Kilian Schönberger im Interview: Die schönsten Orte in Deutschland – und wie man sie einfängt

In der Aufmerksamkeitsökonomie von Social Media gehen die stillen, leisen Momente oft unter – die plakativen Motive, häufig sowieso schon populär, werden noch bedeutender, sagt Landschaftsfotograf Kilian Schönberger im Interview mit Merian. Tatsächlich: In der schnelllebigen Welt, in der wir leben, die Ruhe des Moments einzufangen und Landschaften für sich sprechen zu lassen, ist eine Kunst, die nur wenige beherrschen. Kilian Schönberger ist einer von ihnen. Wir haben mit ihm über seine liebsten Motive und Orte in Deutschland gesprochen; außerdem gibt er Tipps für außergewöhnliche und stimmungsvolle Landschaftsfotos.

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Merian: Du hast dir vor allem durch Waldfotografie einen Namen gemacht, warum gehören gerade Wälder zu deinen Lieblingsmotiven?

Kilian Schönberger: Das Interesse an Wäldern war mir wohl ein Stück weit in die Wiege gelegt. Ich bin direkt an einem relativ großen Waldgebiet, dem Tännesberger Forst in Ostbayern, aufgewachsen. Früher war der Wald unser Abenteuerspielplatz – heute ist er mein Arbeitsplatz. Wälder faszinieren mich deshalb, weil sie erkundet werden wollen. Mit jedem Meter ändert sich der Blickwinkel. Weite, offene Landschaften verbergen Geheimnisse weitaus schlechter. Auch der Rhythmus der Jahreszeiten ist in Wäldern besonders gut nachvollziehbar.

Du beziehst Dich in Deinem neuen Buch auch ganz speziell auf das Thema Einsamkeit – wie auch Caspar David Friedrich. Ein Thema, das oft eher negativ konnotiert ist. Wie stehst du dazu?

Ich habe mir schon früh Gedanken über die Einsamkeit gemacht und kam zu dem Schluss, dass das Erleben von Einsamkeit sehr von der Umgebung abhängig ist. Wenn ich allein in der Wildnis unterwegs bin, erlebe ich diese Einsamkeit als etwas sehr Positives. Ich nehme die Natur um mich herum mit allen Sinnen viel intensiver wahr, als wenn ich mit anderen Menschen unterwegs bin. Andererseits kann Einsamkeit auch schmerzhaft sein, gerade wenn jemand eigentlich von Menschen umgeben ist, aber keinen Kontakt oder Zugang zu ihnen findet. Im urbanen Kontext hat Einsamkeit oft diese eher negative Konnotation.

Was denkst du, wie verändert Social Media unsere Wahrnehmung von Fotos?

Wir werden heute mit viel mehr visuellen Inhalten konfrontiert als noch vor wenigen Jahren. In dieser Aufmerksamkeitsökonomie gehen die stillen, leisen Momente oft unter. Die plakativen Motive, häufig sowieso schon populär, werden noch bedeutender. Die Betrachtungszeit des einzelnen Bildes ist auch kürzer geworden. Das Anzeigemedium hat großen Einfluss auf die Wahrnehmung, aber auch auf die Präsentation von Bildmotiven. In einem Din-A4-Magazin entfalten ganzseitige Fotos eine andere Wirkung als auf relativ kleinen Smartphone-Displays.

Worauf achtest du bei der Motivauswahl?

Für mich sind die Bedingungen fast noch wichtiger als das Motiv. Nur bei besonderen Wetterstimmungen wie Nebel kann ich meine Bilder in Szene setzen. Die Herausforderung ist, bestimmte Motive gezielt bei einzigartiger Atmosphäre festzuhalten. Das gelingt durch akribische Planung und Vorbereitung mit Wetterberichten, dem Sonnenstand und vielem mehr. 

Drei Tipps für bessere Fotos?

Erstens: morgens fotografieren. Zweitens: Fotografiert bei besonderen Wetterbedingungen. Und drittens: Man sollte sich Zeit nehmen – oft dauert es etwas, bis sich eine wirkungsvolle Komposition erschließt. 

Eine Frage für die Foto-Nerds unter uns: Welches Equipment nutzt Du?

Normalerweise bin ich momentan mit folgender Ausrüstung unterwegs: 

• Kamera: Nikon z7II 
• Objektive: Nikon 14-30mm F4, 24-120mm F4, 100-400mm F5.6. 

Das Equipment ist insgesamt leicht genug für Bergwanderungen, aber trotzdem wird von Weitwinkel bis Tele alles abgedeckt.

Sag mal, wo ist Deutschland eigentlich am schönsten? Kannst du uns drei Orte nennen?

Puh, schwierig. Ich konnte mich eigentlich für jede Region begeistern und habe auf meiner Location-Karte über 12.000 Motive in Deutschland markiert. Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, da sich das auch kontinuierlich verändert. Denn ich kann mich ständig für neue Landstriche begeistern. Daher nenne ich vielleicht lieber drei Erlebnisse, die man unabhängig von der Region relativ einfach erleben kann:

• ein Spaziergang bei Regen oder Nebel durch einen herbstlichen Laubwald
• ein Sonnenaufgang auf einem Mittelgebirgsgipfel
• eine Nachtwanderung in einer sternenklaren Nacht mit 15-minütiger Pause in der Dunkelheit – ohne Handy oder andere Lichtquellen 

Welches deiner Fotos bedeutet dir besonders viel und warum? 

„Der Weg ins Licht“. Das Motiv ist ein Klassiker in meinem Portfolio. Aufgenommen wurde es in Ostbayern in der Nähe meines Heimatortes Tännesberg. Als Kinder kletterten wir häufig auf den Felsen herum. Nur ein einziges Mal erlebte ich dort diese Lichtstimmung.

Deutschland hast Du inzwischen ausgiebig fotografiert. Welches Ziel fehlt noch im Fotoalbum?

Ab nächstem Jahr werde ich den Fokus etwas mehr auf Fotoreisen legen. Asturien in Spanien, Madeira, die Kanarischen Inseln – aber auch Ziele in den Alpen wie die Dolomiten – rücken dann in den Fokus. Natürlich kommen deutsche Landschaften auch weiterhin nicht zu kurz… 

In seinem neuen Buch „Lockruf der Einsamkeit. Eine fotografische Sehnsuchtsreise auf den Spuren von Caspar David Friedrich“ zeigt Landschaftsfotograf Kilian Schönberger auf 192 Seiten stimmungsvolle Fotografien, die vielfach an die Gemälde des bedeutenden Malers Friedrich erinnern. Leitmotive wie die Einsamkeit spielen bei beiden Künstlern eine große Rolle, ebenso friedliche Landschaften und nebelumwobene Wälder. In „Lockruf der Einsamkeit“ werden die Gemeinsamkeiten von Schönberger und Friedrich veranschaulicht; zu den Fotos und Gemälden gibt es zahlreiche weiterführende Infos. 

Sprache: Deutsch

Erschienen am: 2. November 2023

Erschienen bei: GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH