© Isabela Pacini
Natur

Vulkane in der Steiermark: Geologe Dr. Ingomar Fritz im Interview

Vor Millionen Jahren flogen heiße Lava und Asche im Südosten der Steiermark durch die Luft. Geologe Dr. Ingomar Fritz erklärt, wo man noch heute Spuren dieser Zeit findet.

Text Silvia Tyburski
Datum 11.09.2023
© Isabela Pacini

Es ist gar nicht so leicht, den Mann ans Telefon zu bekommen, der die explosive Erdgeschichte der Steiermark so gut kennt wie kein anderer. Dr. Ingomar Fritz, 62, hat an der Karl-Franzens-Universität in Graz Geologie studiert und sich auf Vulkane spezialisiert. Als Chefkurator für Geologie und Paläontologie am „Universalmuseum Joanneum“ in Graz ist er oft unterwegs – für seine Forschungsarbeit und für Führungen im Thermen- und Vulkanland im Südosten der Steiermark. Wir haben mit ihm gesprochen – und spannende Fakten über das Steirische Vulkanland erfahren.

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Steirisches Vulkanland: Vulkanismus vor Millionen von Jahren

Merian: Herr Fritz, beim Stichwort Vulkane denken viele eher an Reiseziele wie Island, Italien oder die Kanaren. 2021 brach auf La Palma der Cumbre Vieja aus. Österreich hat man als Vulkanland erst einmal nicht auf dem Zettel.

Dr. Ingomar Fritz: Das stimmt, aktive Vulkane gibt es bei uns nicht. Der letzte Ausbruch in Österreich ist zwei bis drei Millionen Jahre her.

Wie muss man sich die Steiermark von damals vorstellen, als Berge dort noch Asche und Lava spuckten?

Es gab bei uns zwei Phasen, in denen Vulkane ausbrachen und die Landschaft ganz unterschiedlich formten. Die erste begann vor rund 16 Millionen Jahren nach der Kollision der Afrikanischen und der Eurasischen Kontinentalplatte. In dieser Zeit, etwa eine Million Jahre lang, baute sich hier ein riesiges Vulkanmassiv auf, von dem heute nur noch die Spitze zu sehen ist: die Gleichenberger Kogel.

Wieso sieht man heute nur noch die Spitze des Massivs?

Der größte Teil dieses mächtigen Vulkans ist von Ablagerungen über einige Millionen Jahre hinweg zugeschüttet worden. Wir wissen durch Bohrungen nach Erdöl und Erdgas in den 1950er Jahren, dass er sich unterirdisch fortsetzt, mit einem Durchmesser von bis zu 30 Kilometern. Wenn man sich diesen Berg in seiner Gesamtheit vorstellt, ist er vergleichbar mit dem Ätna auf Sizilien, der immerhin mehr als 3.300 Meter hoch ist. Auch die Landschaft war damals ähnlich: Die Gleichenberger Kogel waren damals eine Insel, die aus einem Meer herausschaute. Im Wasser hat sich dann sukzessive Schlamm abgelagert, der den Vulkan bedeckte. Später wurde dieses Meer wieder zurückgedrängt, weil Flüsse Kies und Sand hineinspülten und weitere Teile des Vulkans bedeckten. 

Zweite Vulkanphase der Steiermark: Vulkane unter der Landoberfläche

Themenweg im vulkanischen Gebiet der Steiermark © Isabela Pacini
Durch das vulkanische Gebiet der Steiermark führt ein Themenweg.

Und was passierte in der zweiten Vulkanphase in der Steiermark?

In der gab es komplett andere Vulkane. Ich nenne sie „verkehrte Vulkane“. 

Was heißt das?

Die meisten Menschen denken bei Vulkanen an einen Kegel, der an der Landoberfläche nach oben wächst. Es gibt aber auch solche, die sich in die Tiefe sprengen. Am Schluss bleibt ein großes Loch übrig und rund um das Loch ein Wall von Material, das herausgeschleudert wurde. Der eigentliche Vulkan befindet sich unter der Landoberfläche. Die Löcher, die diese Vulkane hinterlassen, heißen Maare und entstehen dort, wo Magma auf Wasser trifft – Eis oder Grundwasser etwa. Wenn Grundwasser in 200 bis 300 Meter Tiefe mit rund 1.200 Grad heißem Magma in Kontakt kommt, will es verdampfen, kann aber nicht, wenn darüber noch 200 bis 300 Meter Landschaft liegen. Irgendwann ist der Druck so groß, dass das Ganze explodiert. 

Die Maar-Seen in der Eifel sind jüngere Überreste dieser Art von Vulkan. Das letzte Mal hat die Menschheit diesen Ausbruchstyp vor 13 Jahren auf Island erlebt, den Eyjafjallajökull. Bei uns im Steirischen Vulkanland sehen wir im Gegensatz dazu das, was darunter liegt: das harte, vulkanische Gestein, mit dem sich diese Explosionskrater füllten. Das weichere Umgebungsgestein wurde durch Erosion nach und nach abgetragen. Übrig blieben die härteren Felsmassive aus Tuffstein. 

