Weltumsegler Lars Ohlsen über Polynesien: „Eine Welt wie in Jurassic Park“

Ungeplant und ziemlich spontan überquerte der Einhandsegler und Abenteurer Lars Ohlsen allein den Atlantik, passierte auf einem wilden Ritt den Panamakanal, segelte durch den Pazifik und landete mit seinem Boot „Morsa“ schließlich in Französisch-Polynesien.
Mehrere Monate verbringt der Segler aus der Nähe von Nürnberg rund um Tahiti, Bora Bora und Morea sowie auf den kleinen Atollen des Inselstaats. Videos seiner aufregenden Reise teilt er dabei regelmäßig auf dem Youtube-Kanal Solosailing. Im Merian-Interview erzählt der gelernte Metallbauer, welche Inseln ihm am besten gefallen hat, welche Gegenden noch unberührt sind und was die Kultur von Französisch-Polynesien ausmacht.
Lars Ohlsen segelt „immer der Sonne nach“

Merian: Du liegst gerade im Südpazifik vor Anker. Was siehst du um dich herum?
Lars Ohlsen: Momentan nichts, denn hier ist es schon dunkel. Tagsüber aber ist das Wasser um mein Boot kristallklar, es gibt unzählige Riffe und palmenbewachsene Strände.
Seit drei Jahren bist du allein mit deinem Boot unterwegs. Wie kam es dazu?
Zunächst segelte ich nur rund um Europa, dann bis zu den Kanaren. Da dachte ich: Eigentlich kann ich auch direkt in die Karibik segeln. Eine Ozeanquerung ist ja der Traum vieler Segler. Ab da ging es für mich von Ziel zu Ziel – über den Atlantik, durch den Panamakanal bis in den Pazifik. Immer der Sonne nach.
Das klingt ja erst mal sehr entspannt.
Das ist es natürlich nicht immer. Zermürbend wird es, wenn mehrere Tage Flaute herrscht. Auch die Schlafthematik ist bei Solo-Überfahrten herausfordernd. Generell habe ich es mir aber gruseliger vorgestellt, allein auf dem Ozean zu sein. Offenbar hat mein Gehirn das erfolgreich ausgeblendet. Die gigantischen Distanzen waren für mich sehr abstrakt.
Von Walhaien, Korallen und Buckelwalen
Was ist das Besondere an der Unterwasserwelt von Französisch-Polynesien?
Das Ökosystem ist wesentlich vielfältiger als etwa in der Karibik. Die Korallen sind gesünder und der Artenreichtum – speziell die Haipopulationen – ist enorm. Besonders rund um die Atolle sind die Riffe riesig und ursprünglich.
Welche Tiere trifft man dort?
Meine spektakulärste Begegnung hatte ich mit einem Walhai. Ich habe mich kurz erschrocken, als plötzlich sein gigantischer Schatten aus dem Nichts auftauchte. Aber ich weiß, dass diese Fische friedlich sind. Ab Juni kommen zudem die Buckelwale nach Morea, um ihre Kälber großzuziehen. Im Rahmen einer Tour darf man in respektvollem Abstand mit ihnen schnorcheln.
Und wie kann man sich die Natur an Land vorstellen?
Die Inselwelt ist sehr abwechslungsreich. Die Marquesas zum Beispiel sind so bergig und grün wie einige Kanareninseln, aber natürlich deutlich tropischer. Man fühlt sich fast wie in „Jurassic Park“. Außerdem gibt es die Atolle mit weißen Stränden aus Korallensand. Hier hatte ich bei jedem Sturm Bedenken, dass die Wellen einfach alles verschlucken. Ein Szenario, das aufgrund des Klimawandels bald Realität werden könnte.
Ist das Thema dort allgegenwärtig?
Ja, es hat eine große Relevanz. Ich habe hier eine ganz neue Art des Respekts gegenüber dem Meer kennengelernt. Die Menschen sind von ihm abhängig und behandeln es dementsprechend. Ich habe noch nie so wenig Müll im Meer gesehen wie in Polynesien – fast nicht existent. Aktuell wird sogar der Segeltourismus reglementiert, wohl wissend, dass es so zu Tourismus-Einbußen kommt.
Renaissance der polynesischen Tattoos
Was macht die polynesische Kultur aus?
Auf den Marquesas ist die alte Kultur sehr lebendig. Man kann traditionelle Handwerkskunst wie Schnitzarbeiten entdecken. Und Musik und Tänze spielen eine große Rolle. Bei Spaziergängen trifft man öfter Gruppen, die ihre Choreografien für Tanzwettbewerbe mit den Nachbarinseln trainieren. Darüber hinaus gibt es die Mahu, das dritte Geschlecht. Es handelt sich um männlich geborene Kinder, die aus Schutz vor Rivalitäten weiblich erzogen werden. Sie sind überall in Polynesien anzutreffen und als Teil der tief verwurzelten Kultur vollkommen respektiert.
Du hast dir ein polynesisches Tattoo stechen lassen. Wie funktioniert das?
Das Muster wird mit einer Nadel und einem Hammer in die Haut geschlagen. Eine zweite Person muss die Haut straffen. Im Zuge der Kolonialisierung war Tätowieren bis in die 1980er Jahre verboten. Die traditionellen Techniken und Muster waren fast vergessen. Tatsächlich hat ein deutscher Ethnologe die historischen Designs wiederentdeckt und sie hierhin zurückgebracht.
Zeigt sich der französische Einfluss noch?
Die Spuren der Kolonialisierung sind im Überseegebiet ganz deutlich in Sprache und Architektur. Staatliche Berufe wie der Polizeidienst werden größtenteils von Franzosen ausgeübt und auch die Tourismusindustrie liegt weitgehend in französischer Hand. Zudem wächst die Einflussnahme chinesischer Investoren. Die Polynesier selbst streben nach mehr Autonomie beziehungsweise einer völligen Unabhängigkeit.

