Ein Haus und seine Geschichte: Die berühmte Villa La Massa

Hier vor dem Altar mit dem Madonnenrelief im Goldmosaikrahmen standen sie anno 1992: das Supermodel Iman im Brautkleid, der Popstar David Bowie im Frack mit weißer Fliege. Wer sich heute nicht vorstellen kann, wie die beiden in dieser winzigen Kapelle neben der Einfahrt zur Villa La Massa heirateten, der frage Tamara Trambusti. Vielleicht zückt sie dann ihr Smartphone und zeigt ein Foto: Iman auf einem Sessel und davor kniend Bowie. „Sie feierten ganz normal“, sagt Trambusti, „nicht mit großem Feuerwerk.“ Nur um die 80 Gäste waren geladen, unter diesen natürlich viele Berühmtheiten.
Trambusti hat viele Stars in der Villa La Massa begrüßt: Robert De Niro, Madonna, Bruce Springsteen. Sie war 19 Jahre alt, als sie 1979 einen Job an der Rezeption bekam, und heute arbeitet sie immer noch hier. „Die gute Seele des Hauses“ nennen sie jüngere Kollegen. Schon in den sechziger Jahren kamen viele Hollywood-Stars, „damals gab es nur wenige Fünf-Sterne-Hotels in Florenz“, sagt Trambusti, „die Villa La Massa war eines der bedeutendsten“. Und eines der Häuser mit besonders langer und wechselvoller Geschichte.
Wie die Villa La Massa zum Luxushotel wurde

1525 ließ sich ein Mann namens Santi Landini hier an einer Biegung des Arno eine Sommerresidenz bauen. Seine Familie gehörte zum florentinischen Adel, der Handel mit edlen Stoffen hatte sie reich gemacht. Bis heute schauen ab und an Nachfahren der Landini vorbei, erzählt Trambusti. Beste Verbindungen hatte auch Kardinal Giovanni Rinuccini, der das Haus 1788 kaufte. Die Rinuccinis standen in stadtinternen Konflikten auf der Seite der Medici, was ihren Geschäften wohl nicht schadete. Rinuccinis Neffe Alessandro setzte vier Türme an die Ecken der Villa – die letzte größere Veränderung an ihrem Äußeren.
Die Besitzer kamen und gingen. 1856 kaufte eine russische Gräfin mit Namen Bierlinska die Villa, ein letztes Mal war sie Bühne des Adels, bevor sie 1953 zum Luxushotel wurde. Die Zimmer waren damals kleiner und barocker, dicke Teppiche bedeckten die Böden und dunkle Tapeten die Wände, Standard waren Himmelbetten und Goldhähne im Bad. Ein wenig von diesem opulenten Stil hat die Familie Fontana erhalten, die auch die Villa d’Este am Comer See betreibt. „Die Eigentümer wollen so wenig wie möglich hinzufügen“, sagt Elisa Peroli. Sie leitete für Four Seasons ein Vierteljahrhundert Hotels in verschiedenen Ländern, Anfang 2023 wurde sie Direktorin der Villa.
Darüber, dass nicht zu viel verändert wird, wachen ohnehin die Denkmalschützer. Selbst das Strohgelb der Fassade und das Graublau der Fensterläden ist exakt vorgeschrieben, so wie die Farben aller anderen Fassaden. Das Haus schmücken eine Ritterrüstung und gekreuzte Hellebarden, dunkle Möbel und schwere Vorhänge mit Blumenmustern. Den Gästen, überwiegend aus den USA, gefällt dieser Traum von Old Europe. Im Foyer hängen die Wappen florentinischer Adelsfamilien und über den Rundbögen die Flaggen der Stadtviertel. Einst sprudelte dort ein Brunnen unter freiem Himmel, bis in den siebziger Jahren ein Dach über das Atrium gezogen wurde.
Villa La Massa: Tennis spielen, reiten, relaxen

