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Villa Feltrinelli am Gardasee: Ein Haus und seine Geschichte

Maximal 40 Gäste, viele schweben direkt per Helikopter ein und genießen ihr exklusives, geschichtsträchtiges Stück Ufer in Gargnano am Gardasee: Das Grandhotel in der Villa Feltrinelli gilt als eine der luxuriösesten Herbergen der Welt. Ein Nein gehört dort nicht zum Repertoire, glasklares Wasser und ein Lager mit Stammgast-Lieblingsstücken schon.

Text Alexander Oetker
Datum 01.02.2025

Ein Meer aus roten Blüten, das wäre perfekt, dachte sich Markus Odermatt kurz nach der Eröffnung der Villa Feltrinelli. Zwanzigtausend rote Blumen sollten die Beete und Wiesen des Anwesens schmücken, der alte Baumbestand machte den sechs Hektar großen Garten ohnehin schon zu einem hochherrschaftlichen Park. Also ließ der Hoteldirektor seine Gärtner ranklotzen. Einer der ersten Gäste des Hauses, ein Konzernboss aus Italien, wollte hier seine Hochzeit feiern – wünschte sich dafür allerdings ein weißes Blütenmeer. Odermatt ließ sofort alle roten Blumen auspflanzen, und 20.000 weiße Blüten strahlten pünktlich zur Hochzeit. Diese Geschichte sagt viel darüber, wie viel König der Gast in der Villa Feltrinelli ist, ein Nein gehört hier nicht ins Repertoire. Der Name des Gastes bleibt diskret verborgen, ohnehin ist hier kein Schaulaufen gewünscht. Die Villa, das ist Bescheidenheit im Auftreten und bedingungsloser Luxus in den Details. 

Villa Feltrinelli: Der Luxus der Ruhe

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Platz und Ruhe gehören zu den wichtigsten Luxusgütern unserer Zeit. Beides gibt es in der Villa Feltrinelli.

Wenn sich das schwere, schmiedeeiserne Tor hinter den Gästen geschlossen hat, sind sie schon auf der kiesbelegten Serpentinenstraße inmitten eines Parks, umgeben von den beiden größten Luxusgütern unserer Zeit: Platz und Ruhe. Da ist kein Autolärm, kein lautes Gespräch, kein Rasenmäher. Nach einer Weile öffnen sich die Ohren für das Vogelgezwitscher, Windrascheln in den Blättern der Olivenbäume, das Klatschen der Wellen des Gardasees gegen die Mauern um die Villa. Im Sommer wird die Ruhe ein-, zweimal am Tag kurz unterbrochen: von Rotorblättern, wenn sich die Superreichen hier einfliegen lassen, mit dem Helikopter. Der landet dann auf dem feinen Rasen des Krocket-Platzes, der im Garten angelegt ist. „Die Engländer spielen nach strengen Regeln, die Italiener nach keinen Regeln“, sagt Hoteldirektor Markus Odermatt mit einem Augenzwinkern. Der Schweizer leitet das Hotel von Anbeginn, es ist sein Lebenswerk. 

Oberhalb der Limonaia mit 70 Zitronenbäumen liegen die Fitnessräume, die beliebteste Aktivität aber ist das Bad im See. Sein Wasser ist hier, am Westufer, auf halbem Weg zwischen Limone und Saló, glasklar, jeder Kiesel am Boden deutlich zu sehen. Nah am Strand schwimmen Karpfen, wetteifern Schwäne und Enten darum, wessen Gefieder schöner ist. Es gibt nicht nur einen Steg hier, sondern vier, auf jedem stehen zwei Liegen, mit großem Abstand. 21 Zimmer hat die Villa, dazu das Bootshaus, maximal 40 Gäste sind hier zur selben Zeit – um die sich 90 Mitarbeiter kümmern. Dieses Angestellten-Gast-Verhältnis ist einmalig. Da gibt es am Pool Menschen, die jedes Handtuch aufdecken und noch in die entlegenste Ecke den Apéro servieren, bei der Anreise packen die Zimmerdamen das Gepäck der Gäste aus, fein säuberlich hängt dann alles im Schrank.

Die Geschichte hinter der Villa Feltrinelli am Gardasee

Gebaut wurde die rote Villa 1892 für die Papier- und Verlegerdynastie Feltrinelli, in Gargnano, ihrem Heimatdorf. Vater Carlo starb früh, Sohn Giangiacomo wurde später der bedeutendste Verleger Italiens. Er fremdelte mit seiner reichen Herkunft und wandte sich dem Kommunismus zu. Für zwei Jahre musste die Familie ihre Residenz verlassen, weil Benito Mussolini einzog. Es war die Endphase seiner Herrschaft, das Anwesen ein von der deutschen SS geschütztes Versteck, um den selbst ernannten Duce und seine Familie vor Luftangriffen zu schützen.

