Die schönste Insel Kroatiens: Lang lebe Lošinj

Ein tief verwurzeltes Kraftzentrum und eine der grünsten Inseln Kroatiens ist sie schon lange. 2026 wird die Kvarner Bucht, in der sie liegt, europäische Kulinarik-Destination – und Lošinj hat großen Anteil daran.
Text Tinka Dippel
Datum17.12.2025

Frühmorgens wirkt das Wasser wie dickflüssige Tinte, auf der die Sonne Tausende Sterne tanzen lässt. So ruhig liegt es da in seiner schmalen Bucht, dass bei jedem Schwimmzug ein Knistern zu hören ist. Die Luft schmeckt wie ein ätherisches Inhalat aus Kiefern, Pinien und Meersalz. Pinien halten ihre buschigen Äste schattenspendend über das Ufer, vereinzelte Jogger ziehen ihre Runden auf dem Weg um die Bucht, vor einer rostroten Villa breitet ein älterer Herr in seliger Ruhe Handtücher über Liegen aus. Auf der Terrasse darüber klappern schon die Frühstücksteller eines Restaurants, das großen Anteil daran hat, dass diese kleine, stille Bucht jüngst ein ganz schön nachhaltiges Echo entfaltet hat, das im kommenden Jahr noch lauter werden dürfte.

Čikat-Bucht heißt sie, in der Mitte der kroatischen Insel Lošinj liegt sie, am Rande einer Inselregion südlich von Istrien: der Kvarner Bucht. Und es kann eigentlich nur eine Erklärung dafür geben, dass man hier frühmorgens manchmal vollkommen alleine das Wasser zum Knistern bringen und die Sterne tanzen lassen kann: ihre relative Abgeschiedenheit.

Lošinj: So reich an Sonnenstunden wie kaum ein anderer Ort in Europa

Michael Gollenz ist hier in der Villa Rouge am Werk und zaubert sonst in der Küche des Alfred Keller.

2026 wird die Kvarner Bucht Europäische Kulinarik-Destination, eine dieser Auszeichnungen, die auch weniger bekannte Regionen ins Rampenlicht rücken. Und der Koch des Restaurants, das zu der roten Villa gehört, ist Botschafter der Genussregion: Michael Gollenz aus Österreich. Vor vier Jahren kam er, damals Mitte 20, zum ersten Mal nach Lošinj, gelockt von dem Angebot, hier die Gourmet-Küche des Restaurants Alfred Keller zu übernehmen. „Ich habe einen Grund gesucht, Nein zu sagen“, erzählt er, „aber partout keinen gefunden. Spätestens als der Fischer gekommen ist, war alles klar. Allein die Langusten! Da geht einem Koch das Herz auf.“ 

Er schwärmt weiter von den Früchten der Insel, vom Olivenöl, vom Käse, vom Fleisch, den Kräutern. Wenige Monate nach seiner Ankunft hatte das Restaurant einen Michelin-Stern. Alfred Keller, der Namensgeber, war auch Österreicher, ein Architekt, der hier 1912 die rote Villa baute und sie Alhambra nannte. Das war gegen Ende der ersten goldenen Zeit dieser Bucht.

Deren Booster war damals das Klima. Lošinj, eine gut 30 Kilometer lange und eher schmale Insel, ist so reich an Sonnenstunden wie kaum ein anderer Ort in Europa. Die Temperaturen sind aber eher moderat, nicht allzu heiß im Sommer und nur sehr selten schneekalt im Winter. Alle 20 bis 30 Jahre, so sagen sie auf Lošinj, schneie es für eine Stunde.

Was in Lošinj in der Luft liegt

Hier zu sehen: der schmale Hafen von Veli Lošinj, der ältesten Stadt auf der Insel.

