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Sehenswürdigkeiten

Im Auge des Vesuv: Die Ruinen von Pompeji

Ihr Untergang hat diese Stadt unsterblich gemacht: Im Jahr 79 versank Pompeji unter der glühend heißen Asche des Vesuvs. Was wieder ans Tageslicht kam, fasziniert die Welt. Wir zeigen die antiken Wunder von Pompeji und der Region um Neapel.

Text Franz Lenze
Datum 05.09.2023

„Ihr braucht eine enorme Vorstellungskraft, um die Stadt zu sehen, wie sie früher war“, sagt ein Touristenführer am Eingang von Pompeji. Damals, vor 2.000 Jahren. Vor der großen Katastrophe. Auf Pompejis größtem Platz steht das Forum, der einstige Mittelpunkt der Stadt, 142 Meter lang, 38 Meter breit, ausgelegt mit hellem Travertin, an drei Seiten von Säulenhallen umschlossen. Im Süden stehen die marmorverzierten Villen der Ratsherren, und im Norden erhebt sich der Jupitertempel, die größte und schönste der Kultstätten

Pompeji war reich, ein Handelsort unter römischer Herrschaft – es hatte sechs Tempel, drei Thermen, zwei Sportplätze, ein Amphitheater, unzählige Restaurants und Bäckereien. Eine Stadt, die 66 Hektar Land einnahm, mehr als heute der Vatikan, und in der rund 20.000 Menschen lebten. Über den Platz schlendern nur wenige Menschen, sie schauen auf den verfallenen Portikus, auf brüchige Mauern, auf die Überbleibsel vom Gebäude der Wollhändler:innen. Wir geben Einblick in die Vergangenheit Pompejis – und Tipps für den Besuch.

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Pompejis Katastrophe: Als der Vesuv explodierte

Pompeji und der Vesuv im Hintergrund © iStock/dbvirago
Am 14. August des Jahres 79 n. Chr. explodierte der Vesuv und begrub Pompeji unter sich.

Wer geradeaus blickt, hinweg über die Ruinen des Jupitertempels, seine verstümmelten Säulen und den angebröckelten Ehrenbogen, kann den Auslöser dieses antiken Dramas ringsum sehen. Den Grund für Pompejis Untergang. In der Ferne leuchtet im warmen Sonnenlicht der Vesuv, ein majestätischer Kegel ohne Spitze, 1.281 Meter hoch, für manche Wissenschaftler:innen der gefährlichste Vulkan der Welt. Gefährlich, weil in seinem Innern noch immer die Lava brodelt, gefährlich, weil sich genau darunter zwei Kontinentalplatten übereinanderschieben, die den grauen Berg jederzeit zum Bersten bringen könnten. Gefährlich auch, weil in seiner Nähe zu viele Menschen leben, alleine im nahen Neapel fast eine Million. 

Am 14. August des Jahres 79 explodierte der Vesuv und begrub Pompeji mit allem, was der Berg herausspuckte. Zuerst bebte die Erde, dann schoß eine gigantische Aschesäule in den Himmel, fast 30 Kilometer hoch. Der Himmel, zuvor sommerblau, färbte sich schwarz wie die Nacht, durchzuckt von gelben Blitzen. Dann ließ der Berg Millionen kleiner Steine hageln, später Bimssteine, faustgroße, glühend heiße Geschosse. Endlos rieselte dunkle Asche hernieder. Irgendjemand ritzte in den Stunden des Untergangs noch zwei Wörter in eine Hauswand: „Sodoma Gomora“. Sodom und Gomorrha. Wie die biblischen Städte, die Gott in seinem Zorn mit Feuer und Schwefel vernichtete. 

Keine 18 Stunden nach Ausbruch des Vulkans war Pompeji verschwunden. Die antike Stadt lag sieben Meter tief unter Stein und Asche begraben, Häuser und Tempel, Theater, Gemälde und Mosaike, Reliefs und Inschriften. Ebenso 2.000 ihrer Bewohner:innen, denen die Flucht nicht gelang. 

