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Natur

Irlands Inseln: Wilde Schätze am Ende von Europa

Nur einige hundert Menschen leben auf den vorgelagerten irischen Inseln. Je kleiner das Eiland, desto größer die Gastfreundschaft. Ihren Geschichten lauschen Besucher bei frischem Fisch und knisterndem Kaminfeuer.

Text Mila Krull

Wenn das Horn der Fähre am Hafen dröhnt, beginnt die Überfahrt ins Abenteuer. Die Besiedlung der Inseln von Irland reicht zurück bis in die Steinzeit. Noch heute zeugen bröckelnde Ruinen von Kirchen, Klöstern und Refugien von früheren Bewohnern, die inmitten der magischen Natur Zuflucht fanden. Noch spannender sind ihre Geschichten, die seit Jahrhunderten erzählt werden. Sie handeln von schottischen Königen, versteinerten Kühen und tollkühnen Piratinnen. 

Tory Island: Ein herzliches Königreich

© Courtesy Gareth Wray Photography

Bereits vor 4500 Jahren siedelten Menschen auf Tory Island im Nordosten Irlands. Auch die jüngste Geschichte der Insel ist außergewöhnlich: Bis zu seinem Tod 2018 regierte hier ein König und verlieh dem Eiland den Status einer Monarchie. Royale Allüren und Gepflogenheiten widerstrebten Patsaí Dan Mac Ruairí allerdings, und so ließ er es sich nicht nehmen, jeden Gast bei Ankunft persönlich zu begrüßen. Am Abend begeisterte er im Pub mit seinem Akkordeonspiel, dessen Klänge mittlerweile verflogen sind. Andere Erinnerungsstücke an den volksnahen Inselregenten sind in der „Dixon’s Gallery“ zu finden, die seine Malereien ausstellt.

Friedlich und gemütlich geht das Leben auf Tory Island zu. Nur in den 70er-Jahren frischten raue Winde auf, als Verwaltungsfunktionäre die Bewohner auf das Festland umsiedeln wollten. Doch die Insulaner leisteten mächtig Widerstand und durften schließlich bleiben. Wer Sehenswertes sucht, kann zwei Kirchenruinen, einen mittelalterlichen Schutzturm und ein seltenes steinernes Holzkreuz besichtigen. Viel spannender sind jedoch die Menschen selbst mit ihrer gälischen Lebensart.

Inishbofin: Heimat der Piratenkönigin

© Klaus Bossemayer

Ihren Namen verdankt die Insel der irischen Sage um eine weiße Kuh, die einst Insulaner und Festländer mit Milch versorgte. Doch ihr Halter geriet mit einer Hexe in Streit, die das arme Tier in einen weißen Felsen verwandelte. Sobald jemand den Stein entferne, würde Inishbofin im Meer versinken. Bis heute hat sich niemand daran versucht, und so liegt die rund zwei Quadratmeter große Insel noch immer unversehrt vor der nördlichen Küste. Ihre strategisch günstige Lage machte sich im 16. Jahrhundert der spanische Freibeuter Don Bosco zunutze, der schatzbelandenden Schiffen auflauerte. Später fand er in der irischen Piratenkönigin Grace O’Malley eine starke Verbündete. Den Hafen ließen die gewieften Gauner mit Ketten sperren, so dass jeder Besuch einen Wegzoll erbringen musste. Später wurden auf der Burg der Piraten irische Priester inhaftiert. Die Mauern von „Cromwell’s Barracks“ sind bis heute zu sehen. 

Mittlerweile geht man mit Besuchern freundlicher um. Sie kommen unter anderem wegen der menschenleeren Traumstrände. Am East End Beach und in Trá Gheall sieht es plötzlich aus wie an der Mittelmeerküste, weißer Sand und türkisfarbenes Wasser inklusive. Doch auch im Sommer finden meist nur Hartgesottene den Weg ins Meer. Mutiger sind Surfer, die sich im dicken Neopren in die kalten Fluten schmeißen. 

Inseln von Irland: Puffin-Paradies auf Rathlin Island

© Klaus Bossemeyer

Ein Paradies für Vogelfreunde: Auf Rathlin Island brüten von Mai bis Juli rund 280.000 Vögel. Vom „Seabird Centre“ aus geht es zu den besten Aussichtspunkten mit Blick auf bunte Puffins (Papageitaucher), Eissturmvögel, Dreizehenmöwen, Tordalke und Kiebitze. Strategisch gut gelegen, musste die L-förmige Insel in der Vergangenheit blutige Auseinandersetzungen über sich ergehen lassen. Wikinger, englische Soldaten und Lords ließen die Muskeln spielen. Auch soll der schottische König Robert the Bruce einst in einer Höhle Zuflucht gesucht haben. Hier hatte er eine schicksalshafte Begegnung mit einer Spinne, deren Entschlossenheit beim Netzbau ihn zu neuem Kampfgeist verhalf. 