Es geht hier aber nicht nur um Temperaturen, sondern auch um das, was in der Luft liegt: jenes Inhalat, das Schwimmer und Jogger frühmorgens aufsaugen. Einer sieht ihnen dabei immer zu: der Lošinjer Botaniker Ambroz Haračić, in Bronze und Zweiteiler, breitbeinig auf seinem Sockel am Ende der Bucht stehend, den Bismarck-Schnauzer akkurat getrimmt, den strengen Blick hinaus in die Meeresweite gerichtet. Sie haben ihm hier in seiner Heimat dieses Denkmal gesetzt, denn der ätherische Reichtum der Luft hier in der Bucht ist größtenteils sein Werk.

Und das kam so: Ein Wiener Arzt besuchte 1885 mit seinem kranken Sohn für drei Wochen die Čikat-Bucht, danach war der Junge geheilt. Sie kamen wieder, weitere Ärzte mit ihnen und immer mehr Adelsprominenz aus der K.-u.-k.-Metropole. Ein Verein zur Aufforstung und Verschönerung wurde gegründet, Haračić, der Lošinjs Vegetation und Klima kannte wie kein anderer, pflanzte Aleppo- und Schwarzkiefern an, Zigtausende Bäume, die sich vermehrten und dichte Wälder entstehen ließen. Die beiden Städtchen Mali Lošinj und Veli Lošinj wurden Luftkurorte, der Kur- und Badetourismus boomte – bis der Erste Weltkrieg ausbrach, an dessen Ende das Kaiserreich Geschichte war und Lošinj so wie ihre Nachbarinsel Cres und die Stadt Rijeka zunächst zu Italien gehörte. Später war die Kvarner Bucht und somit auch Lošinj jugoslawisch, seit der Unabhängigkeit 1991 ist sie kroatisch. 

Die Čikat-Bucht ist wie ein seltener Diamant

Und es scheint so, dass wieder eine goldene Zeit angebrochen ist. Die rostrote Villa von Alfred Keller ist seit rund zehn Jahren das Fünf-Sterne-Boutique-Hotel Alhambra und wurde durch einen sehr elegant in die Landschaft gefügten Neubau mit einer weiteren historischen Villa verbunden. Im Zentrum des Ensembles liegt mitsamt sonniger Terrasse das Sternerestaurant von Michael Gollenz, im Keller wurde ein Spa eingerichtet. „Unser Konzept dreht sich komplett um die Wälder“, sagt die Spa-Managerin. „1.200 Pflanzenarten wachsen hier, rund 230 haben eine medizinische Wirkung.“ Ein tief verwurzeltes Kraftzentrum also. Das war immer attraktiv, es schlummerte aber lange vor sich hin. 

Nun, da der Longevity-Hype allgegenwärtig ist, alles, was auf ein langes, gesundes Leben einwirken kann, zum Reisetrend erhoben wurde und luxuriöse Hotels mit starkem Charakter gefragt sind, ist die Čikat-Bucht wie ein seltener Diamant. Denn zu den drei L, Lage, Landschaft und Luft, kommen kristallklares Meerwasser und eine historische Bebauung, die sich sehr schön zwischen Ufer und Wald einfügt. Die wurde in den letzten Jahren de luxe herausgeputzt von einem Tourismusunternehmen, das Jadranka heißt, eines der ältesten in Kroatien und schon seit vielen Jahren eng mit dieser Region verbunden ist. Neben dem Alhambra-Ensemble gehören fünf weitere extrem luxuriös ausgestattete Villen dazu, die im Ganzen vermietet werden. Dazu kommen weitere Hotels, Campingplätze und Restaurants. Im Grunde ist es eine Jadranka-Kette, die sich um die Bucht legt. 

Ein Schatz in Lošinj: Apoxyomenos

Lag gut 2.000 Jahre lang tief im Meer vor Lošinj: der bronzene Apoxyomenos, der nun sein eigenes Museum hat.

