Food-Guide: 12 herausragende Restaurants in Tallinn

Ein Citytrip reicht kaum, um die kulinarische Vielfalt von Tallinn zu erleben. In den Lokalen und Cafés der estnischen Hauptstadt treffen rustikale Gerichte auf internationales Fine Dining und saure Gurken auf französische Bistro-Kultur.
Merian-Food-Guide Olaf Deharde hat sich für uns durch die Altstadt, die Halbinsel Kopli und das moderne Rotermannviertel probiert und die besten Restaurant-Adressen von Tallinn zusammengetragen.
Restaurant 180° by Matthias Diether

Der Berliner Matthias Diether kam nicht einfach nach Tallinn, die Stadt kam zu ihm – und er hat sich mit dem 180° am Hafen seinen Küchentraum gebaut. Von Grund auf, mit Präzision und einem langen Atem, der ihn zu zwei verdienten Michelin-Sternen geführt hat. Dabei ist er sich treu geblieben, und das bedeutet: Zwischen feinstem Wolfsbarsch mit Kalbskopf-Ragout und Aal-Gänseleber-Fusion blitzen immer wieder deutsche Kindheitserinnerungen auf, etwa in Form einer Hommage an Hanuta. Klassisches Fine Dining, dem gelegentlich ein Schuss Berliner Rotzigkeit unterläuft.
Rado

Warmes Licht, vertraute Stimmen und ein Gastraum, der pure Entspannung ausstrahlt – so einen Ort wünscht man sich in der Nachbarschaft! Lässig, warm, null Attitüde. Auf der Karte eine Pasta Cacio e Pepe (mit Pecorino und schwarzem Pfeffer), wie sie cremiger und leckerer nicht sein könnte, und kleine Überraschungen wie gebackener Zanderkopf in Beurre blanc. Klingt wild, schmeckt nach „Gib mir mehr davon“. Dazu Schnaps – hausgebrannt, von unterm Tresen. Rado Mitro und Triinu Tapper haben das Rado mitten in der Altstadt mit viel Herz und familiärem Rückhalt aufgebaut.
Peet Ruut

Man läuft beim Altstadtbummel leicht daran vorbei, kein großes Schild, keine grellen Lichter, kein Aufmerksamkeitsgeheische. Könnte daran liegen, dass im Peet Ruut die Energie da hingeht, wo sie hingehört: ins Essen. Alles bio, alles sehr durchdacht, alles mit Sinn und Seele. Die Fleischgerichte bestehen oft aus den Cuts, die sonst keiner will, und so kommt man beispielsweise auf den intensiven Geschmack von Rinderschwanz. Die frittierten Auberginen mit Hoisin-Soße sind Pflicht und ein guter Start zum Teilen. Nichts verschwendet – außer vielleicht Zeit, aber das ist in diesem Fall das schönste Kompliment.
Karjase Sai

Als Kenneth Karjane vor fünf Jahren in die bröckelnden Hallen einer alten Gummistiefelfabrik auf der Industrie-Halbinsel Kopli zog, schüttelten alle den Kopf. Noch heute sagen Taxifahrer Sätze wie: „Passen Sie gut auf sich auf.“ Was sie offenbar noch nicht wissen: Das Gefährlichste im Karjase Sai sind die Teigwaren von Kenneth. Kardamomknoten, die süchtig machen, Apfeltaschen, die schmecken wie Kindheit mit einem Schuss Wahnsinn, Croissants, die an den Rändern einen Tick zu dunkel sind und genau deshalb so gut. Alles ein bisschen overbaked, alles mit dieser rauen, goldbraunen Perfektion, die man zu Hause nie hinbekommt, egal wie sehr man sich abmüht.
Gobi

Das kulinarische Juwel liegt da, wo man es am wenigsten erwartet: im modernen Rotermannviertel. Von dort katapultiert das Gobi seine Gäste direkt nach Georgien – mit rustikaler Küche und der vollen Aromenwelt in Klassikern wie Khachapuri (das georgische Pendant zur Pizza) und sehr saftigen Khinkali (Teigtaschen). Für alle, die sich mal richtig in die georgische Küche vertiefen wollen, ist der private Chef ’s Table der richtige Ort. Dort übernimmt Luka Khinkiladze das Ruder, zeigt das Spektrum georgischen Geschmacks und macht beste Weine aus Georgien zugänglich.
The Kurze

