Ein Haus und seine Geschichte: Das Taschenbergpalais in Dresden

Es war ein Baustein im Dresdner Machtgefüge, dann eine Ruine, bis es als Hotel zurückkam. Nun hat sich das Taschenbergpalais einmal mehr neu erfunden: mit viel Stil, Humor und Herzblut.
Text Tinka Dippel
Datum30.10.2025

Was sie wohl dazu sagen würde, dass ihr Haus heute ein Wohnzimmer der Dresdner ist? Wobei Wohnzimmer tief gestapelt ist, Salon trifft es besser. Immerhin führt ein roter Teppich zum Eingang, der eleganten Drehtür, durch die sich ein ständiges Kommen und Gehen ausbreitet in dem barocken Stadtpalais, das schon so viele unterschiedliche Gesichter gezeigt hat. Und in dem ihres bis heute überall präsent ist: Anna Constantia Gräfin von Cosel, Star und Strippenzieherin im Dresden August des Starken, der ihr auf einem Hügel namens Taschenberg diese luxuriöse Residenz direkt neben sein Schloss bauen ließ. 320 Jahre ist das nun her, der Hügel nicht mehr wahrnehmbar, das Palais ein fester Bestandteil der Stadt. Und wenn es ein Haus versteht, Epochen-Dolmetscher zu sein, zwischen all seinen historischen Lagen zu übersetzen, dann dieses Taschenbergpalais. 

Taschenbergpalais: Eine Reminiszenz an das goldene Dresden

Die Royal Suite verbindet die Queen und die King Suite. Bis zu sechs Gäste haben dort gut 380 Quadratmeter Platz.

Von außen wirkt es wie frisch gewaschen, kein Makel an der eierschalenfarbenen Fassade. Die ist denkmalgeschützt, aber hinter ihr wurde das Haus bis vor wenigen Monaten stark verändert – wieder einmal. „Ich habe selbst gestaunt“, sagt Marten Schwass, heute der Hausherr. „Wow, dachte ich, als ich durch die Baustelle gelaufen bin. Da ist ja nicht mehr viel übrig.“ Seit 13 Jahren ist Marten Schwass der Direktor des Kempinski Hotel Taschenbergpalais, das nach der Wende zum ersten Fünf-Sterne-Luxushotel der ehemaligen DDR wurde. 

30 Jahre später wieder alles neu? „Es war ein schönes Haus, jetzt ist es noch schöner geworden“, sagt der Chef. „Wir hätten mit dem Produkt noch leben können, aber die Besitzer wollten ein Grandhotel draus machen, das sich in die Riege der großen Hotels in Deutschland einreiht. Lampendesigner, Lichtdesigner, Innenarchitekt – es wurden alle beauftragt, die man beauftragen kann.“ Und die haben nicht nur die ästhetischen und funktionalen Aspekte ernst genommen, sondern auch den Dolmetscher-Job. „Die Cosel“, wie sie in Dresden genannt wird, blickt nicht nur aus alten Gemälden auf ihre internationalen Besucher. Sie wird auch in vielen Ecken des Hauses interpretiert – auf Monitoren im Fahrstuhl oder auf dem Bild, das hinter der Rezeption hängt, einem KI-generierten Schwarz-Weiß-Foto, gefüttert mit Parametern, aus denen eine Cosel 2.0 entstanden ist.

Als Schönheit galt sie, ehrgeizig und klug, machthungrig auch und herrisch. Das Dresden, in dem sie lebte, war das goldene Dresden, in dem sich der Barock breitmachte, viel gebaut wurde, Pracht nie prächtig genug sein konnte, in dem geschwelgt wurde, auf allen Ebenen. Es ist ein Dresden, nach dem sich manch Dresdner bis heute sehnt, und für das Gebäude wie dieses Palais und zwei Persönlichkeiten der damaligen Zeit in erster Reihe stehen: August der Starke und seine Geliebte, die er hier hofierte, bis er sie zugunsten einer anderen Mätresse und politischer Interessen fallen ließ. Ein Stoff, der sich wunderbar ins Heute übertragen lässt, und daran hatten sie hier sichtlich Freude, das neue Hotel Taschenbergpalais steckt voller historischer Zitate.

