job kündigen und mich ihnen anschließen soll.

Mit Harry Potter im Hogwarts-Express

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Beeindruckend: Der Hogwarts Express

Meine Lieblingskulisse dampft und zischt ein paar Schritte weiter. Ein von Gepäckwagen und Koffern übersäter Bahnsteig, neben dem eine gläzende schwarz-rote Lokomotive steht, darauf der goldene Schriftzug: Hogwarts Express. Mit diesem Zug fuhren Harry, Ron und Hermine zu Beginn des Schuljahres vom Gleis 9 3⁄4 in der Londoner King’s Cross Station nach Hogwarts. In ihrem ersten Leben rollte die 1937 gebaute Dampflokomotive durch England und brachte im Zweiten Weltkrieg Kinder aus der bombardierten Hauptstadt in Sicherheit. Jahrzehntelang rostete die Lok danach auf Schrottplätzen vor sich hin, bevor die Filmemacher:innen sie fanden. Sie ist so viel majestätischer, als ich mir ausgemalt habe, dass mir erst nach einigen Momenten auffällt, dass mein Mund offen steht. 

Durchdacht bis ins kleinste Detail 

Manchmal macht die Tour meinen Traum kleiner als er ist. Und manch­mal größer. Besonders bei den interak­tiven Ausstellungsstücken, wenn sich Schlangen vor fliegenden Besen bilden, die an einen Kasten angeschlossen sind und so offensichtlich mechanisch in die ausgestreckte Hand der Muggel schnel­len, dann wirkt das Studiogelände nicht anders als ein Vergnügungspark und die magische Welt nicht zauber­hafter als eine Schaustellerbude.

Aber viel öfter bin ich fassungslos, mit welcher Detailversessenheit die Filmemacher:innen Rowlings Romane Wirklichkeit werden ließen. Wie zum Bei­spiel die kleine Grafikabteilung alles hier entwarf von Schulbüchern mit echten Kapiteln über Münzprägungen bis zur Verpackung für „Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung“. Mehr als 25.000 Seiten des magischen Magazins „The Quibbler“ wurden ge­staltet, jede mit anderen Meldungen, Horoskopen oder einer Ausgabe des Rätselspiels „Runoko“, das sich wie so vieles hier nicht Rowling ausdachte, sondern die Produzent:innen selbst. 

Harry-Potter-Filme: Liebe für jedes Detail

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Mit viel Liebe zum Detail: Die Requisiten zu Harry Potter

Die wahren Wunderkammern der Tour liegen im Studio K. Man findet sie hinter dem „Fahrenden Ritter“, sie gewähren einen Einblick in die Produktionswerkstätten. Gleich zu Beginn starren Dutzende Koboldmasken von den Regalen, und Modelle von Werwölfen, Drachen und Riesen hängen an den Wänden. Man­che Modelle sind so klein wie eine Spielzeugpuppe, manche so groß wie ein Kleinwagen, aber keines ist so be­liebt wie die etwa einen Meter große Skulptur des Hauselfen Dobby. Der verschrumpelte, glubschäugige, für sei­ne Freiheit kämpfende Elf ist eine Lieblingsfigur der Fans, und bisweilen legen Besucher:innen als Zeichen der Ehrer­bietung eine Socke auf seine Vitrine – denn nur mit geschenkten Kleidungs­stücken kann ein Hauself aus der Sklaverei befreit werden.

Harry Potter-Studios: Handgearbeitete Requisiten

Besonders fasziniert mich im Studio ein Raum, durch den die meisten ein­fach nur hindurchlaufen. Seine Wände sind überzogen von den architektoni­schen Entwürfen der Produktions­designer, mit denen die Kulissen in der benachbarten Halle erst ihren Anfang nahmen. Aber selbst kleinere Requisi­ten wie die einem Taucheranzug äh­nelnde Rüstung eines Hauselfen beka­men eine detaillierte Skizze, in der alle Komponenten vom Ledergürtel bis zur Straußenfeder minutiös beschriftet wurden. 

Das berührt mich. Nicht weil mein Traum von Hogwarts jemals an den Feinheiten einer Elfenrüstung hang – dafür war meine Vorstellungs­kraft nie groß genug – sondern, weil dahinter diese reine Lust am Erschaf­fen steckt, selbst, wenn die Requisite am Ende nur den Bruchteil einer Se­kunde im Hintergrund zu sehen ist. Die gleiche Liebe für diese Welt, die ich auch habe. Denn Träume, und das wissen nur die Wenigsten, sind eine Frage der Haltung.

Harry Potter-Studios: Hogwarts in seiner ganzen Pracht

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Der Stolz der Szenenbildner: das riesige, detailverliebte Modell von Hogwarts im Maßstab 1:24

Zum Schluss der Studiotour zeigt sich Hogwarts noch einmal in seiner gan­zen Pracht. Das Modell der Schule ist zwar kleiner als ich es gerne hätte, aber mit den Ausmaßen eines großen Gar­tenhäuschens immer noch gigantisch. Es sieht aus wie eine Kreuzung aus Neuschwanstein, Westminster Abbey und Stonehenge, mit Dutzenden Zin­nen, Türmen und Kapellen. Da, hinter den Kirchenfenstern, das muss die Gro­ße Halle sein! Da, der kleine Anbau an der Spitze des Astronomieturms, das ist Dumbledores Büro! Und als die Deckenlampen langsam gedimmt wer­den, aber dafür im Schloss überall Lichter aufleuchten, so als würden nachts wirklich Hunderte Schüler und Lehrer hinter den Mauern leben, da kommen mir zwar nicht wie manch anderem hier die Tränen, aber ich muss ein paar Mal tief schlucken.

„Das ist fantastisch!“, staunt ein Junge, der nach mir in den Raum gekom­men ist, und seine kleine Schwester, nicht ganz entschieden, ob er das Schloss vor sich meint, das in ihrem Kopf, oder ob beide mittlerweile das Gleiche sind, ruft ihm fast aufgebracht hinterher: „Sollen wir einfach nach Hogwarts ziehen?“ Ich wäre sofort dabei.

The Making of Harry Potter

Die Ausstellung in Leavesden liegt 32 Kilometer westlich von London. Der Rekord für die meisten Besuche einer Person liegt bei 52, der für die längste am Stück verbrachte Zeit in der Ausstellung bei 13 Stunden. Neben den Kulissen, Requisiten und Kostümen, die in zwei riesigen Hallen gezeigt werden, gibt es Sonderausstellungen etwa über schwarze Magie. Weil der Andrang enorm ist, müssen die Tickets lange im Voraus online gekauft werden. Aus London fahren Sie am besten vom Bahnhof Euston mit dem Zug zur Station Watford Junction, wo Sie in einen der schwarzen Doppeldeckerbusse steigen, die zu den Studios fahren. Hier erfahren Sie alle wichtigen Infos rund um die Warner Bros. Studio Tour