Lars Ohlsen stammt aus Oberfranken und hat als leidenschaftlicher Segler das Meer im Blut. 2022 kündigte der 43-Jährige seinen festen Job, kaufte das Boot „Morsa“ und brach zu seinem größten Abenteuer auf. Von den Kanaren aus segelte er mehr als 7.000 Seemeilen in die Karibik, durch den Panamakanal bis in den Südpazifik. Von unterwegs arbeitet er für seine Kosmetikmarke Kapitän Ohlsen und teilt regelmäßig Videos auf seinem Youtube-Kanal Solosailing.
Polynesien-Geheimtipp: Vollmond auf Fakarava

Wie kann man sich den Alltag auf den entlegenen Archipelen vorstellen?
Das alltägliche Leben ist entspannt. Mancherorts sind die Jugendliche noch mit Pferden unterwegs. Auf Atollen wie Fakarava und Rangiroa gibt es kaum Tourismus, nur ein paar Restaurants und Tauchschulen. Die Menschen leben von der Gewinnung von Kokosöl oder -fleisch, von Perlenfarmen und dem Fischfang.
Wie finanzierst du dein Abenteuer?
Mit einem Freund habe ich eine Naturkosmetik-Marke gegründet. Arbeiten kann ich unabhängig und von unterwegs. Ich muss dennoch gut kalkulieren und mit haltbaren Lebensmitteln planen.
Was ist dein Tipp für eine Reise nach Französisch-Polynesien?
Für Südpazifik-Neulinge lohnen sich Tahiti und Bora Bora. Mir gefällt Fakarava, das mit seiner Unterwasserwelt als UNESCO-Biosphärenreservat unter strengem Schutz steht. Bei Vollmond kommen Millionen Zackenbarsche für ihre Fortpflanzung an die Oberfläche und locken damit weitere Raubfische an. Man kann dann sogar am Rand des Getümmels abtauchen – praktischerweise gibt es dort eine Tauchschule.