„Bisher hat jeder neue Besitzer etwas hinzugefügt“, sagt Trambusti. Die Stars von einst schätzten genauso wie die Gäste heute den Kompromiss: nur eine Viertelstunde Fahrt von der Altstadt entfernt zu logieren, dem Trubel aber in dieses Refugium entfliehen zu können. Zehn Hektar groß ist der Hotelpark, am Flussufer ist es immer ein paar Grad kühler als in der Stadt. Auf dem Trimm-dich-Pfad mit hölzernen Geräten und verblichenen Schildern laufen oder spazieren die Gäste um einen Olivenhain und Gemüsebeete. Oder sie setzen sich in den Pavillon am Irisgarten, ein Lieblingsort für Yogastunden oder Picknick, Aperitif oder Heiratsantrag. Am schönsten ist es dort von April bis Mitte Juni, wenn die Schwertlilie blüht – jene Blume, die das Wappen von Florenz schmückt.
Selbst wenn das Hotel ausgebucht ist, verteilen sich die Gäste wohltuend auf seine fünf Villen. Seit 2018 wurden zwei Nebengebäude restauriert und die Zahl der Zimmer so mehr als verdoppelt: von 21 auf 51, plus drei Apartments. Die Zimmer sind unterschiedlich gestaltet: im Haupthaus mit Deckenmalereien und edlen Stoffen, in den Nebenhäusern eher toskanisch-modern. Allesamt haben sie aber klassisch italienische Marmorbäder.
Wer hier eincheckt, kann auch auf den Tennisplätzen nebenan spielen oder mit Pferden aus dem nahen Gestüt über die umliegenden Hügel reiten. Oder im Spa, das im einstigen Weinkeller eingerichtet wurde, im achteckigen Marmorbecken zu Füßen einer kopflosen Statue baden. 80 bis 95 Angestellte arbeiten in der Villa La Massa, dazu kommen Gärtner, die im Herbst die Oliven von den 250 Bäumen pflücken. Auch ausgefallenste Wünsche werden erfüllt. Ein Gast ließ einst 400 rote Rosen von einem Helikopter über dem Garten ausstreuen, im Blütenregen streifte er seiner Freundin den Verlobungsring über den Finger. „Mittlerweile sind sie geschieden“, sagt Trambusti mit maliziösem Lächeln.
Gastronomie in der Villa La Massa

Das Bistro L’Oliveto wurde in der ehemaligen Scheune eingerichtet. Auf der Terrasse wird dort nun mittags zwischen Zitronenbäumchen und weißen Dipladenien die traditionelle Tomatensuppe serviert, ein fruchtig-salziges Mus. Sie lässt noch Platz für das Vin Santo Semifreddo mit karamellisierten Mandeln und Cantuccini. Wer lieber selber kocht: In der Villa Hombert gibt es drei Ferienwohnungen mit Küche. „Viele Gäste reisen mit ihren Köchen an“, erzählt Trambusti, die Schauspielerin Jessica Alba etwa wollte ihr veganes Menü wie zu Hause – und aß dann am Ende doch fast immer im Restaurant.
Kein Wunder. Im Il Verrocchio, früher der Pferdestall, sitzen die Gäste auf einer Terrasse über der Ufermauer. Besonders schön ist es dort früh am Morgen, wenn die Sonne über die östlichen Hügel mit ihren vereinzelten Villen flutet und der Arno glitzert. Auch beim Dinner geht es dort leger zu, die Kellner in weißen Hemden und Westen sind freundlich und unaufdringlich, ein Pianist klimpert Schmachtklassiker. Wer ruhiger dinieren will, bucht die Tafel im Weinkeller. Und lässt sich vom Sommelier die besten Flaschen der umliegenden Anbauregion Chianti Rufina erklären.
Für den Absacker geht es dann hinüber in die Bar Mediceo, wo der Barkeeper Alessio Baneschi hinter der Marmorplatte des Tresens steht und von der Kunst des Aperitivos erzählt. Und vom Negroni, der vor etwa 100 Jahren in Florenz erfunden wurde. „Ändert man nur eine Zutat, so ändert man den gesamten Cocktail“, sagt der 32-Jährige. Und wer sich länger mit ihm unterhält, erfährt vielleicht sogar die Rezepte jener Signature Drinks, die er der ehrwürdigen Geschichte des Hauses und seinen unsterblichen Gästen gewidmet hat: „Ziggy Stardust“ und „Like a Virgin“.