Pompejis ungebremster Zerfall

Ruinen von Pompeji, Vesuv im Hintergrund (Luftaufnahme) © iStock/Simon Skafar
Pompeji ist heute eine vielbesuchte archäologische Stätte und UNESO-Weltkulturerbe.

Von Asche umschlossen, blieb nur das Skelett in einem erstarrten Hohlraum zurück. Mitte des 19. Jahrhunderts füllten italienische Archäolog:innen die Formen mit Gips auf, damit die Nachwelt erahnen kann, was den Unglücklichen im letzten Moment ihres Lebens widerfuhr.

Damit klingt ganz leicht Pompejis zweite Katastrophe an. Seit Archäolog:innen 1748 begannen, die Stadt auszugraben, seit sie ihre Schätze Schicht für Schicht ans Licht brachten, ist sie dem Verfall preisgegeben. Schon Johann Gottfried Seume, der deutsche Dichter, notierte entsetzt, „dass die alten schönen Wände so durchaus mit Namen bekleckst sind“. Das war 1802. In den folgenden zwei Jahrhunderten wurde es nicht besser. 

Die Sonne bleichte die berühmten Inschriften aus, der Regen spülte Mauern und Häuser weg, die Mafia hatte die Gewerkschaft der Fremdenführer:innen im Würgegriff. Zwar erklärte die UNESCO Pompeji 1997 zum Weltkulturerbe, doch es fehlte weiterhin an Wachpersonal und Kameras, von 40 Häusern konnten nur vier besichtigt werden und streunende Hunde schnüffelten durch die Gassen. 

Ein Direktor ließ für acht Millionen Euro das Zuschauerrund des Alten Theaters betonieren und Umkleideräume und Kammern für Musikinstrumente bauen. Danach spielte ein Jugendorchester Beethovens Fünfte, also exakt ein Konzert – und das war’s. Der Fall beschäftigt heute noch die Staatsanwaltschaft. Und dann brach 2010 die alte Gladiatorenschule krachend zusammen. 

Das „Große Projekt Pompeji“: Erhalt der antiken Stadt

Italien, Pompeji im Sonnenuntergang © Canmandawe/Unsplash
Mehr als 100 Millionen Euro wurden für den Erhalt der antiken Stätte Pompeji aufgebracht.

Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano sprach daraufhin von einer „nationalen Schande“. Die EU startete das „Große Projekt Pompeji“: 105 Millionen Euro für den Erhalt der antiken Stadt. Seitdem herrscht Linderung, Pompejis Notstand gilt heute als beendet. Gerüste stützen Mauern und Häuser, die Gladiatorenschule wurde unlängst wiedereröffnet. 

Und nach wie vor tauchen aus der Tiefe Pompejis zahlreiche Schätze auf. In einem Tunnel, den Grabräuber:innen vor langer Zeit gebuddelt hatten, entdeckten Archäolog:innen ein Pferd mit der Schulterhöhe von 1,50 Metern. Bei Arbeiten in den Zentralthermen fand man das Skelett eines wahrscheinlich acht Jahre alten Kindes. Und in einer eher abgelegenen Region der Stadt stießen die Expert:innen auf ein „Thermopolium“, ein Straßenlokal. Darin ein Fresko, das Zeus, den Göttervater, in Gestalt eines Schwanes zeigt, wie er Leda verführt, die Tochtes des Königs Thestios. Massimo Osanna, einstiger archäologischer Direktor in Pompeji, sagte begeistert, dass die Stadt noch längst nicht alle seine Schätze preisgegeben habe. „Es wird Generationen dauern, um alles auszugraben.“ 

Durch Pompejis Straßen drängen am Mittag Tausende Tourist:innen. Vor manchen Häusern bilden sich Schlangen, weil Sicherheitsleute ihr Betreten portionieren. Über die blankgetretenen Pflastersteine der Via dell’Abbondanza, Pompejis Hauptstraße, schieben sich die Menschen. Der Führer einer Reisegruppe erklärt konzentriert die einzelnen Phasen des Vulkanausbruchs, ein junger Mann erklimmt einen Säulenrest, ein Wachmann brüllt: „Nein, nein, komm da runter!“ Erst noch aber formt der Kletterer seine linke Hand zum Victory­ V, während die rechte den Auslöser des Smartphones drückt. In der Ferne, von einem weißen Wolkenband umschwebt, hockt lauernd der Vesuv.

Tipps für Pompeji: Rundgang ab der Porta Marina

Pompeji in Italien © Unsplash/Yaopey Yong
Auf den Spuren früherer Zivilisationen: Die Ruinen von Pompeji

Die Ruinenstadt ist in einer halben Stunde vom Hauptbahnhof in Neapel (Piazza Garibaldi) mit der Regionalbahn Circumvesuviana zu erreichen. Starten Sie in Pompeji am besten am Eingang Porta Marina nahe dem Bahnhof, wo Sie auch einen der kostenlosen Lagepläne für einen Rundgang erhalten. Auf dem Gelände der alten Stadt versammeln sich heute mehr als 3.000 Gebäude und Kultstätten: Unbedingt sollten Sie sich das Haus des Faun (Regio VI) anschauen, einst die größte Villa der Stadt mit mehr als 40 Zimmern. 

Genauso sehenswert ist das in der Nachbarschaft gelegene Haus der Vettier mit seinen berühmten Wanddekorationen. Fehlen sollte bei einem Pompeji-Besuch auch nicht die „Terme Stabiane“, die einen guten Einblick in das Wesen der öffentlichen Bäder im Römischen Reich gibt, und das Amphitheater. 

Tipp: Tragen Sie festes Schuhwerk und nehmen Sie ausreichend Wasser mit. Auf dem Gelände gibt es zwar ein Café und ein Restaurant, die Schlangen dort sind aber ziemlich lang. 

Top-Sehenswürdigkeit in der Umgebung: Archäologisches Nationalmuseum

Wollen Sie wirklich jedes Exponat sehen, das im „Archäologischen Nationalmuseum“ in Neapel auf einer Fläche von fast 12.000 Quadratmetern präsentiert wird, brauchen Sie mindestens einen Tag, um sich durch alle Ausstellungsräume zu arbeiten. Wer nicht so viel Zeit hat, aber trotzdem einen Eindruck von den Entdeckungen in Pompeji bekommen möchte, sollte sich auf jeden Fall die Römische Mosaikabteilung anschauen. Hier ist die berühmte, aus rund 1,5 Millionen Steinchen bestehende Schlacht zwischen Alexander dem Großen und Persiens König ausgestellt, die aus dem Haus des Fauns in Pompeji stammt. 

Fresken und Figuren mit erotischen Darstellungen, ebenfalls überwiegend aus Pompeji, sind im Gabinetto segreto, dem Geheimkabinett, zu sehen: Riesige Phalli schmücken die Wände, Statuen, Malereien und Alltagsgegenstände zeigen erotische Motive. Züchtiger geht es dann wieder in der ersten Etage des Palazzo zu: Hier lassen sich unzählige Fresken aus dem Isis-Tempel in Pompeji betrachten.

Sehenswürdigkeit bei Pompeji: Siedlung Stabiae

Die römische Siedlung Stabiae erlitt das gleiche Schicksal wie das knapp fünf Kilometer südwestlich gelegene Pompeji: Sie versank beim Vulkanausbruch des Vesuvs unter einer meterdicken Aschewolke. Ausgegraben wurden hier neben bäuerlichen Häusern mehrere Luxusvillen, von denen Sie vor allem zwei genauer betrachten sollten: die Villa Arianna aus dem 2. Jh. v. Chr. mit ihren ornamentalen Wandmalereien und die 11.000 Quadratmeter große Villa San Marco. Beeindruckend sind hier vor allem der Hof, der von Säulenhallen gesäumt wird, und die Thermen, deren Räume sich um ein zweites Atrium schmiegen. Die Wände zieren Bilder von Amor, einem Ringer und Boxern in verschiedenen Posen. 

Nachbarort von Pompeji: Herculaneum

Herculaneum, Italien © iStock/Andrei Vasilev
Auch Herculaneum wurde 79 n. Chr. vom Vesuv verschüttet.

