Die Designkraft der Natur: Michael Polizas außergewöhnliche Fotografien

Vom IT-Unternehmer zum Expeditionsleiter und zum preisgekrönten Fotografen: Der Hamburger Michael Poliza hat sich mehrmals neu erfunden, alle Kontinente und mehr als 185 Länder bereist. Einige Jahre hat er in Afrika gelebt und zu den Landschaften und der Natur dort eine besondere Beziehung entwickelt. Poliza kennt viele magische Ecken, die nicht auf klassischen Reiserouten liegen. Diese macht er nun internationalen Kunden zugänglich, auf sorgfältig kuratierten Reisen seiner Reisemarke Michael Poliza Private Travel.
Michael Poliza hat mehrere Bildbände herausgebracht, darunter „Eyes over Africa“, „Antarctic“ und „The World“, sein neuestes Werk „Ibiza“ erscheint 2025. In Merian öffnet der Fotograf sein Fotoalbum.
"Wie sieht die Welt aus, an die wir noch kaum Hand angelegt haben? Das reizt mich besonders"
Morgens am Lake Kariba

Was hier in der aufgehenden Sonne glänzt wie flüssiges Silber, ist das Wasser des Lake Kariba, der an der Grenze zwischen Simbabwe und Sambia liegt. Ich stand an seinem südlichen Ufer, in Simbabwe, und wartete einfach, bis die Kulisse bei diesem Farbspektakel angekommen war. Für mich ist das die perfekte Komposition aus strahlend und morbide, ein bisschen wie nicht von dieser Welt. Die aus dem Wasser ragenden Bäume sind alle schon lange tot, sie lebten früher in der Kariba-Schlucht. Die wurde in den 50er-Jahren geflutet, als die Briten eine riesige Talsperre bauten und den Fluss Sambesi aufstauten, um seine Wasserkraft zu nutzen. Rund 57000 Menschen wurden umgesiedelt – und in einer Aktion namens „Operation Noah“ auch viele Tiere. Die Bäume aber wurden dem Projekt geopfert, durch das der größte, mehr als 200 Kilometer lange Stausee Afrikas entstand. Wer hierher reist, sollte eine Bootsfahrt machen, tagsüber kann man zum Beispiel Elefanten beobachten, die zum Trinken ans Ufer kommen.



Hamburgs Spiegelbild

Dieses Foto ist eine Hommage an meine Heimatstadt Hamburg. Ich mag es, weil es in einer ungewöhnlichen Perspektive die Innenstadt zeigt und drei ihrer Wahrzeichen deutlich hervorhebt: Da ist die Elbphilharmonie. Ein kleiner Teil ihrer mehr als 20.000 Quadratmeter großen Glasfassade füllt das ganze Bild und macht hier als Spiegel eine ziemlich gute Figur.
Am rechten Bildrand ist der Michel zu sehen, offiziell die Hauptkirche St. Michaelis, und links davon der „Telemichel“, offiziell der Fernsehturm. Mit seinen 279 Metern überragt er im relativ hochhausarmen Hamburg alles. Die beiden sind mir seit meiner Kindheit vertraut, die ganze Stadt aber habe ich in den letzten Jahren neu kennen- und lieben gelernt – seit die Pandemie mich zwang, einfach mal zu Hause zu bleiben. Ich stieg vom Flieger aufs Fahrrad um und war wochenlang auf beiden Seiten der Elbe unterwegs. Und dabei ist mir wieder mal klargeworden: Eine Tour durch diese Stadt und ihren Hafen ist immer auch eine Reise zwischen verschiedenen Welten.



Die nackte Insel im Pazifik

So wenig reicht für einen Sehnsuchtsort: ein rund 200 Meter langer Fleck aus weißem Sand, umgeben von klarem Wasser. Sonst nichts. Naked Island liegt rund zwei Kilometer vor der Küste der Insel Siargao im Osten der Philippinen. Auf Siargao wachsen Palmen und tropischer Regenwald, auf Naked Island wächst nichts. Die einzigen Farbnuancen dort entstehen durch die Philippinensee, ein Nebenmeer des Pazifiks, die Teile der Insel über- und umspült.
Für diese Aufnahme stand ich früh auf, die Sonne war gerade auf ihrem Weg über den Horizont, und ich startete meine Drohne am Strand des Nay Palad Hideaway auf Siargao, das mein Freund Bobby Dekeyser betreibt. Tagsüber kommen viele Stand-up-Paddler mit ihren Boards und Schnorchler mit ihren Booten zur Mini-Insel, dann ist dort richtig was los. Meine Drohne fing diesen Moment ein, in dem sie wirklich noch nackt daliegt, umgeben von tiefgründigem Wasser. Die Philippinensee ist eines der tiefsten Meere der Welt.



