© iStock/Jan van der Wolf
Sehenswürdigkeiten

Drenthe: Willkommen in der Ur-Provinz der Niederlande

Im Nordosten der Niederlande liegt die Provinz Drenthe – eine idyllische Region voller beeindruckender Naturlandschaften und Museen. Wir verraten die Top-Sehenswürdigkeiten und geben Tipps für den Besuch.

Datum 13.07.2023

Schon Vincent van Gogh weilte hier und ließ sich von den Heide- und Dorflandschaften inspirieren: Drenthe, die „Ur-Provinz der Niederlande“, ist ein hübscher Fleck Erde, an dem es sich oft anfühlt, als sei die Zeit stehen geblieben. Nationalparks mit Glocken- und Besenheide treffen auf Bauerngehöfte und pittoreske Dörfer mit Geschichte, Denkmäler wie die riesigen Hünengräber und Museen verschiedenster Art locken Kultur- und Geschichtsinteressierte an. Wir geben einen Einblick in die hübsche Provinz – auch in ihre düstere Vergangenheit – und verraten die spannendsten Orte dieser unterschätzten Region.

Nationalpark Dwingelderveld: Idyllisches Heidegebiet in den Niederlanden

Heidelandschaft in Drenthe © iStock/CreativeNature_nl
In Drenthe treffen verschiedene Landschaften aufeinander – zum Beispiel Heidelandschaft.

Die Sonne brennt aufs Land. Über der Heide flirrt die Luft. Keine Wolke steht am Himmel. Seit sechs Uhr früh ist Annelies van Niekerken (66) unterwegs, ihre 650 Drenther Heideschafe ziehen knabbernd durchs Gras- und Heideland. Stille und Weite unter einem hohen Himmel, der wirklich unendlich scheint.

Van Niekerkens Herde ist eine von dreien im Nationalpark Dwingelderveld. An die 1.500 Tiere sorgen dafür, dass die offene Landschaft mit Glocken- und Besenheide, Kräutern und Pfeifengras erhalten bleibt. Van Niekerken sagt: „Ohne die Schafe würden sich bald Birken ansiedeln und die ursprüngliche Heide zerstören.“ Die Tiere sind hier also die Naturpfleger.

Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein im Dwingelderveld, auf halbem Weg zwischen Zwolle und Groningen, gar nicht so weit von der deutschen Grenze entfernt. Mit knapp 38 Quadratkilometern ist es das größte Feuchtheide-Gebiet in den Niederlanden, mehr als 60 Moortümpel und Torfmoore gibt es hier.

Für Wandernde und Radelnde wird die Landschaft durch mehrere gekennzeichnete Routen gut erschlossen – etwa die 36 Kilometer lange Holtveen-Radroute, die auch zum Radioteleskop Dwingeloo führt. 1956 wurde die Antennenschüssel errichtet, damals war sie mit 25 Meter Durchmesser weltweit die größte ihrer Art.

Die ältesten Sehenswürdigkeiten der Niederlande

Megalithen, Hunengrab in Drenthe © iStock/Lynxs-Photography
52 Hunengräber sind zwischen Groningen und Weiteveen zu finden.

Geschichten aus Vergangenheit und Gegenwart treffen hier, in der niederländischen Provinz Drenthe, immer wieder aufeinander. Für viele deutsche Urlauber:innen ist die Gegend dennoch beinahe unsichtbar – man fährt halt durch auf den Autobahnen in Richtung Nordsee, das war's. Dabei entführen die Dorfbilder von Dwingeloo, Lhee, Ansen und dem autofreien Museumsdorf Orvelte mit ihren reetgedeckten Wohnhäusern und Bauerngehöften in ländliche Idylle. Dörfer, Heide, Moor, kleine Wälder und Kuhweiden, all das entschleunigt.

Drenthe trägt aus gutem Grund den Beinamen „Ur-Provinz der Niederlande“. Denn auf dem Höhenzug Hondsrug (Hünenrücken) zwischen Groningen und dem Flecken Weiteveen finden sich 52 Hünengräber, links und rechts entlang der heutigen Nationalstraße N 34. Die mächtigen steinernen Monumente sind in der Jungsteinzeit zwischen 3.400 und 2.950 v. Chr. als Grab- und Kultstätten entstanden. Sie gelten als die ältesten Sehenswürdigkeiten der Niederlande.

Das „Hunebedcentrum“ (Hünengrabmuseum) in Borger entführt die Besucher:innen anschaulich in die Vergangenheit. Wie konnten die Menschen vor tausenden Jahren diese eiszeitlichen Steinklötze aufstellen? Museumsguide Harry W. te Horst (74), ein pensionierter Banker, erklärt es: „Sie schichteten Hügel an und bewegten die Steine auf Holzrollen mit Muskelkraft auf die Anhöhen. Nachdem die Seiten- und Deckensteine positioniert waren, wurde die Erde darunter entfernt und höhlenartige Kammern entstanden.“

Beim Rundgang führt Harry W. te Horst seine Gäst:innen zum allergrößten Drenther Hunebed, ein paar Schritte vom Museum entfernt: 22,6 Meter lang, vor knapp 5.000 Jahren errichtet. „Der Deckenstein dieses Grabes wiegt allein 20 Tonnen“, sagt te Horst. Was für eine Masse.

Geschichte erleben in Frederiksoord

Frederiksoord in Drenthe, Niederlande © IMAGO/ANP
Frederiksoord ist geprägt vom Kolonialismus.

Weiter geht die Drenther Zeitreise, wir sind im 19. Jahrhundert. Bittere Armut herrschte damals in den Niederlanden, Familien litten unter Hunger und Arbeitslosigkeit. Rettung versprach General Johannes van den Bosch. Der sozial engagierte Adlige verfolgte den Gedanken: Wer Arbeit hat und ein eigenes Stück Land bewirtschaftet, der kann sich selbst aus der Notlage befreien.

In Frederiksoord siedelten sich 1818 die ersten Familien in einer Armenkolonie an. Weitere Kolonien folgten in Wilhelminaoord und Veenhuizen. Den Siedler:innen wurden komplett ausgestattete Katen, jeweils ein Hektar Land und Handwerkszeug von der Wohltätigkeitsgesellschaft Maatschappij van Weldadigheid als Darlehen bereitgestellt. Durch harte Arbeit konnten die Kolonist:innen im Laufe der Jahre die Schulden tilgen und zu freien Bauern und Bäuerinnen werden.

Interessant: Zu jener Zeit gab es für die Kinder dort bereits Schulunterricht – 80 Jahre vor der allgemeinen Schulpflicht in den Niederlanden. Im Frederiksoorder Museum „De Proefkolonie“ wird diese Geschichte multimedial anschaulich vermittelt. Seit 2020 sind die Armenkolonien auf der UNESCO-Welterbeliste verzeichnet.

Drenthe: Wo bereits Vincent van Gogh lebte und malte

Drents Museum in Assen © iStock/venemama
Hier zu sehen: das „Drents Museum“ in Assen.

Ist er gerade zu Mittag gegangen? Hat nur mal eben eine Pause eingelegt vom Malen? Fast scheint es so. Pinsel und Farbkleckse im „Van Gogh Huis“ in Veenoord erinnern an den weltbekannten Künstler, der hier ab dem 11. September 1883 in der Pension von Familie Scholte fast drei Monate lang lebte und in dieser Zeit malte und zeichnete. Die Bilder zeigen hart Arbeitende auf dem Feld, die Kirche von Zweeloo, Moortümpel und Bauersfrauen. Die Gemälde „Bauer verbrennt Unkraut“ und „Der Torfkahn“ entstanden in Drenthe.

Übrigens: Das „Van Gogh Huis“ ist derzeit aufgrund von Renovierungsarbeiten geschlossen. Ab September 2023 kann es voraussichtlich wieder besucht werden.

Drents Museum in Assen

Das „Drents Museum“ in Assen zeigt genau 140 Jahre nach der Ankunft van Goghs in Drenthe ab Mitte September 2023 bis Anfang Januar 2024 die Ausstellung „Op reis mit Vincent“ (Auf Reisen mit Vincent) und beleuchtet damit die Lebensphase des Künstlers in dieser Provinz.