Als der Vulkan Vesuv im Jahre 79 n. Chr. ausbrach, verschwand auch der Ort Herculaneum unter einer kochenden Schlammlawine. Die kleine Stadt, der Sage nach von Herkules gegründet, war einst ein Fischerdorf, das sich nach und nach in eine Villenkolonie verwandelte, bewohnt von wohlhabenden Neapolitaner:innen. 1738 begann man hier mit den ersten Ausgrabungen und fand mehrere Thermen und Villen, die über Terrassen und hängende Gärten verfügten. Zu den berühmtesten Funden zählt das Haus mit dem Neptun-Amphitrite-Mosaik, das groß und farbenfroh den Meeresgott und seine Gemahlin zeigt und heute als Wahrzeichen Herculaneums gilt. 

Darüber hinaus wurde ein römischer Sportplatz freigelegt, das Samnitische Haus mit seinem Atrium voller Stuckverzierungen und Marmorimitaten sowie das Haus der Hirsche, in dem man sogar einen karbonisierten Brotlaib fand. Das prächtigste Haus aber grub ein Schweizer Archäologe 1750 rund 250 Meter außerhalb der Stadt frei: Die Villa dei Papiri, die ihren Namen der griechischen Bibliothek verdankt, die hier entdeckt wurde. Neben den 1.800 verkohlten Papyrusrollen, die auch Schriften des Epikur enthielten, fand man mehr als 80 Bronzeskulpturen. Herculaneum ist mit der Regionalbahn Circumvesuviana vom Hauptbahnhof in Neapel aus zu erreichen. 

Römische und griechische Baudenkmäler in Paestum

Poseidon- und Heratempel in Paestum © iStock/Simon Skafar
Hier zu sehen: der Poseidon- und der Heratempel in Paestum.

Von der rund 100 Kilometer südlich von Neapel gelegenen Ruinenstadt Paestum ist bis heute nur ein kleiner Teil freigelegt. Aber der hat es in sich: Innerhalb der knapp 5.000 Meter langen Stadtmauer versammeln sich Baudenkmäler aus griechischer und römischer Zeit. Besonders die drei als Hera-, Ceres- und Jupiter-Tempel bekannten Monumentalbauten gelten als Höhepunkte dorischer Baukunst. Außerdem sind das Amphitheater und das Comitium erhalten, Letzteres war der Versammlungsort für die Bürger der Stadt. Neben dem Haupteingang im Norden zeigt das „Museo Archeologico Nazionale“ erstaunliche Funde der antiken Stadt – etwa die Metopen (der Zierraum im Fries der dorischen Tempel) vom Hera-Tempel und Grabplatten von Nekropolen außerhalb der Stadt, die aufwendig bemalt sind. 

Herrschaftliches Anwesen: Villa von Oplontis

Wandmalereien in der Villa von Oplontis, nahe Pompeji © iStock/Angelafoto
Wandmalereien in der Villa von Oplontis bei Pompeji

Mehr als 90 Zimmer, ein gigantisches Bad, Speisesäle für jede Jahreszeit, ein riesiges Schwimmbad: Die Villa von Oplontis ist ein 3.000 Quadratmeter großes Anwesen kaum vorstellbarer Pracht nahe Pompeji. Vor allem ist sie gut erhalten, denn das Gebäude aus dem 1. Jh. v. Chr. wurde erst 1964 entdeckt. 

Die Fresken im monumentalen Atrium erinnern an Gemälde der Renaissance, die Wände glänzen in Gold und Rot, überall sind aufwendig gemalte Gesimse, Treppen und Scheintüren zu sehen, die sich – je nach Blickwinkel – in raffinierten Effekten verschieben. In einem Salon zeigen die Wände gelbe Quitten in Glasschalen, Birnen in einem Korb, Vögel, die an Früchten picken. Der luxuriöse Palast soll Poppaea gehört haben, der Frau von Kaiser Nero, die, wie Tacitus berichtet, im Jahr 65 n. Chr. starb – hochschwanger, nach einem Fußtritt ihres Gemahls. 

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