Museum of West African Art (MOWAA): Ein neuer Kunst-Hotspot in Nigeria

Es ist ein ehrgeiziges Kunstprojekt und verspricht weltweite Strahlkraft: das Museum of West African Art in der nigerianischen Stadt Benin City. Der Campus umfasst Galerien, Restaurierungs- und Forschungsbereiche sowie Räume für Ausbildung und Austausch. MOWAA versteht sich als Ort, der kulturelles Erbe bewahrt und zugleich neue kreative Perspektiven für die Region eröffnet.
Unterstützung für das Projekt kam auch aus Deutschland, es wurde ursprünglich im Zuge der Restitution der während der Kolonialzeit geraubten Benin-Bronzen konzipiert, dann aber auf die Erforschung, Förderung und Darstellung anderer Kunstepochen und zeitgenössischer Werke erweitert. Über die rechtmäßigen Besitzverhältnisse und Kontrolle über die Benin-Bronzen herrscht Uneinigkeit zwischen der nigerianischen Bundesregierung und der Landesregierung des Bundesstaates Edo, speziell dem amtierenden Oba (König) von Benin, Ewuare II., dessen Vorfahren die Region einst beherrschten und von denen die Kunstschätze geraubt wurden.
Der MOWAA Campus, gestaltet in klaren Linien und dem für die Region typischen rötlichen Lehm, stammt vom renommierten Architekten David Adjaye und beherbergt auch wechselnde zeitgenössische Ausstellungen. Aindrea Emelife ist Kuratorin für Moderne und Zeitgenössische Kunst im MOWAA.
Im Interview mit Merian spricht sie über die Eröffnungsausstellung „Nigeria Imaginary: Homecoming“, über die weltweit an Sichtbarkeit gewinnende Kunstszene in Nigeria und die Bedeutung des neuen Museumskomplexes für ein westafrikanisches Publikum.
Hinweis: Die Eröffnung des MOWAA, die für November 2025 geplant war, wurde aufgrund von Protesten verschoben. Dieses Interview haben wir vor dem geplanten Eröffnungstermin geführt.

Merian: Welche Bedeutung hat das MOWAA für Kunst in Westafrika?
Aindrea Emelife: Wir haben die Chance, Geschichten mit unseren eigenen Worten zu erzählen und Kunstgeschichte neu zu gestalten. Es ist wichtig, unsere Gemeinschaften zu fragen, was wir im Kunstökosystem wirklich brauchen. Das bedeutet auch, über die Idee von Museen als Elfenbeintürme hinauszugehen – an Gemeinschaft zu denken, an Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg und etwas bewusst Neues aufzubauen, statt Modelle von anderswo zu kopieren. Es ist eben entscheidend, dass wir die Dinge für uns selbst definieren.
Ihre neue Ausstellung basiert auf Ihrer Schau bei der Biennale in Venedig 2024. Was erwartet Besucher im MOWAA?
„Nigeria Imaginary“ lud Künstlerinnen und Künstler dazu ein, eine Nation neu zu denken. Die Ausstellung im MOWAA erweitert das noch. Es geht darum, die Schau für den westafrikanischen Kontext zu schärfen. Eine Ausstellung über nigerianische Kunst für ein globales Publikum zu machen, ist etwas anderes, als eine für Nigerianer in Nigeria zu gestalten. Es ist wichtig, unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen – aus der Diaspora wie aus verschiedenen Regionen Nigerias. Je mehr Stimmen, desto umfassender wird das Bild.
Wie ist das MOWAA aufgebaut?
Das Museum ist kein einzelnes Gebäude. Der Campus besteht aus vielen Teilen, und im November eröffnen wir Phase Eins. Besucher sehen öffentliche Kunstwerke, unsere ökologische Praxis des Wiederanpflanzens von einheimischem Regenwald und das MOWAA-Institut für Konservierung, Forschung und Sammlungen. Darin wird Nigeria Imaginary gezeigt, die Ausstellung, die ich kuratiert habe, sowie die Anfänge unserer historischen Präsentationen. Die Ausstellung entfaltet sich sowohl im Institut als auch in den Gärten.
Können Sie einige Werke hervorheben?
Onyeka Igwes Arbeit denkt koloniale Archive neu – eine diasporische Vorstellung der Vergangenheit. Isaac Emokpae bezieht sich auf ein Schlüsselwerk seines verstorbenen Vaters Erhabor Emokpae über Königin Amina von Zazzau [heute Zaria, Anm. d. Redaktion]. Und Precious Okoyomons Werk in den Gärten ist als verlassener Funkturm konzipiert, mit einer Klanglandschaft, die fast wie ein Anzapfen des kollektiven Bewusstseins Nigerias heute wirkt.
"Viele denken bei afrikanischer Kunst in engen Schubladen."

