© Christina Körte
Unterkunft

Seelenruhe im Kloster: Auszeit auf Gut Saunstorf

Sie hätte auf Gut Saunstorf auch eine Woche schweigen oder fasten können. Doch Merian-Redakteurin Silvia Tyburski wollte in dem Kloster etwas ganz anderes: einfach nur im Garten buddeln.

Text Silvia Tyburski
Datum 20.07.2022
© Christina Körte

Ein paar Meter erst bin ich vom Bahnhof Bobitz losmarschiert, da fährt neben mir ein Transporter rechts ran. „Willst du nach Gut Saunstorf?“, fragt der Mann am Steuer. Rainer, wie ich später erfahre, arbeitet auf dem ehemaligen Gut bei Wismar in Mecklenburg-Vorpommern, in dem heute ein überkonfessionelles Kloster untergebracht ist. 

Dort werde ich ein paar Tage wohnen und jenseits der Großstadt aus dem schnellen Takt meines Alltags aussteigen. Deswegen möchte ich die gut zwei Kilometer nach Saunstorf zu Fuß gehen, meinen viel zu voll gepackten Rucksack gebe ich Rainer aber gern mit. Die kurze Wanderung führt vorbei an alten Kastanien, Rapsfeldern und hügeligen Wiesen, auf denen der Löwenzahn in der Maisonne leuchtet. 

Kurz hinter dem Dorfteich taucht links das elegante Herrenhaus auf. Die Eiche davor wuchs hier schon, lange bevor es zur Zeit des Ersten Weltkriegs gebaut wurde. 1931 zog eine Adelsfamilie ein, nach dem Zweiten Weltkrieg lebten hier Geflüchtete. Seit 2010 ist es das Zentrum der Gemeinschaft um Cedric Parkin, der auf Gut Saunstorf eine spirituelle Schule und für Erholung suchende Gäste einen „Ort der Stille“ betreibt. Wer mag, kann Seminare und Therapien buchen, Familienaufstellungen etwa, Schweigewochen oder Fastenkuren. Manche leben auch dauerhaft als Teil einer Gemeinschaft in den umliegenden Häusern.

Auch interessant:

Auszeit im Kloster: Erholung beim Unkrautjäten

© Christina Körte

Mein Programm ist vergleichsweise simpel, ich möchte in den Gutspark und den Klostergarten eintauchen. Und runterkommen. Das Angebot des Klosters erscheint mir dafür wie gemacht: Als Gast kann ich an Routinen wie der morgendlichen Meditation, Yoga, Qi Gong und dem gemeinsamen Essen teilnehmen und drei Stunden täglich im Haus oder Garten mitarbeiten. „Ora et labora“, bete und arbeite, heißt das Konzept, das den Benediktinern zugeschrieben wird. Der Weg zu Gott führe über ein ausgewogenes Verhältnis von Muße und Arbeit. Das klingt verheißungsvoll, wobei auch in Beeten zu buddeln für mich eher unter „Muße“ fällt. 

Nirgendwo kann ich besser abschalten als in meinem Hamburger Schrebergarten. Der Garten von Gut Saunstorf ist mindestens viermal so groß. Eingerahmt von einer Buchsbaumhecke liegen verschiedene Beete mit Blumen, Gemüse, rosa blühenden Erdbeeren und Kräutern. In einem erkenne ich gleich drei alte Bekannte: Frauenmantel, eine Staude, die im Sommer hellgrün blühen wird, Küchenschelle mit blauen, glockenförmigen Blüten und silbrig-haarigen Blättern und Gundermann, ein niedriges, aber ziemlich hartnäckiges Gewächs, das sich zwischen allen anderen Pflanzen mächtig ausbreitet. „Eigentlich ist der Gundermann ein tolles Würzkraut“, sagt Bettina Esselborn, die auf dem Gut für den Garten zuständig ist.

70.000 Bienen in der Nachbarschaft

© Christina Körte

Jetzt aber muss der Gundermann weichen, zumindest dort, wo er den anderen Platz und Nährstoffe streitig macht. Bettina gehört seit zehn Jahren zur Klostergemeinschaft. „Ich kannte Gut Saunstorf schon, weil ich hier ein paar Wochen KarmaYoga gemacht hatte. Dann erlebte ich eine Krise und wusste irgendwann: Das hier ist mein neues Zuhause.“ 

Sie zeigt mir, was noch zum Kloster gehört: ein großes Gehege mit 25 Hühnern und einem Hahn, den sie nach dem indischen Guru Osho getauft haben, und sieben Bienenstöcke auf einer Wiese nebenan. Während ich die Ahorne ausrupfe, höre ich das friedliche Gackern der Hennen und das Summen Hunderter Bienen, die in den Blüten der Apfel- und Birnbäume Nektar sammeln. Und ich merke, wie allein diese Geräusche mich entspannen. 

