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Natur

Die Legende von Loch Ness: Auf den Spuren des Seeungeheuers

Rund um den schottischen See Loch Ness rankt sich seit Jahrhunderten die Legende um das Seeungeheuer Nessie. Autor Benedikt von Imhoff begibt sich auf die Spuren des mystischen Gewässers.

Datum 28.04.2023

Mal ist es ein Seevogel, mal ein Otter – aber eben kein Ungeheuer von Loch Ness. Seit Jahrzehnten beobachtet Steve Feltham den sagenumwobenen See in den schottischen Highlands. Was bewegt sich da, warum kräuselt sich das Wasser dort? Auch an diesem sonnigen Frühlingstag spannt der 60-Jährige plötzlich den Rücken an und greift zum Fernglas, das immer bereit liegt. Aber es ist nur eine Windböe, die eine Welle schwappen lässt. Die Kreatur, die Feltham schon so lange leidenschaftlich sucht, zeigt sich wieder nicht.

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Die Legende von „Nessie“

Loch Ness in Schottland © iStock/Tiago Fernandez
So idyllisch Loch Ness auch aussieht: Einige sind sich sicher, hier haust ein Ungeheuer.

Dass im Loch Ness, bis zu 230 Meter tief, etwas hausen soll, wird seit langem erzählt. Bereits im Jahr 565 will der irische Mönch Columban hier ein Seeungeheuer gesehen haben. Dass im See ein „Monster“ wohne, berichtete in der Neuzeit als erstes die Zeitung „Inverness Courier“ am 2. Mai 1933. Genau 90 Jahre später ist der Rummel enorm. Auch Feltham wurde von den Geschichten angelockt. Als Kind verbrachte er Ferien am See, als Erwachsenen zog es ihn immer wieder hin. Schließlich gab er seinen Job auf, verkaufte sein Haus in Südengland und widmet sich seither der Suche.

Seit 32 Jahren lebt Feltham in einem umgebauten Anhänger am Strand von Dores direkt am See, lernte dort seine Freundin kennen – und steht längst im Guinness Buch der Rekorde. Niemand hat länger - und vergeblicher - als Feltham nach dem „Monster“ gesucht. Oder wie es der „Vollzeit-Nessie-Jäger“ scherzhaft im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagt: „Ich bin Weltmeister im Nessie-Nicht-Finden“.

Loch Ness als Touristenmagnet Schottlands

Loch ness Centre, Schottland © iStock/Jens Otte
Die schottischen Tourismusbehörde wissen die Legende um Loch Ness für sich zu nutzen – zum Beispiel im „Loch Ness Centre“.

Wer „Loch Ness“ sagt, meint fast immer „Nessie“. Rund um den 36 Kilometer langen See ist es unmöglich, das Ungeheuer zu vermeiden. Auf Hinweisschildern und Werbetafeln ist Nessie zu sehen; der freundliche, grüne Saurier lacht von Tassen, T-Shirts und Magneten, zuhauf hängen Plüschfiguren in den Souvenirläden.

„Nessie ist wohl unsere beste Tourismusbotschafterin in den Highlands – und jeder, der Loch Ness besucht, möchte die Gelegenheit haben, die mysteriöse Kreatur zu Gesicht zu bekommen“, sagt Chris Taylor von der Tourismusorganisation Visit Scotland. Das lohnt sich: Der „Inverness Courier“ berichtete jüngst, auch dank Nessie kämen jährlich 1,6 Millionen Tourist:innen an den See, die 330 Millionen Pfund (373 Millionen Euro) Umsatz bringen und Hunderte Arbeitsplätze schaffen.