Wie würden Sie die Kunstszene Nigerias beschreiben?
Sie wächst. Dieses Jahr markiert zehn Jahre Art X, die Kunstmesse in Lagos, die zu einem Eckpfeiler der November-Kunstsaison geworden ist. Drumherum entstehen Institutionen und Residenzen wie Yinka Shonibares GAS Foundation, die Lagos Biennale, die alle zwei Jahre stattfindet, sowie Galerien wie Tiwani Contemporary, Rele Gallery und Kó-Artspace.
Es gibt auch jüngere Räume, die von Kuratoren und Kulturproduzent betrieben werden, die in Lagos, Benin City und Ibadan experimentieren. Viele Künstler gründen ihre eigenen Organisationen und Projekte. Es ist sehr selbstbestimmt, und die Besucherzahlen steigen. Es sind aufregende Zeiten, und wir beim MOWAA freuen uns sehr, Teil dieser künstlerischen Gemeinschaft zu sein und sie zu unterstützen.
Gibt es auch globales Interesse?
Auf jeden Fall. Es gibt Kunstmessen wie 1-54 in London, auf denen viele Werke aus Nigeria stammen. Aber auch in ganz Westafrika – in Ghana, Côte d’Ivoire, Senegal – gibt es beeindruckende Projekte und Biennalen. Nigeria ist zentral, aber mit seinen Nachbarn verbunden. Ich denke viel über Pan-Afrikanismus im 21. Jahrhundert nach und darüber, wie wir auch Verbindungen zu Ost- und Südafrika aufbauen können.

Was wünschen Sie sich, würden mehr Menschen über afrikanische Kunst wissen?
Dass sie mehr ist als historische Werke oder schwarze Figuration. Künstlerinnen und Künstler experimentieren mit Installation, Klang, Film, Neuen Medien – und haben das schon immer getan. Es gibt nicht nur „traditionell“ und „zeitgenössisch“. Es ist ein Kontinuum: traditionell, modernistisch, zeitgenössisch.
Welcher Bereich spricht Sie persönlich besonders an?
Ich bin leidenschaftlich an Nigerianischem Modernismus interessiert – Künstler, die vor und nach der Unabhängigkeit das Thema Identität erkundeten und traditionelle Methoden mit der Moderne verbanden. Es ist schade, dass diese Epochen weniger bekannt sind, denn es gab hier immer schon Schöpfung und Kreativität.
Viele denken bei afrikanischer Kunst in engen Schubladen. Ich wünsche mir, dass Menschen die wahre Innovation und Weite der künstlerischen Produktion auf dem Kontinent und in Westafrika erkennen.
Das MOWAA liegt in Benin City, einst Hauptstadt des Königreichs Benin. Was ist das für eine Stadt?
Sie ist kleiner als Lagos, fußgänger-freundlicher, stolz und eng mit ihrer Geschichte verbunden. Ich liebe den charakteristischen roten Sand. Am meisten faszinieren mich die lebendigen Traditionen. Zünfte von Töpfern, Webern oder Bronzegießern bestehen seit Hunderten von Jahren.