Bettina kennt das Gefühl. „Ich habe es schon als Kind geliebt, durch die Wiesen zu springen und mir die riesigen Margeriten anzuschauen.“ Um die Bienen kümmert sich Imkerin Bernadette. Mehr als 70.000 leben in den sieben Kästen auf einer Wiese neben den Beeten. Mit ihren Bienenstöcken im Umzugs-Lkw ist sie vor drei Jahren aus Dortmund hergekommen, um in der Gemeinschaft von Gut Saunstorf zu leben. 

Heute arbeitet sie im Klosterladen und versorgt die Küche mit ihrem Honig. Ihre Ausbildung zur Imkerin hat sie vor zehn Jahren in einem Anfängerkurs an der Uni Bochum gemacht, nachdem sie in einem Radiobeitrag gehört hatte, dass die Imker aussterben und mit ihnen die Bienen. „Das hat mich berührt, vielleicht, weil ich eine so schöne Kindheitserinnerung ans Imkern habe“, erzählt sie.

Gut Saunstorf: Karma-Yoga für die Gemeinschaft

© Christina Körte

Zurück im Garten treffe ich auf Reiner, einen weiteren Klostergast, der auf Bettinas Anweisungen wartet. Reiner soll ein neues Beet anlegen, in das ich am nächsten Tag Farne und Herbstanemonen setzen werde.

Reiner ist als Karma-Yogi hier. Sechs Stunden am Tag arbeitet er, doppelt so viele wie ich, dafür zahlt er aber auch nur 45 Euro pro Woche. Karma-Yoga ist keine Übung für den Körper, wie wir sie hier morgens vor dem Frühstück machen, sondern für die innere Haltung, für Selbstlosigkeit. Deshalb leisten Karma-Yogis hier wie in einem indischen Ashram Dienste für die Gemeinschaft, etwa im Garten, in der Küche oder in der Packstation des Klostershops. Eine Idee des Karma-Yoga ist, das Ego zu überwinden. Dazu gehört, auch Arbeiten zu übernehmen, die man weniger gerne macht.

So wie bei „ora et labora“, „labora“ steht auch für leiden. So gesehen habe ich mit meinem Gartendienst etwas geschummelt. Auch wenn ich dabei auf Knien durchs Beet robbe, macht mir diese Arbeit Spaß. Und anders als zu Hause schlafe ich hier tief und fest. Beinahe nicke ich schon nach dem Sauna-Besuch, den ich mir nach getaner Arbeit gönne, zu den Klangschalen-Tönen vom Band im Ruheraum ein.

Klosterleben: Struktur, Stabilität und Stille

© Christina Körte

Ein schlichter Wellness-Urlaub sind die Klostertage aber auch für mich nicht. Ich lerne von Bettina viel über Pflanzen und höre Ausschnitte aus Lebensgeschichten anderer Gäste. Viele sind an einem Wendepunkt, manche haben Krisen hinter sich. Das Klosterleben mit seinen klaren Strukturen gibt ihnen Stabilität. Es sieht vor, dass man sich an die Abläufe anpasst. Morgens um halb acht geht es mit einer halben Stunde Yoga oder Qi Gong los, anschließend kann man für eine halbe Stunde Meditation bleiben. Die ersten 15 Minuten werden beim Mittag- und Abendessen geschwiegen, was ich nur anfangs etwas seltsam finde. 

Mein liebster Ort in diesen Klostertagen wird das Gewächshaus.  Als ich für eine Weile allein vor mich hin werkle, merke ich, wie die Stille meine Sinne schärft. Ich höre durch das entfernte Summen eines Rasenmähers irgendwo einen Specht klopfen und das Summen einer Biene, die sich ins Gewächshaus verirrt hat. Die Sonne scheint durch die Fenster, ich genieße die Wärme ebenso wie der getigerte Kater, der mir gefolgt ist. Die Stimmung erinnert mich an einen Satz aus einer Kurzgeschichte von Margaret Atwood, in der sie Gartenarbeit als uraltes Ritual, fast als eine Art Gebet beschreibt. Sie endet so: „Im Frühling sollte man am Ende des Tages nach Erde riechen.“

