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Berühmter Affenfelsen, geheime Tunnel: Reise nach Gibraltar

An der südlichsten Spitze der iberischen Halbinsel ragt Gibraltar ins Mittelmeer. Auf dem gigantischen Kreidefelsen der britischen Enklave lebt Europas einzige wilde Affenkolonie. Und in seinem Inneren verbergen sich Geheimnisse der Vergangenheit.

Datum 28.09.2023

Zwar ist der Himmel über Gibraltar an diesem Tag ziemlich grau, doch auf der schmalen Landzunge an der Nahtstelle von Europa und Afrika ist das Wetter eigentlich so wenig „very british“ wie der Lebensstil der gut 30.000 Einwohner:innen in der knapp sieben Quadratkilometer kleinen Kronkolonie. 

An der Südspitze der Iberischen Halbinsel trifft mediterrane Lebensart auf britisches Understatement. Die spanische Stadt La Linea de la Concepcion liegt nur einen Steinwurf entfernt vom britischen Überseegebiet; ein schmales Stück Niemandsland trennt die beiden Nachbarn - und das graue Asphaltband der Landebahn. Der örtliche Flughafen ist das erste Kuriosum von Gibraltar, denn der Einreiseverkehr führt quer über die Start- und Landebahn. Und landet tatsächlich mal eine Maschine - vorwiegend aus Großbritannien - signalisiert eine Ampel den Autos für einige Minuten anzuhalten.

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Beeindruckender Anblick: Der Fels von Gibraltar bei Nacht © Imago/Panthermedia
Beeindruckender Anblick: Der Fels von Gibraltar bei Nacht

Ist Gibraltar, dieser markante Felsklotz an der Bucht von Algeciras, nun britisch, oder sind seine Bewohner:innen doch eher verkappte Spanier:innen mit britischem Pass? Buchverkäuferin Karen zögert keine Sekunde mit der Antwort: „Natürlich sind wir Briten“, sagt die junge Frau mit dem roten Haar und dem Heer von Sommersprossen. Ihre Antwort hätte wohl kaum anders ausfallen können, schließlich wurde sie in England geboren, siedelte vor zwei Jahrzehnten aber nach Gibraltar über - „wegen des besseren Wetters“.

Die Eindrücke beim Spaziergang durch das Städtchen, dem ewigen Zankapfel zwischen Großbritannien und Spanien, fallen weniger eindeutig aus. Die roten Doppeldeckerbusse mit offenem Verdeck kennt man aus London, die roten Telefonhäuschen von malerischen Ortschaften auf der Insel und die Schüler:innen, die Punkt 13 Uhr aus der Schule strömen, tragen natürlich dunkelblaue Schuluniformen mit Emblem.

Doch die Häuschen, die sich an die verwinkelten Gassen zu Füßen des „Rocks“ - des allgegenwärtigen riesigen Kalksteinfelsens - schmiegen, könnten auch irgendwo im spanischen Hinterland stehen. Auf den Straßen herrscht Rechtsverkehr und in der Main Street, der Einkaufs- und Flaniermeile für Tourist:innen und Einheimische, dominieren klar spanische Sprachfetzen. Neben dem Dialekt Llanito, einem Mischmasch aus spanischen und englischen Worten.

Geschichte: Von Großbritannien annektiert

Blick auf die Main Street in Gibraltar © IMAGO/Panthermedia
Blick auf die belebte Main Street von Gibraltar

Es gibt Läden der britischen Einzelhandelskette „Marks & Spencer2 und Geschäfte mit schier endloser Gin-Auswahl, die wohl selbst Queen Mum zu Lebzeiten entzückt hätten. In den Tavernen werden indes knusprige Bocadillo-Brötchen mit Serrano-Schinken und Tapas serviert. Der Mix verleiht Gibraltar einen ganz eigenen multikulturellen Anstrich.

1704 hatten die Brit:innen den Spanier:innen den Flecken zwischen den Kontinenten abgeluchst: Die englisch-holländische Flotte unter Führung von Prinz Georg von Hessen-Darmstadt nutzte die Siesta der spanischen Soldaten und annektierte den strategisch wichtigen Felsen im Handstreich. Seitdem weht der Union Jack über dem Rathaus, allen spanischen Rückgabegesuchen und unverhohlenen Drohungen zum Trotz.

Und obwohl nur ein Viertel der Bewohner:innen heute britischer Herkunft ist, ist die Zugehörigkeit zu Großbritannien unumstritten. Bei einem Volksentscheid 2002 etwa sprachen sich fast 99 Prozent für die Beibehaltung des Status als Kronkolonie aus.

Für die Brit:innen ist der dicht besiedelte Flecken am Übergang von Mittelmeer und Atlantik nicht nur ein Kuriosum fernab der Heimat, sondern es ist ein wirtschaftlich wichtiger Außenposten. Das Territorium ist eine Einkaufs- und Niedrigsteueroase, die Tourist:innen und Firmen anlockt. Der Hafen ist ein beliebter Stopp für Frachter und Kreuzfahrtschiffe, die sich hier mit preiswertem Schiffsdiesel eindecken.