Einen dieser Jobs hat Mike Bell. Seit 2019 fährt er Tourist:inneen über den See. Sein Boot heißt „Nessie Hunter“, Nessie-Jäger also. Die besten Chancen auf eine Sichtung gebe es rund um die Burgruine Urquhart Castle am Westufer, berichtet Bell. Schmunzelnd erklärt er: „Dort sind halt die meisten Touristen“. Selbst hat der junge Mann noch keine Spuren des Ungeheuers gesehen, nur auf dem Sonar ist ihm eine unerklärliche Messung untergekommen. Sein Vorgänger auf der „Nessie Hunter“ soll das Ungeheuer hingegen 19 Mal gesehen haben.

Drumnadrochit: Ursprung des Nessie-Tourismus

Drumnadrochit, Ort in Schottland © IMAGO/agefotostock
Hochburg des sogenannten Nessie-Tourismus ist Drumnadrochit.

Zentrum des Nessie-Tourismus ist das kleine Örtchen Drumnadrochit – obwohl es gar keinen direkten Zugang zum See hat. Das habe mit dem Bericht im „Courier“ vor 90 Jahren zu tun, erzählt Kapitän Bell. Damals stürmte Direktorin Aldie Mackay in die Bar ihres Hotels und erzählte aufgeregt dem Mann hinter dem Tresen, sie habe soeben ein „walähnliches Monster“ im Loch Ness erblickt. Das Hotel stand in Drumnadrochit. Als die Geschichte publik wurde, reisten Schaulustige und Abenteurer:innen dorthin: Das war der Start des Nessie-Tourismus.

Heute beherbergt das Gebäude das interaktive „Loch Ness Centre“. Nach einer Renovierung, die Ende Mai abgeschlossen sein soll, wird hier Nessie wieder aus allen Blickwinkeln betrachtet. Die Szene mit Mackay soll, von Schauspieler:innen verkörpert, als Video zu sehen sein.

Nebenan kümmert sich auch das beschaulichere „Nessieland“ um die bekannte Bewohnerin. „Wir halten den Mythos am Leben“, erklärt Mitarbeiter Mark, der unter dem Pseudonym Mark Marquis HK auch als Autor arbeitet. „Deshalb kommen die Leute an den Loch Ness“, betont er. „Sie kommen doch nicht her, damit ihnen gesagt wird, dass die Geschichte nicht stimmt“. Auch deshalb werde Nessie stets so freundlich porträtiert. „Wir wollen keine Atmosphäre wie in ’Der Weiße Hai’ schaffen“, erzählt Mark lachend. Bootsführer Bell stimmt zu: Es habe schon Kinder gegeben, die nicht an Bord gegangen sind - aus Angst, dass sie von Nessie gefressen werden.

Loch Ness: Reiner Mythos?

Bleibt zum Abschluss die wichtigste Frage: Gibt es Nessie nun oder nicht? Die Aussagen der Experten am See ergeben ein klares Jein. „Da ist etwas. Ohne Rauch kein Feuer“, sagt Mark. Kapitän Bell sagt, Sonaraufnahmen hätten immer wieder Hinweise auf sich bewegende Objekte ergeben, größer als ein Fisch, die nicht erklärt werden könnten. Um ein prähistorisches Ungeheuer handele es sich aber mit großer Sicherheit nicht, das sei wissenschaftlich gar nicht möglich, sagen beide – und liegen auf einer Linie mit dem „Vollzeit-Jäger“.

„Ich glaube, dass irgendwas hier drin ist“, betont Feltham, während er seine von Knete verfärbten Hände streicht – ein Andenken an seine Nessie-Basteleien, mit denen er seinen Unterhalt verdient. Es sei scheu und müsse - anders als Robben, die sich gelegentlich in den See verirren - nur selten auftauchen. Es sei ein Irgendwas, das sich vermehre, auch das erkläre die Sichtungen seit Jahrzehnten. Vielleicht handele es sich um einen großen Wels, meint Feltham nachdenklich. Klar ist für ihn nur: „Es ist ein Rätsel“. Die Hoffnung, dass er die Lösung findet, gibt Feltham nicht auf.

- Benedikt von Imhoff, dpa

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