Die urtümliche Landschaft war prägend für Vincent van Gogh. An seinen Bruder Theo schrieb er: „Drenthe inspiriert mich, ein Leben lang zu malen. Es ist hier so ganz und alles was ich schön finde. Das heißt hier herrscht Frieden.“ Radelnde können die Landschaft auf den Spuren van Goghs auf drei neuen Radrouten erkunden, die jeweils rund 50 Kilometer lang sind.

Die düstere Vergangenheit von Drenthe

Das düsterste Kapitel in der Geschichte von Drenthe wurde zwischen 1942 und 1945 im Durchgangslager Westerbork geschrieben. 107.000 Juden und Jüdinnen – drei Viertel der jüdischen Bevölkerung in den Niederlanden – sowie Sinti:zze und Rom:nja wurden von hier von den Nazis mit Zügen in die Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Bergen-Belsen, Sobibor und Theresienstadt deportiert – nur rund 5.000 überlebten.

„107.000 unterschiedliche Geschichten, die jeden Besucher berühren“, sagt die Geschichtsforscherin und Journalistin José Martin (60), die in der Gedenkstätte Namen und letzte Briefe der Lagerinsass:innen an Angehörige dokumentiert. Unter den Opfern sind die jüdische Philosophin Edith Stein und Anne Frank, die im September 1944 von Westerbork nach Auschwitz deportiert wurde.

Dokumente und Fotos zeigen eindrücklich, wie das Leben in diesem „Portal zur Hölle“ ablief. Nachdenklich verweilen Besucher:innen vor dem blechernen Zuglaufschild Westerbork-Auschwitz, Auschwitz-Westerbork.

Wenige Kilometer vom Museum entfernt liegt das eigentliche Lager: Kleine Erdhügel erinnern an die einstigen Standorte der Baracken, man sieht zwei Eisenbahnwaggons und ein Stück Bahngleise. Und 102.000 kleine Stelen – eine für jede:n ermordete:n Deportierte:n.

Weitere Informationen zu Drenthe

Reiseziel: Die niederländische Provinz Drenthe liegt westlich des deutschen Emslandes. Es gibt drei Nationalparks mit Heidegebieten und Wäldern: Dwingelderveld, Drents-Friese Wold und Drentsche Aa. Die Provinzhauptstadt ist Assen, bekannt durch Motorradrennen.

Anreise: Mit dem Auto geht’s über die A 31 (Oberhausen-Emden) und die Abfahrt Meppen weiter über die B 402/A 37 Richtung Hoogeveen und Assen. Mit der Bahn fahren Sie über Zwolle bis Hoogeveen und Assen.

Unterkünfte: Landhotels, B&B, Ferienparks und Campingplätze mit Baumhäusern: Die Auswahl in Drenthe ist groß.

- Bernd F. Meier, dpa

Das könnte Sie auch interessieren

© IMAGO/agefotostock
Sehenswürdigkeiten
Die schönsten Schlösser der Niederlande

Die Niederlande sind nicht unbedingt für ihre Schlösser und Burgen bekannt. Doch hier warten hübsche Gemäuer und geschichtsträchtige Bauten, die einen Besuch lohnen.

© Skitterphoto/pixabay
article-type-audio-big-white
Podcast
Diamanten, Schokolade und Kunst: Willkommen in Antwerpen

Die belgische Hafenstadt Antwerpen lockt mit Architektur im Jugend- sowie im Renaissance-Stil, mit dem berühmten Diamantenviertel und dem Rubenshaus. Im MERIAN-Podcast verraten wir Ihnen die besten Sehenswürdigkeiten in Antwerpen und geben kulinarische Tipps.

© iStock/trabantos
Sehenswürdigkeiten
Port de Pollença: Mallorquinischer Hafenort mit romantischem Flair

Edle Seafood-Restaurants, von Pinien gesäumte Straßen mit Meerblick und hübsche Sandstrände: Willkommen in Port de Pollença auf Mallorca! MERIAN verrät Ihnen die Top-Sehenswürdigkeiten und gibt Tipps für den Besuch.

© iStock/Rudolf Ernst
Aktiv
Wandern in Galicien: Der zauberhafte Weg der Leuchttürme

An Galiciens „Todesküste“ finden sich bezaubernde Leuchttürme, eindrucksvolle Panoramen über den Atlantik und viel Geschichte. Wir geben Tipps für die Wanderung auf dem Weg der Leuchttürme und verraten spannende Hintergrundinfos.