© Christina Körte
© Christina Körte
© Christina Körte

Preise und Informationen rund um Gut Saunstorf

  • Ein Einzelzimmer kostet ab 85 Euro ohne Frühstück (18 Euro), ein Doppelzimmer ab 110 Euro. Vollpension: 55 Euro/Tag.
  • „Ora et labora“: Wer drei Stunden am Tag etwa im Garten oder Haus arbeitet, zahlt
    pro Tag 27 Euro weniger fürs Essen (ab vier Nächten).
  • Übernachtung im separaten Karma-Yoga-Haus: Bei sechs Stunden Arbeit am Tag kostet der Aufenthalt 45 Euro pro Woche inkl. Vollpension. Ab 14 Tagen

Weitere Informationen unter kloster-saunstorf.de

Auszeit nehmen: Kloster-Unterkünfte in ganz Deutschland

© Aue Lik/Lufthelden.de/welcome@lufthelden.de

Man muss keine Erfahrung mitbringen, um in einem Kloster Ruhe zu finden. An diesen Orten lernt man all das und noch mehr. Wir zeigen Ihnen einige Einrichtungen in ganz Deutschland, in denen Sie lernen, arbeiten und abschalten können. Fernab von Alltag, Stress und Großstadt. 

Kloster Arenberg, Rheinland-Pfalz

Im Kloster Arenberg bei Koblenz wohnen Gäste in Gemeinschaft mit Dominikanerinnen. Es gibt Gesprächsangebote und Meditation, Schweige-Retreats sowie Kurse und Seminare, etwa den Ora et labora-Kochkurs, Kräutervorträge oder meditatives Bogenschießen.

Kloster Steinfeld, Nordrhein-Westfalen

Das in der Eifel gelegene Kloster Steinfeld des Salvatorianerordens hat schlichte und 4-Sterne-Zimmer und bietet an seiner Akademie mehrtägige Kurse. Deren Themen reichen von Yoga, Qigong und Tai Chi über Fotografie und Kalligrafie bis hin zu Resilienz und Selbstreflexion.

Kloster Maihingen, Bayern

Einst lebten Birgittinnen und Minoriten hier in der Rieser Kraterlandschaft südwestlich von Nürnberg. Heute können Gäste im riesigen Garten  des Klosters Maihingen mitarbeiten, Seminare besuchen oder einfach Stille finden. Das lässt sich mit einer Wanderung auf dem Jakobsweg kombinieren, an dem Maihingen liegt.

Kloster Volkenroda, Thüringen

Das 1131 von den Zisterziensern in Thüringen gegründete Kloster, ein nach der Wende wieder aufgebautes Fachwerkensemble, ist heute das Zuhause der Jesus-Bruderschaft, einer religiösen Gemeinschaft von Männern und Frauen. Nicht nur in Gästezimmern kann man hier übernachten, von Mai bis September auch in einem umgebauten Bauwagen mitten im Klostergarten. Das Workshop- Angebot reicht von Gospel bis hin zu Seminaren zum Thema schweigen und pilgern.

Exerzitienhaus Himmelpforten, Bayern

In dem gut 750 Jahre alten Haus Himmelpforten kann man Wohlfühl-Wochenenden verbringen und sich zu den Tönen von Klangschalen oder bei Atem- und Rückenübungen entspannen. Oder Sie kommen für Fastentage nach Hildegard von Bingen her. Überall im Haus und im Garten sind mehr als 400 Kunstwerke zu sehen, in der Umgebung liegen Weinberge.

Andere Angebote finden Sie zum Beispiel auf stillefinden.org und evangelische-kommunitaeten.de

Weitere MERIAN-Tipps für Unterkünfte in Deutschland

MERIAN Deutschland

Klarer Fall von Heimvorteil: Wer die Nord- oder die Ostsee, die Alpen, das Allgäu, den Schwarzwald oder die Sächsische Schweiz vor der Haustür hat, muss keine Fernreise antreten. Diese MERIAN-Ausgabe gibt Tipps für nachhaltiges Reisen im eigenen Land. 

€ 11,90

Das könnte Sie auch interessieren

© Pixabay
Kultur
Auszeit im Schweigekloster

Die ersten Stunden im Kloster Arenberg in Koblenz fühlen sich für MERIAN-Redakteurin Dagmar Metzger nach ohrenbetäubender Stille an. Die Herausforderung: Drei Tage lang schweigen, ohne jegliche Ablenkung. Klingt schwierig? Ist es auch – aber alles andere als langweilig...