Nach dem Krieg kehrten die Feltrinellis zurück, die deutsche Fotografin Inge Schönthal wurde zu Signora Feltrinelli. Berühmt sind ihre Aufnahmen von Greta Garbo, Ernest Hemingway und Fidel Castro. Die Ehe hielt nicht lange, danach radikalisierte sich Giangiacomo in seinem Kampf gegen den Kapitalismus und ging in den Untergrund. 1972 starb er beim Versuch, einen Hochspannungsmast bei Mailand in die Luft zu jagen, die Sprengladung ging zu früh hoch, sagten die Ermittler. Neue Erkenntnisse legen nah, dass es auch die Geheimdienste gewesen sein könnten, dass sie den charismatischen Verleger aus dem Weg geräumt haben könnten.

Wie Markus Odermatt zur Villa Feltrinelli kam

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In der Villa Feltrinelli ist alles märchenhaft – vom Treppenhaus über die Bootsanlegestelle bis hin zur Bar.

Das Ende des Magnaten brachte Geldprobleme für die Familie, ihre Villa musste sie preisgeben: an einen Baulöwen aus Italien, der wiederum an den amerikanischen Hotelier Robert H. Burns verkaufte, der einst die Regent­-Kette gegründet hatte. Eigentlich wollte sich der Multimillionär mit der Villa seinen Altersruhesitz schaffen, doch das Anwesen war ihm dann doch etwas zu groß. So suchte und fand er Markus Odermatt, Hotelier aus Luzern. „Egal, wie teuer das Hotel ist, das Sie eröffnen dürfen: Es gibt immer ein Budget“, sagt der Direktor. „Hier gab es das nicht. Es gab kein Limit. Ich konnte ausgeben, was ich wollte, damit der Luxus perfekt ist.“ 

Dabei waren die Gemälde und die Vasen, die Skulpturen des Verlegers Feltrinelli schon eine gute Grundlage. Von Mussolini sind nur die beiden riesigen goldgefassten Spiegel im Treppenhaus erhalten, die er aus Rom an den Gardasee bringen ließ. „Der Gardasee ist nicht Como und nicht der Lago Maggiore – hier gab es nie große Villen, weil es den reichen Mailändern viel zu beschwerlich war bis hierhin. Deswegen ist unser Haus hier etwas ganz Besonderes.“ Odermatt, Glatze und grauer Dreitagebart, geht in Sakko und Pullunder durch den Garten, redet jovial mit den Gästen, als wären sie alte Freunde. Sind sie teils auch. „Wir haben mehr als 60 Prozent Stammgäste“, sagt der Direktor. „Manche von ihnen kommen mehrmals im Jahr. Die lassen dann nicht nur ihre Kleidung hier, sondern auch Zahnbürsten, Kosmetika, manchen stellen wir eigene Fotos und Bilder ins Zimmer, damit sie sich wie zu Hause fühlen. Ich habe ein Lager angemietet nur für die Sachen der Gäste.“

Zwar ist die Villa lediglich von April bis Oktober geöffnet, doch die Angestellten werden das ganze Jahr über bezahlt, die Wintermonate haben sie einfach frei, um durchzuatmen für die lange Sommersaison. Die meisten arbeiten schon 20 Jahre hier. „Das lieben die Gäste, das schafft genau das persönliche Erlebnis, das wir uns hier wünschen“, sagt der Direktor. Markus Odermatt findet, die Luxushotellerie heutzutage sei viel zu geldgetrieben, man müsse von der Haute Couture lernen und manche Dinge eben einfach aus Leidenschaft machen. Andererseits sagt sich das auch leicht, wenn man in den warmen sechs Monaten im Jahr, in denen die Villa geöffnet ist, ständig ausgebucht ist – bei Zimmerpreisen von 1.800 Euro pro Nacht.

Fine Dining in Gargnano: So zaubert Stefano Baiocco

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Der See und das eigene Gewächshaus liefern frischeste Zutaten, Chefkoch Stefano Baiocco kreiert daraus etwa Fenchel-Eiscreme mit Apfel-Gelee.

Die Gäste kommen auch wegen der Küche, die zwei Sterne hat, aber so ganz anders ist als schwere Haute Cuisine: Stefano Baiocco kocht federleicht, es ist eine grüne Küche, nach den zehn Gängen gehen die Gäste unbeschwert ins Bett, ein seltenes Gefühl beim Fine Dining. Den Markt im nahen Gargnano braucht Stefano Baiocco nicht, weil er seinen Garten hat, aus dem er sein ganzes Menü speist. Wichtigster Gang im Reigen ist der Salat, den der Koch vor dem Dessert eingebaut hat. Dabei serviert er aus ebendiesem Garten ein buntes Ensemble, 125 Blätter und 25 Blüten, einem Gemälde gleich, die Gäste essen diesen Salat mit einer Pinzette, Blatt für Blatt, Blüte für Blüte, jede gibt es nur ein einziges Mal – das Staunen über die Breite der Aromen der Natur ist inklusive. 

Carlo Feltrinelli, der Sohn des berühmten Verlegers Giangiacomo, litt übrigens lange, weil seine Familie die Villa hergegeben hatte. Es ist noch nicht lange her, da erstand er am selben Ufer ein anderes Haus. Sogleich ließ er riesige Zypressen pflanzen, damit er den roten Palazzo nebenan, das verlorene Erbe, nicht immer vor Augen haben muss.