Immobilien- und Investmentfirmen haben auf Gibraltar ihren Sitz, Online-Wettbüros erzielen riesige Umsätze. Die 10.000 Pendler:innen, die dank eines freizügigen Grenzverkehrs mit Spanien problemlos zum Arbeiten nach Gibraltar kommen können, halten die lokale Wirtschaft in Schwung. Das alles ist mit ein Grund, warum den Menschen in Gibraltar - trotz ihrer Sympathien für Großbritannien - an guten Beziehungen zur EU gelegen ist. Nirgendwo sonst war die Ablehnung des Brexit so groß wie hier, wo 96 Prozent der Bewohner:innen gegen den Austritt stimmten.

Berühmter Affenfelsen von Gibraltar

Ein Berberaffe schläft auf der Brüstung des Kreidefelsen © Jocelyn Hsu/Unsplash
Schlafendes Wahrzeichen: Die Berberaffen von Gibraltar

Oben auf dem Kalksteinfelsen rüsten sich die Affen auf den Ansturm der Tourist:innen, die entweder bequem, wenn auch nicht ganz billig, mit der Seilbahn zur Bergstation schweben, oder sich auf dem ziemlich steinigen Devil's Gap Footpath 400 Meter nach oben quälen.

Rund 300 Exemplare dieser ebenso neugierigen wie diebischen Berberaffen sollen auf der Landmarke leben. Riesige Schilder künden von drastischen Strafen, falls Besucher:innen auf die Idee kommen sollten, die tierischen Bandenmitglieder zu füttern. Was auch nicht nötig ist, schließlich kümmert sich ein eigens abgestellter Corporal der britischen Armee um Wohl und Wehe der verlausten Lümmel.

Dass die kleine Affenkolonie so aufopferungsvoll gehegt und gepflegt wird, liegt an einer alten Legende: Ihr zufolge weht der Union Jack so lange über Gibraltar, wie Affen über den Felsen turnen. Churchill höchstpersönlich soll den Auftrag erteilt haben, Berberaffen aus Marokko zu importieren, um Europas einzige freilebende Affenkolonie zu stärken.

Geheimnisvolle Höhlen und Tunnel

Während einer Lichtshow ist die Höhle St. Michaels Cave bunt erleuchtet. © iStock/David Miller
Während einer Lichtshow ist die Höhle St. Michaels Cave bunt erleuchtet.

Vom Wasser aus betrachtet, erinnert der Felsen von Gibraltar an den aufsteigenden Rumpf eines Ozeanliners. Auf seiner Spitze schweift der Blick über das wachsende Meer aus Hochhäusern. Bebaubares Land ist hier Mangelware: Gibraltar hat schon jetzt eine höhere Bevölkerungsdichte als Los Angeles oder Chicago. Am Horizont zeichnet sich die Küste Afrikas ab; am Ende der Landzunge, am Europa Point, strecken sich der rot-weiße Leuchtturm und die 1997 eingeweihte Ibrahim-al-Ibrahim-Moschee in den Himmel.

Die neueste Attraktion auf dem Felsen ist der Skywalk. In schwindelerregender Höhe schiebt sich die Stahlkonstruktion mit ihrem gläsernen Boden über die Abbruchkante, wo Schwindelfreie einen Blick auf die Sandstrände ein paar hundert Meter tiefer werfen können.

So unverwüstlich der Felsklotz auch wirkt, im Innern ist er löchrig wie Schweizer Käse. Mehr als 100 Höhlen hat die Erosion ausgewaschen, hinzu kommen 50 Kilometer Tunnel, die während des Zweiten Weltkrieges als unterirdische Festung für 10.000 Soldaten dienten.

Die wohl berühmteste Höhle ist der Gorham-Komplex, der 2016 zum Unesco-Welterbe erklärt wurde. 40.000 Jahre alte Kratzspuren deuten darauf hin, dass hier womöglich schon die letzten Neandertaler:innen Zuflucht fanden. Noch spektakulärer ist die St. Michael's Cave mit ihrem Wald aus gigantischen Tropfsteinen. Um die Höhle rankte sich lange die Sage, dass Gibraltar unterirdisch mit Afrika verbunden sei: Durch den Gang sollen auch die frechen Affen auf den Felsen gelangt sein.

Doch das ist nur eine hübsche Legende über dieses Wunderwerk der Natur, das heute für Konzerte und Theater genutzt wird und das dank ausgeklügelter Licht-Show in den kitschigsten Farben erstrahlt.

Reiseinformationen zu Gibraltar

Blick auf den Hafen von Gibraltar © Michal Mrozek/Unsplash
Ankunftsort für Kreuzfahrttourist:innen: der Hafen von Gibraltar

Anreise

Gibraltar eignet sich für einen Tagesausflug. Wer mit dem Mietauto in Andalusien unterwegs ist, sollte es auf spanischer Seite abstellen. Parkplätze in Gibraltar sind rar und extrem teuer. Die Grenze liegt nur fünf Minuten zu Fuß vom Busbahnhof von La Linea entfernt und ist 24 Stunden am Tag geöffnet.

Einreise

Der Grenzübertritt ist problemlos möglich. Anders als in Großbritannien genügt in Gibraltar weiterhin der Personalausweis als Dokument für die Einreise, schreibt das Auswärtige Amt. Allerdings sollten Besucher:innen die Grenze möglichst zu Fuß überqueren. An den Auto- und Buseinfahrten bilden sich schnell lange Schlangen. 

Übernachten

Auch hier besser eine Unterkunft auf spanischer Seite suchen, die Preise in der Kronkolonie für Ferienwohnungen oder Hotelzimmer sind wesentlicher höher.

 - Roswitha Bruder-Pasewald/dpa