© Sigi Müller
Kultur

Zehn Kunstwerke, die mitten im Leben stehen

Unsere kleine Open-Air-Galerie bringt Sie an bedeutende Orte in deutschen Großstädten: ins Zentrum Berlins, mitten in den größten Binnenhafen der Welt oder auf den Frankfurter Uni-Campus. Unsere Favoriten für Kunst im öffentlichen Raum.

Datum 22.11.2021

Leicht und licht: „Sphere“ München

© Werner Boehm

Von Olafur Eliasson, München 2003

Sie wirkt leicht, die Kugel, die im Viscardihof, einem der „Fünf Höfe“ im Zentrum Münchens, nah über den Köpfen der Menschen zu schweben scheint. Ist sie aber nicht, sie hat einen Durchmesser von zehn Metern und wiegt acht Tonnen. Das Geflecht besteht aus Stahlbändern. Ausgedacht hat sich die Skulptur Olafur Eliasson, ein Meister des Tageslichts, das durch die Struktur von „Sphere“ ein wechselndes Schattenspiel an die Wände und in die Schaufenster der angrenzenden Designerläden und Cafés wirft.

Dialektisch: Adorno Denkmal Frankfurt

© Sergio Delle Vedove / Alamy Stock Photo

Von Vadim Zakharov, Frankfurt 2003

Als hätte sich ein Moment in einer Zeitkapsel auf den Campus Westend der Goethe-Universität in Frankfurt am Main gebeamt – der Moment, in dem der große Denker der Stadt kurz vom Schreibtisch aufgestanden ist. Zu Theodor W. Adornos 100. Geburtstag wurde im Oktober 2003 diese Installation des Künstlers Vadim Zakharov in Bockenheim eingeweiht, 2016 zog sie um. In einem Glaskubus mit einer Kantenlänge von zweieinhalb Metern steht ein Schreibtisch mit abgerücktem Stuhl auf Parkettboden. Auf dem Tisch: eine Ausgabe von Adornos „Negativer Dialektik“. Neben dem Kubus sind auf Steinplatten Zitate Adornos zu lesen.

Rheinorange Duisburg

© Iris Heinrich

Von Lutz Fritsch, Duisburg 1992

Dort, wo die Ruhr in den Rhein mündet, am Rheinkilometer 780, thront diese Stele beeindruckenden Ausmaßes: 25 Meter hoch, sieben Meter breit, einen Meter tief. Und 83 Tonnen schwer – die Plastik des Kölner Bildhauers Lutz Fritsch ist aus Stahl, und sie steht für den Stahl beziehungsweise dessen Produktion, die viele Jahrzehnte das Ruhrgebiet prägte. Längst ist „Rheinorange“ ein Wahrzeichen des Duisburger Hafens, des größten Binnenhafens der Welt, in dem man noch mehr Kunst entdecken kann, etwa im Museum Küppersmühle.

Der vertikale Erdkilometer in Kassel

© Documenta

Von Walter de Maria, Kassel 1977

Dass dieses Werk, dessen sichtbarer Teil aus einer Kreisfläche aus Messing mit fünf Zentimetern Durchmesser besteht, einst 750.000 Mark kostete, hat einen ein Kilometer tiefen Grund: So weit geht der unsichtbare Teil des Werks in die Erde. Zur Documenta 6 ließ Walter de Maria unter Aufsicht eines Geologen auf dem Friedrichsplatz 1000 Meter tief bohren. Dann versenkte er 167 sechs Meter lange Messingstäbe aneinander gesteckt in dem Loch, füllte den Rand mit Beton und umgab die Kreisfläche mit einer quadratischen Sandsteinplatte. Die Dimension des Werks erschließt sich in der Vorstellung der Betrachter.

Europe Mannheim

© Isabela Pacini

Von „BEZT“, Mannheim 2016

Jeder Häuserblock hat ein Ende, meist eine riesige kahle Wand – ideal für einen der profiliertesten Wand-Künstler, den 1987 in Polen geborenen „BEZT“. Den Block E7.22 am Westrand der in Quadraten angelegten Mannheimer Innenstadt bemalte er mit drei in Schwarz gekleideten Frauen, zwei davon halten trauernd den Blick gesenkt. Wen oder was sie betrauern? Der Titel legt nahe, dass es die Europäische Union sein könnte. Das von der Ringstraße ums Zentrum sichtbare Werk entstand während des u. a. vom Kulturzentrum Alte Feuerwache initiierten Projekts „Stadt.Wand.Kunst“. Seit 2013 brachte es Farbe auf mehr als 30 Hauswände.

Torque Saarbrücken

© Serra

Von Richard Serra, Saarbrücken 1992

Der Kalifornier Richard Serra, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Bildhauer, verwendet für viele seiner Werke Stahl aus dem Grobblechwalzwerk im saarländischen Dillingen, etwa 25 Kilometer nordwestlich vom Campus der Universität des Saarlandes, wo gleich hinter dem Haupttor diese begehbare Skulptur knapp 17 Meter hoch aufragt. Sie besteht aus sechs gegeneinander gelehnten Stahlplatten, die nach oben breiter werden und so angeordnet sind, dass es wirkt, als seien sie mitten in einer Drehbewegung – „Torque“ bedeutet „Drehmoment“. Der 246 Tonnen schwere Koloss war wegen seiner Kosten von fast einer Million Euro hoch umstritten.

Large Divided Oval: Butterfly Berlin

© Philip Koschel

Von Henry Moore, Berlin 1987

Das letzte Werk des britischen Bildhauers ist eines seiner größten. Die abstrakte Plastik steht in einem Becken vor dem Haus der Kulturen der Welt, der „Schwangeren Auster“. Beide spiegeln sich im Wasser, das Haus wirkt wie eine aufgeklappte Muschel, die Bronze scheint zu schwimmen, dabei wiegt sie mehr als acht Tonnen. Moore starb, noch bevor sie zur 750-Jahr-Feier Berlins aufgestellt wurde – und er die Bitte der Stadt, ihr das Werk zu stiften, beantworten konnte. So zahlte sie 3,5 Millionen DM dafür, der „Schmetterling“, ist eine ihrer teuersten öffentlichen Skulpturen.

Double Triangular Pavilion Hamburg

© Graham

Von Dan Graham, Hamburg 1989/99

Der Amerikaner Dan Graham studierte Philosophie und stellt bei seiner Kunst auch deren Wahrnehmung in den Mittelpunkt. So auch bei diesem Pavillon, der am Ostufer der Außenalster steht, auf der Wiese neben dem Clubhaus der Rudergesellschaft Hansa. 2,20 Meter hoch ist der Bau und durch eine Tür begehbar. Seine Wände spiegeln den Betrachter, die Umgebung und Wetterstimmung und lassen gleichzeitig einen Durchblick über die Alster bis ans andere Ufer zu. Der Grundriss ist dreieckig, das ebenfalls dreieckige Stahldach ist um 45 Grad gedreht angebracht. So bildet der Pavillon von oben betrachtet einen Davidstern.

Synagogendenkmal Leipzig

© EdNurg

Von Anna Dilengite und Sebastian Helm, Leipzig 2001

140 bronzene Stühle stehen auf einer leicht erhöhten Plattform an der Ecke Gottsched-/ Zentralstraße in der Inneren Westvorstadt. Sie stehen für die Leere, die eingetreten ist, seit im November 1938 die größte und bedeutendste von Leipzigs damals 17 Synagogen niedergebrannt worden war. Eine niedrige Mauer zeichnet den Grundriss dieser 1855 eingeweihten Großen Gemeinde-Synagoge nach, in der 1600 Menschen Platz hatten. Seit 1966 erinnert ein Gedenkstein an sie, seit 20 Jahren stehen die Stühle an diesem Ort der Besinnung, der Spaziergänger sofort innehalten lässt.

Solarkatze Braunschweig

© Anastasia Shvachko

Von Michael Sailstorfer, Braunschweig 2016

Bisher fünfmal zeigte eine Open-Air-Ausstellung Braunschweig in ganz neuen Lichtern: der Lichtparcours. Viele Kunstwerke blieben nur einen Sommer lang, doch manches hat ihren festen Platz im Stadtbild gefunden – zuletzt dieses Werk, das vom Löwenwall in den Theaterpark zog. Die große, gebogene Laterne, die auch Teil der Parkbeleuchtung sein könnte, gehört zu der Installation. Daneben steht ein fast ebenso hoher und damit völlig überhöhter Sockel, auf dem eine real wirkende bronzene Katze mitten im Licht der Laterne sitzt. Eine Anspielung auf die Löwen-Statue der „Löwenstadt“? Kann man gut so verstehen.

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