Weitere Geschichten werden im „Boathouse Visitor Center“ erzählt. Eine Attraktion sind auch die mehr als 40, teils denkmalgeschützten Schiffswracks, die unmittelbar vor der felsigen Küste liegen und nur von erfahrenen Sporttauchern erkundet werden sollten. Heute leben auf Rathlin Island nicht einmal mehr 100 Menschen. Dafür gibt es umso mehr Ferienhäuser, Cottages und Bed & Breakfasts, in denen Besucher vor allem in den Sommermonaten unterkommen.

Cape Clear Island: Alten Geschichten lauschen

© Yvonne Gordon

Auf der rund 40-minütigen Überfahrt nach Cape Clear zeigt sich das Fastnet Rock Lighthouse am Horizont. Der berühmte Leuchtturm, der auf einem abgelegenen Felsen thront, hat eine besondere Bedeutung. Während der großen Hungersnot Ende des 19. Jahrhunderts verließen Millionen Iren das Land Richtung Amerika. Das Leuchtfeuer am Ende von Europa war das letzte Stück Heimat, das die Auswanderer erblickten. Bis heute trägt es deshalb den Beinamen Teardrop, zu deutsch Träne. 

In den Sommermonaten wird es auf dem beschaulichen Eiland trubelig. Dann findet unter anderem das Cape Clear Island Storytelling Festival statt. Der Poet und Autor Chuck Kruger erforschte in den 1980er-Jahren die Tradition der gälischen und englischen Geschichten und veranstaltete wenig später das erste Festivalwochenende. Seither kommen im September Erzähler und Zuhörer aus aller Welt und widmen sich dieser Kunstform. Auch während der Baltimore Regatta im August herrscht reges Treiben. Die charmanten, aber begrenzten Unterkünfte sollten zu dieser Zeit rechtzeitig gebucht werden.

Inishturk: Ein Ort der Zusammenkunft

© Klaus Bossemeyer

Übersetzt bedeutet Inishturk Insel der Eber. Der Name ist vermutlich auf die Zeiten zurückzuführen, in denen einst Wald und Wild die Landschaft der Inseln von Irland prägten. Heute gibt es hier vor allem Hummer, der in den Sommermonaten direkt aus dem Meer gefangen und anschließend in den Lokalen serviert wird. Auch andere traditionelle Gerichte wie der berühmte Lammeintopf landen auf den Tisch. Wer übrigens selbst etwas fangen will, kann sich an den Felsen und Anlegern versuchen. Neben Anglern zieht es mit Beginn der warmen Jahreszeit Vogel- und Wanderfreunde nach Inishturk. Beliebt sind die zwei „Loop walks“, die an einem alten Wachturm, Aussichtspunkten und Küstenformationen vorbeiführen. Von hier aus eröffnet sich ein unvergesslicher Panoramablick auf die See. 

Eine besondere Sehenswürdigkeit ist „The Tale of the Tongs“ (zu deutsch: Die Geschichte der Zangen). Die Skulptur von 2013 erinnert an den Zusammenhalt der irischen Gemeinschaft und basiert auf einem Abschiedsbrauch. Demnach greift eine Person mit einer Feuerzange ein loderndes Stück Kohle und platziert sie im Haus eines Familienmitglieds, das nach Amerika aufbricht. Das Ritual war ein Versprechen der Auswanderer, eines Tages zurückzukehren und das Feuer der Verbundenheit erneut zu entfachen. Die Installation aus Glas, Stahl und lokalen Steinen wird von Bewohnern gern auch als „Irlands Akropolis“ bezeichnet. 

Inseln von Irland: Menschenleere und Meeresrauschen

© Klaus Bossemeyer

Geschichten der Vergangenheit und die raue Natur prägen das Leben der irischen Inseln. Mit ihrer atemberaubenden Natur und der Gastfreundschaft ihrer wenigen Bewohner ziehen sie zahlreiche Gäste in ihren Bann. Ein Ausflug auf die Inseln von Irland lohnt bei Wind und Wetter. Nur wenn der Atlantik zu stürmisch wird, setzen die Fähren aus. Das Festland hält dann zahlreiche Alternativen bereit. Entdecken Sie den wilden Zauber der grünen Landschaft von Irland oder die besten Outdoor-Aktivitäten in Irland.

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