Zerstörung und Wiederaufbau

Blick in eine schmerzhafte Vergangenheit: 50 Jahre lang war das Taschenbergpalais eine Ruine.

Aber die Geschichte des Hauses ist nicht nur golden. Wie all die Pracht rundherum ging auch das Taschenbergpalais im Bombardement des Februar 1945 in Flammen auf. Was von ihm übrig blieb, war die Fassade, durch deren Fensterlöcher man durchblicken konnte auf den Schutt aus einstiger Opulenz. Irgendwann schlugen Bäume dort Wurzeln, ein Zaun wurde gezogen, das Palais blieb eine Ruine, fast 50 Jahre lang. Mit dem Aufbau von Augusts Residenzschloss wurde in den 80er-Jahren begonnen, Anfang der 90er war das Palais seiner Mätresse Cosel dran. Und kurz danach kam Thomas Wenzel als Hausmann ins Hotel, eine der vielen guten Seelen, die hier verschiedene Aufgaben wahrnehmen und der selbst sagt: „Ich bin mit dem Haus verwachsen.“ 

Viele, die damals ins Haus kamen, sind bis heute dort, es ist bestimmt zu einem großen Teil auch ihnen zu verdanken, dass das historische Anknüpfen hier so gut funktioniert. Menschen wie Thomas Wenzel tun jedem Hotel gut, für das Taschenbergpalais sind sie unerlässlich, denn dieses Haus hat seine Besonderheiten. So aufgeräumt und symmetrisch die Fassade wirkt: Innen herrscht räumliche Anarchie, kaum ein Raum-Schnitt gleicht einem anderen, das Palais ist klassisches Grundstücks-Patchwork, entstanden nicht in einem Guss und entsprechend herausfordernd. Würde man das gesamte Personal von einem Tag auf den anderen austauschen, es wäre ziemlich lost in translation.

Wie neu geboren: das Taschenbergpalais in Dresden

Die Einrichtung der Grand Palais Zimmer korrespondiert mit dem Blick auf die Altstadt-Schönheiten.

180 Zimmer und 31 Suiten verteilen sich auf drei Etagen rund um den zentralen Innenhof, in den zu Cosels Zeiten die Kutschen einfuhren. Thomas Wenzel blieb wie viele seiner Kollegen während der Renovierung im Haus. Er sah dabei zu, wie das Mobiliar zusammengetragen und versteigert wurde, die rund 70.000 Stücke sollten weiterleben, und ihr Erlös kam dem Budget für die Renovierung zugute. Die hat etwa 14 Monate gedauert, alle Gänge, alle Zimmer, die Lobby, die Restaurants wurden komplett neu gestaltet. „Wie schaffen wir es, in das alte Palais ein Interieur reinzukriegen, das mit dem alten vereinbar ist?“ Das sei die Herausforderung gewesen, sagt Direktor Marten Schwass. Um die zu meistern, wurde Markus Hilzinger mit dem Look im Inneren beauftragt. Der war schon in diversen Hotels am Werk, unter anderem im Adlon in Berlin und im Grandhotel Heiligendamm, und er begreift Design auch als Storytelling, was perfekt zu diesem Haus passt. 

„Geschichte neu erzählt“, unter diesem Motto haben Hilzinger und sein Team sich hier ans Gestalten gemacht. „Als sie mit den Tapeten ankamen, habe ich gesagt: Das können Sie nicht machen. Wir können doch keine Blümchenmuster mit Vögelchen anbringen“, erzählt Direktor Marten Schwass. Als er dann durch die Gänge lief, revidierte er seine Meinung. Die Tapeten funktionieren so gut wie die Pastellfarben, das helle Blau, das Sandbeige, das Rosé in den Gängen. Für die Zimmer wurden vier unterschiedliche Designs und Farbwelten entwickelt, das gute alte Elbflorenz scheint durch in der durchweg italienischen Anmutung. Dass die technische Ausstattung der Zimmer natürlich auf dem Stand, möglichst kabellos und ziemlich umfassend ist, wurde dezent damit verwoben. Wie viel das Ganze letztlich gekostet hat, darüber wird geschwiegen, das Invest muss aber groß gewesen sein, allein die Armaturen in den Bädern der Standardzimmer kosten rund 28.000 Euro. 