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Tipps für Reisende: Wo lassen sich vulkanische Spuren bestaunen?

fossiler Falter, Vulkanland Steiermark (ausgestellt im Joanneum) © Isabela Pacini
Diesen fossilen Falter fand ein Teilnehmer auf einer Tour auf der Spuren der Vulkane. Er ist im „Joanneum“ in Graz zu sehen.

Wo können Touristen Spuren dieser explosiven Vulkane in der Steiermark finden? 

Das Felsmassiv, auf dem die Riegersburg liegt, ist so ein Relikt. Es gibt ein Wegesystem im Steirischen Vulkanland, das an etwa 30 Stellen vorbeiführt, an denen Vulkanismus sichtbar gemacht und auf Tafeln erklärt wird. Derzeit sind wir dabei, die Geologie und den Vulkanismus auf diesen Wanderwegen auch mit interaktiven Tools zu erklären. Und ganz klassisch haben wir in Kapfenstein ein Museum zur Erdgeschichte, das „Geo-Info Kapfenstein“. Dort kann man Knochen und Zähne von Urelefanten und allen möglichen exotischen Tieren sehen, aber auch fossile Schnecken, Muscheln, Baumstrünke und Blätter. 

In den Resten der Vulkane finden wir Wissenschaftler nämlich selten versteinerte Überbleibsel dieser ehemaligen Landschaften und ihrer Bewohner. Sie geben uns Hinweise, wie es in der Steiermark zur Zeit der Vulkane einmal ausgesehen hat. Einmal hat sogar ein Besucher bei einer meiner Führungen in einem Steinbruch einen solchen Hinweis gefunden. 

Sie meinen, ein Tourist hat ein Fossil gefunden?

Und zwar ein sensationell gut erhaltenes. 

Erzählen Sie mal.

Ich war mit einer meiner Exkursionsgruppen in einem Tuffsteinbruch unterwegs, um zu zeigen, dass unsere Vulkane in diese Sedimentablagerungen eingebettet sind. Diese Gruppe wollte eigentlich gar keine Fossilien suchen, sondern etwas über die Entstehung der Vulkanlandschaft lernen. Einer der Teilnehmer war nur dabei, weil seine Frau, eine Lehrerin, diese Tour gebucht hatte. Er hat das Stück mit einem komplett erhaltenen Falter aufgeklaubt und mir unter die Nase gehalten. Ich war fassungslos. Es müssen schon viele Zufälle für so einen gut erhaltenen Fund zusammenkommen. 

Wie alt mag dieser Falter sein?

Rund drei Millionen Jahre. Er muss seinerzeit in einen dieser Maar-Seen hineingefallen sein, wurde dann von Sedimentschichten eingeschlossen und versteinerte. Heute ist er bei uns im „Universalmuseum Joanneum“ in Graz ausgestellt.

Bieten Sie solche Exkursionen noch an?

Im Vulkanland schon. Und in der Südsteiermark sind wir zweimal im Jahr mit Besuchergruppen in einem Kalksteinbruch unterwegs, um nach Fossilien zu suchen.

Steiermark: Vulkangestein als Bausubstanz

Riegersburg auf einem Thron aus Tuffstein, Steiermark © Isabela Pacini
Die Riegersburg sitzt auf einem Thron aus Tuffstein.

Seit wann wissen die Menschen in der Steiermark überhaupt, dass sie von Vulkanen umgeben sind?

Die ersten Belege dafür, dass Wissenschaftler den vulkanischen Ursprung vieler Gesteine in der südöstlichen Steiermark erkannten, stammen aus dem 19. Jahrhundert. Genutzt haben die Menschen Vulkangestein aber schon in der Steinzeit – etwa Basalte zur Herstellung von Steinwerkzeugen. Die Römer verwendeten den Tuff von den Gleichenberger Kogeln als Mühlsteine, und auch Häuser wurden damit gebaut, allen voran die Riegersburg und Schloss Kapfenstein. 

Diese Bauten aus Vulkangestein sind ein Alleinstellungsmerkmal für ganz Österreich, weil es Vulkane eben nur bei uns im Steirischen Vulkanland gibt. Als Geologe freue ich mich, dass diese Besonderheit bei einem Teil dieser Gebäude jetzt wieder sichtbar gemacht wird. Statt wie früher die Häuser mit Putz zu bedecken, zeigt man den Tuffstein heute wieder.

Tipps für den Steiermark-Urlaub: Thermen mit Mineralwasser

Die Vulkane nutzten den Steirern aber nicht nur als Baumaterial, sondern auch als Quelle der Entspannung.

Genau, in unseren Thermen. Als man Mitte des 20. Jahrhunderts nach Öl und Gas bohrte, stieß man stattdessen auf warmes Wasser. Die Quellen liegen in bis zu 3.000 Meter Tiefe, das Wasser wird durch die verschiedenen Gesteinsschichten mineralisch angereichert. Sie werden heute als Mineral- und Heilwässer und in Thermen genutzt, um bestimmte Therapien für Gelenke oder die Haut zu unterstützen.

Könnten die Vulkane der Steiermark theoretisch wieder aktiv werden? 

Derzeit haben wir definitiv keine Hinweise darauf, dass sich in unserem Untergrund etwas tut. Aber als Forscher denke ich: Sag niemals nie. 

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