Was mit Heimweh und einem Kochtopf begann, ist heute einer der spannendsten kulinarischen Orte in Tallinn. Die Journalistin Nuriyan füllt im The Kurze kleine, handgeformte Teigtaschen nach einem Rezept aus ihrer Heimat Dagestan mit Fleisch, Kräutern und Geschichte. Ehrliches, deftiges Soulfood aus dem Nordkaukasus. In Dagestan leben mehr als 30 indigene Völker, jedes mit eigener Sprache, eigenen Rezepten und einem gemeinsamen Nenner: Khinkal. Nicht zu verwechseln mit den georgischen Khinkali. Das hier ist die dagestanische Antwort auf Pasta, Dumpling und Familienessen in einem.
Moon

Vor zehn Jahren ließen Roman Zaštšerinski und Igor Andrejev die High-End-Gastronomie hinter sich, eröffneten das Restaurant Moon auf dem Kreativcampus Telliskivi und schaffen es, Einfachheit in ein Erlebnis zu verwandeln. Das schätzen lokale Gastronomen, die gerne hier essen, und viele Stammgäste. Saure Gurken, Sauerrahm und Honig – eine simple Kombination, die so frisch und so anders ist, dass du kurz denkst, du wärst in einer alten sowjetischen Bar. Chicken-Kiev, Buchweizen-Blinis, ein Löffel Kaviar, noch ein Wodka und du bist im kulinarischen Himmel.
Lee Brasserie

Versteckt, verwunschen, verflucht gut. Das Lee Brasserie ist Petit Paris in Tallinn, mit einem Garten wie aus einem französischen Indiefilm. Drinnen bunte Gläser, Spiegelwände. Alles wirkt beiläufig, dabei wurde hier nichts dem Zufall überlassen. Und dann kommt das Essen: Tatar, grob geschnitten, roh, ehrlich, mit einer geräucherten Austernsoße, die mehr Tiefe hat als manch französischer Roman. Beef tenderloin mit Fritten und Aioli. Du sitzt plötzlich im Nachtzug nach Paris, Fenster runter, Rotwein in der Hand, Chanson im Ohr.
SAI! Sandwich-Café

Im Herzen der Altstadt bietet das charakterstarke Minilokal SAI! eine Auswahl an Sandwichklassikern wie Schinken-Käse, aber auch kreative Füllungen wie Kimchi-Mayo und scharfe Nduja-Wurst. Warteschlangen vor der Tür können die Sandwich-Kreateure nicht aus der Ruhe bringen, hier entscheidet der Käse, wann er richtig zerlaufen, golden, leicht knusprig ist. Fast zu gut, um es Sandwich zu nennen.
Põhjala Brewery & Tap Room

Die Brauerei und ihre bunten Bierdosen sind längst in der internationalen Craftbeer-Community bekannt, besonders für ihre dunklen Stouts und Baltic Porters. Eine Besonderheit ist die Wald-Serie, gebraut mit Birkenwasser, Fichtensprossen und geräucherten Pilzen. Der große Schankraum ist perfekt, um sich durch das ganze Spektrum zu probieren. Dazu gibt es Cauliflower-Wings im Nashville-Style, überzogen mit einer Ladung scharfer Soße, Chips und selbst gemachtes Trockenfleisch.
NOA Chef's Hall

Etwa zehn Kilometer nordwestlich von Tallinn, direkt an der Küste, liegt die NOA Chef's Hall. 2022 wurde das Restaurant mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Unter der Leitung von Küchenchef Tõnis Siigur bietet es ein kreatives Sieben-Gänge-Menü, das mit luxuriösen Zutaten wie Kaviar und Trüffel und lokal gesammelten Produkten arbeitet. Das stilvolle Ambiente des Restaurants wird durch einen romantischen Loungebereich ergänzt, der einen atemberaubenden Blick auf die Ostsee bietet.
Hiis

Spätestens seit seinem Sandwich-Wunderland Sai! weiß man: Wenn Daanius was anpackt, wird es großartig, zum Beispiel etwa 45 Minuten Fahrt östlich von Tallinn, am Meer, hinter einem mysteriösen Tor, in einem Dorf. Für eine kleine Runde Gäste kocht Daanius sich durch ein Menü, das die Aromen der estnischen Wälder, Wiesen und Küsten einfängt. Feuerholz knackt im Hintergrund, jedes Gericht im Hiis ist ein kleines Stück gelebte estnische Gastfreundschaft, spätestens nach dem dritten Gang fühlt man sich wie bei alten Freunden.