Und dann tauchte noch ein Bronze-Mann auf und brachte einiges in Bewegung. Apoxyomenos heißt er, und was Longevity angeht, ist er ziemlich weit vorne dabei, denn er sieht jung und athletisch aus – bei einem Alter von gut 2.000 Jahren. Dass er entdeckt wurde, ist dem Tourismus zu verdanken, jetzt ist er eine touristische Attraktion. 

Es war ein belgischer Hobbytaucher, der ihn 1996 fand, in 45 Metern Tiefe, eingeklemmt zwischen zwei Felsen. Jahrelang beschäftigte der 1,92 Meter große Athlet zahlreiche Archäologen und Restauratoren, die zu dem Ergebnis kamen, dass er wahrscheinlich rund 200 Jahre vor Christi Geburt im Sturm von einem römischen Schiff gefallen ist oder als Ballast über Bord geworfen wurde. Sein Fund ist eine ziemliche Sensation, inzwischen war er auf Tour, unter anderem im Pariser Louvre, hat aber nun seine Heimat in einem komplett ihm gewidmeten Museum mitten im Hafen von Mali Lošinj. Was Apoxyomenos’ Langlebigkeit begünstigt hat, sind einmal mehr das saubere Meerwasser hier und das Klima Lošinjs. Und natürlich die teuren Treatments an Land, die seine Haut wieder zum Strahlen gebracht haben. 

Der Garten der Düfte auf Lošinj

Die Haut von Sandra Nicolich strahlt von innen, die Frau ist in Mali Lošinj, unweit der Čikat-Bucht, verwurzelt. Und sie hat dort einen Ort geschaffen, der noch mal alles auf den Punkt bringt, was ihre Heimat so besonders macht, eine Art multisensorisches Lošinj-Extrakt: den Garten der Düfte, ein botanisches Gesamtkunstwerk auf rund 3,5 Hektar, mit dem sie die Vielfalt der Pflanzen und der Heilkraft auf dieser Insel zeigt. „Früher war ich Animateurin“, erzählt sie. „Heute bin ich Reiseführerin im eigenen Garten.“ 

Gerade blüht der Lavendel, und ein buntes Ensemble aus Schmetterlingen tanzt über den lilafarbenen Büschen. Zikaden bilden das laute, etwas schräge Orchester dazu. Dicke, glänzende Käfer kommen mit lautem Brummen vorbeigeflogen. Dass Sandra Nicolich von morgens bis abends draußen ist, immer mitten im Inhalat Lošinjs, sieht man ihr an, die Haut rosig, die Statur drahtig, ihre selbst angelegten Wege und Beete, Sitzecken und Baumreihen ziehen sich über einen Hang mit Blick in die Weite. 

Bei Longevity, heißt es ja immer, gehe es gar nicht so sehr um ein langes Leben, sondern um ein langes, fittes Leben. Sandra Nikolic ist über 60 und geladen mit Lebensfreude und Energie. Das Steinhaus, Zentrum des Gartens, hat sie selbst gebaut – nach dem Vorbild der Häuser, die auf Lošinj standen, lange bevor Architekten wie Alfred Keller kamen und Villen an die Küste stellten. Ihre Familie lebt hier seit gut 300 Jahren. „Jetzt kommen viele neue“, sagt sie. „Lošinj wird internationaler.“

Manche kommen nur her, weil es schlicht schön ist

Auch die Villa Hortensia reiht sich ein in die luxuriösen Unterkünfte der Čikat-Bucht.

Währenddessen feiert eine Gruppe Finnen ausgelassen im Hotel Bellevue, das auch zur Jadranka-Gruppe gehört und auch in der Čikat-Bucht steht. Nicht allen hier geht es darum, ihre Gesundheit zu boosten, manche kommen auch nur, weil es schlicht schön ist auf Lošinj, weil die Meeresfrüchte gut schmecken, die Sonne scheint und man toll segeln und baden kann. Bis der Herbst und der Winter kommen, dann liegt nicht nur frühmorgens vollkommene Ruhe über der Bucht. Die Hotels haben zu, viele Mitarbeiter verlassen Lošinj.