Markttag am Inle-See, Myanmar

Was wir hier sehen, ist ein Parkplatz. Er liegt in mehr als 800 Meter Höhe im Zentrum Myanmars am Südufer des Inle-Sees im Shan-Staat. Dort hat an diesem Tag gerade der Nam-Pan-Wochenmarkt begonnen. Diese langen, farbenfrohen Kanus sind das Haupttransportmittel auf dem See, sowohl für die Händler als auch für die Besucher. Das Foto habe ich mit einer Drohne gemacht, dann bin ich selbst eingetaucht in den Markt.
Es gibt mehrere rund um den See, er ist Myanmars zweitgrößter, 22 Kilometer lang und elf Kilometer breit. Der Nam Pan hat eine be- sonders tolle Atmosphäre, vor allem früh am Morgen. Die Vielfalt ist unglaublich, rund um den See liegen schwimmende Gärten, wo alle möglichen Früchte angebaut werden. Dazu gibt es jede Menge frischen Fisch, der hier auf dem See auf besondere Art gefangen wird: Die Fischer stehen mit einem Bein am Heck ihres schmalen Bootes, das andere wickeln sie um das Ruder, und mit den Händen werfen sie Netz oder Reuse aus.



Heiliger Monolith, Äthiopien

Biete Ghiorgis (Haus des Heiligen Georg) heißt diese koptische Kirche, von oben gut erkennbar an ihrem kreuzförmigen Grundriss. Sie ist eine der elf Felsenkirchen von Lalibela, gelegen in rund 2.600 Metern Höhe im Norden Äthiopiens. Was mich an diesen Kirchen beeindruckt: Sie wurden nicht von Grund auf gebaut, sondern von oben als Monolithen in den Fels, einen roten Tuffstein, geschlagen.
Gemeißelte Kunstwerke! Entstanden sind sie inklusive Bewässerungs- und Verbindungsgräben im 12. und 13. Jahrhundert unter König Lalibela. Und so wie dieser König heißen das nahe Dorf und der Flughafen. Die Felsenkirchen gehören zum UNESCO-Welterbe, es gibt diverse Gasthäuser in der Nähe. Und sie sind nach wie vor aktiv, hier finden Gottesdienste statt. Wer zu Sonnenaufgang zur Morgenmesse kommt, ist vielleicht sogar der einzige Tourist. Die Stimmung ist einmalig.



Grüner Vulkan, Island

Viel besser kann ein Vulkan kaum aussehen! Nahezu ikonisch ragt der Mælifell im Süden des isländischen Hochlands 200 Meter über seine karge Umgebung. Durch das Moos, das sich auf dem Lavagestein besonders wohlfühlt, hat er seine leuchtend grüne Farbe. Erreichbar wird er erst ab Juni/Juli, und dann auch nur für kurze Zeit und mit Allrad über die Piste F210. Dieses Foto entstand im September aus einem Helikopter.
Ich habe Island lange Zeit links liegen lassen, dachte immer, da reise ich später mal hin. Als ich vor 14 Jahren zum ersten Mal dorthin flog, war ich sehr böse mit mir, dass ich das nicht früher gemacht habe. Zur selben Zeit zog der Tourismus extrem an, es kamen Reisende aus aller Welt, die vielen Naturwunder wurden leider zu richtigen Pilgerstätten. Es gibt aber einen Trick, Islands Schönheit auch mal ganz ohne andere Menschen zu erleben: entlegene Orte wie den Mælifell aufsuchen. Und früh aufstehen! Zwischen vier und neun Uhr morgens ist es noch wunderbar ruhig.
"Die Designkraft der Natur haut mich immer wieder um"



Das Atlantis von Ibiza, Spanien

Ich stand im äußersten Südwesten der „weißen Insel“, oben auf dem Felsen, und steuerte die Drohne, die das Foto dieser Becken im Stein gemacht hat. Gerne wäre ich dort auch baden gegangen, aber der Weg hinunter ist ziemlich tricky und dauert eine Weile. Die Zeit hatte ich nicht, ich war auf Ibiza, um für mein neues Buch zu fotografieren.
Eigentlich heißt dieser Ort Sa Pedrera de Cala d’Hort, sehr viel bekannter und fast schon mystisch überhöht ist er aber als Ibizas Atlantis. Im 16. Jahrhundert lag dort unten schlicht ein Steinbruch, mit dem Material wurde unter anderem die Burg von Ibiza gebaut. Durch die Arbeiten im Fels entstanden Mauern, Treppen und Becken, die sich mit Meerwasser füllten. Das Ganze wirkt wie eine asymmetrische, verlassene Stadt. Nicht sichtbar von so weit oben: die vielen Bilder und Botschaften, die Reisende dort hinterlassen haben.