Taschenbergpalais: Ein Haus mit hohen Ansprüchen

Klares Design, das die hohen Ansprüche der einstigen Hausherrin Cosel ins Heute übersetzt – inklusive einer Schwarz-Weiß-Interpretation von ihr selbst.

Es ist ein Haus mit hohen Ansprüchen – immer gewesen und bis heute. Ein Rundgang ist auch eine kleine Kunsttour, an vielen Wänden hängen Fotos oder Gemälde, in vielen Ecken stehen Vasen und Skulpturen. Und die Ansprüche scheinen auch die Gäste verinnerlicht zu haben, unter denen natürlich einige Stammgäste sind und einige namhafte: Victoria von Schweden, Barack Obama, Emmanuel Macron, Jan Josef Liefers waren schon da. „Viele haben eigene Wünsche, was das Wasser angeht“, erzählt Clemens Degenhardt, Executive Assistant Manager, auf dem Rundgang. Und eine bekannte Königsfamilie habe vier Köche dabeigehabt, auch eine bekannte Band habe Wert darauf gelegt, selbst zu kochen. Und ein Gast wollte Platz: Er mietete die Royal Suite, die aus zwei kompletten Suiten, der King und der Queen Suite, besteht: für seinen Hund und sich. 380 Quadratmeter zum Indoor-Gassigehen. Wer diese Suite bucht, hat neben zwei riesigen Betten und Bädern unter anderem ein eigenes Speisezimmer, eine eigene Sauna und eine Badewanne, die so groß und so gewichtig ist (zwei Tonnen), dass sie in zwei Teilen hier einziehen musste. 

Und vor den Fenstern setzt sich der optische Luxus fort, da fällt der Blick je nach Zimmer auf den Zwinger, auf die Semperoper, auf Augusts Schloss. Es gab sogar mal einen Besucher, der Wert auf einen bestimmten Bildausschnitt legte: Seine Fenster waren rechteckig, er wünschte sich aber die Bogenfenster, die er auf einem Foto gesehen hatte. Das Zimmer zu wechseln kam für ihn nicht infrage, die Fenster sollten sich anpassen. Davon haben sie dann aber abgesehen. Auch für die Cosel haben sich schließlich nicht alle Wünsche im Leben erfüllt. Und umgestaltet haben sie in diesem Haus jetzt erst mal genug.

Das Taschenbergpalais und seine Ausstattung

Hier zu sehen: die Pâtisserie Amalie mit den kunstvollen Törtchen.

Amalie Pâtisserie & Lounge

Erst will man sich die Törtchen ansehen, dann eins probieren. Dazu einen Kaffee oder Tee. Dann sieht man dem Hoteltreiben zu, bestellt irgendwann einen Haus-Prosecco und dazu einen Salat, setzt sich auf die Terrasse im Innenhof – und wechselt schließlich abends direkt auf die andere Seite des Hofs, ins Kastenmeiers. Kann passieren.

Kastenmeiers

Gerd Kastenmeier gehört mit seinem Fisch- und Meeresfrüchte-Restaurant schon lange zum Haus. Klassiker auf der Karte sind Hummer-Spaghettini, Bouillabaisse und Loup de Mer im Salzteig. Ein großer Genuss, begleitet von besten Weinen. Das Kastenmeiers wandelt sich morgens zum sehr schönen Frühstücksraum des Hotels.

Das Palais

Hell und elegant ist das Restaurant, in dem seit Mai Marcel Spahn am Werk ist, der neue Senior Executive Chef für die gesamte Kulinarik des Hauses. Die Gerichte sind sein Best of der europäischen und internationalen Küche: Wiener Schnitzel und Flammkuchen, Miso-Aubergine und Gazpacho. Sehr schöne Außenterrasse.

Bar 1705

Benannt nach dem Geburtsjahr des Taschenbergpalais und ein Urgestein: Die dunkel vertäfelte Bar ist auch nach dem jüngsten Umbau geblieben, wie sie ist. Beliebt nach einem Semperoper-Besuch, zugänglich auch über die Kleine Brüdergasse.

Spa

Auch für Tagesbesucher buchbar: das Spa, unter anderem mit zwei finnischen Saunen, Dampfbad, Pool und einem schönen Ruheraum.

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