Nicht so Michael Gollenz, er bleibt auch im Winter und macht sich direkt an das neue Menü. Und er meint wohl nicht nur das Essen im Alfred Keller, wenn er sagt: „Es wird von Jahr zu Jahr besser.“

Anreise zur Kvarner Bucht

Verschlungene Schönheit: die Krivica-Bucht bei Veli Lošinj.

Die Kvarner Bucht grenzt südlich an die Halbinsel Istrien. Die größte Stadt an ihrer Küste ist Rijeka, das Städtchen Opatija hat eine lange Geschichte als Kurort der K.-u.-k.- Zeit. Die vier großen Inseln in der Kvarner Bucht sind Krk, Rab, Cres und Lošinj. Die letzten beiden sind über eine Brücke verbunden, so wie das Festland mit der Insel Krk, an deren Nordspitze der Flughafen von Rijeka liegt. 

Nonstop-Flüge dorthin bietet zum Beispiel Eurowings ab Mai von Hamburg und Düsseldorf an. Eine Autofahrt von München nach Rijeka dauert rund sechs Stunden. Als Europas Kulinarik-Destination 2026 wird die Region mit ihren vielen Genuss-Facetten bald mehr im Fokus stehen.

Tipps für Lošinj: Hotels und Sehenswertes

Boutique-Hotel Alhambra

Viel schöner kann ein Hotel nicht liegen. 51 Zimmer verteilen sich auf zwei historische Villen und einen sie verbindenden modernen Teil. Direkt unterhalb des Hotels: ein Privatstrand an der von dichten Wäldern gesäumten Čikat-Bucht in Mali Lošinj. Im Haus befinden sich ein feines Spa und ein kulinarisches Juwel der Gegend: das Restaurant Alfred Keller, wo sich der Koch Michael Gollenz von den Zutaten der Region zu seiner Sterneküche inspirieren lässt. Die benachbarten Villen gehören zur selben Hotelgruppe und sind über dieselbe Website buchbar.

boutiquehotelalhambra.com

Hotel Bellevue

Liegt unweit vom Alhambra, gehört zur selben Hotelgruppe, ist mit 206 Zimmern deutlich größer. Der minimalistische Bau aus den 60er-Jahren, 2014 als Luxushotel wiedereröffnet, steht direkt an der Bucht und zieht sich um einen schönen Innenhof. Highlights sind das riesige und mit seinen Aquarien wirklich sehenswerte Spa und das japanische Restaurant Matsunoki.

bellevuelosinj.com

Kulinarisches Highlight auf Lošinj: Konoba Cigale

Wer hier Platz nimmt, bleibt möglicherweise länger als geplant: allein die große Fisch-Vorspeisen-Platte, dazu ein Glas kühler Weißwein, die entspannte Atmosphäre und der Blick auf das Treiben in der Bucht! Getoppt wird das Ganze von weiteren, unverschnörkelten Meeresfrüchte-Gerichten. 

losinj-hotels.com/de/restaurants/konoba-cigale

Museum des Apoxyomenos 

Sein Fund im Meer vor der Stadt Mali Lošinj war eine Sensation, seine Bergung und Restaurierung beschäftigten internationale Experten. Nun steht der antike, mehr als 2.000 Jahre alte Athlet gut in Szene gesetzt in seinem eigenen Museum und ist der beste von vielen guten Gründen, den Hafen von Mali Lošinj zu besuchen. 

muzejapoksiomena.hr

Garten der Düfte

Mit viel Herz, Wissen und Kreativität hat Sandra Nicolich über viele Jahre einen Ort geschaffen, der sich jeder Bezeichnung entzieht, weil man ihn einfach erleben, sehen, riechen und genießen muss: ihren Duft-Garten voller Wildpflanzen, Kräuter, kleinen Kunstwerken, knorrigen Bäumen, einem Esel, einem Hasen und Schildkröten. 

miomirisni-vrt.hr