Nirgends wimmelt es so von seltenen Tieren und Pflanzen, gibt es so viele einzigartige und spektakuläre Landschaften: unterwegs in den Nationalparks von Sri Lanka.
Wer vor den Toren des Yala Nationalparks im Süden Sri Lankas ins Hotel eincheckt, ist bereits mittendrin in der Wildnis: Wegen streunender Elefanten, Wasserbüffel und Wildschweine dürfen Gäste nur mit Begleitung zum Bungalow laufen. Auf der Terrasse bittet ein Riesenhörnchen mit großen Knopfaugen nach Futter. Die Nachtruhe beendet eine Horde Affen, die auf dem Dach des Bungalows tobt, und tatsächlich steht im Morgengrauen vor der Terrasse ein Wasserbüffel. Am Pool trinkt eine Affenfamilie unbeeindruckt von einer Rotte Wildschweine, die durch die offene Lobby weiterzieht, in der die Streifenhörnchen unter den Tischen lauern. Über die Zufahrt schlängelt eine Königskobra. Aber dies ist nur das Vorspiel. In langen Reihen warten die Jeeps mit Touristen vor Sonnenaufgang vorm Eingang zum Nationalpark wie vor dem Hamburger Elbtunnel zur Rushhour.
In dem weitläufigen Park mit seinen riesigen Grasflächen, mit grünem Dickicht und pittoresken Felsen verliert sich die Menge der Fahrzeuge allerdings schnell. Wer genau hinschaut, sieht nichts als Tiere: dünne Baumnattern, Hasen, Wildschweinrotten, Fischadler, Papageien, Sittiche und bunte Bienenfänger, Mangusten, Schmetterlinge, Affenhorden, behäbige Warane und schnelle Eidechsen, die allgegenwärtigen heimischen Pfauen sowie die verschiedenen Hirsche vom stattlichen Sambar bis zu den schnellen Axishirschen. An den Lagunen stehen unweit der Krokodile Löffelschnabel, Reiher, Ibisse sowie Bunt-, Klaffschnabel-, Groß- und Wollhalsstorch.
Mit dieser hinreißenden Tierschau ist es schlagartig vorbei, wenn der Leopard aufkreuzt. Die Führer und Fahrer verständigen sich blitzschnell per Handy, und innerhalb von Sekunden sammeln sich die Jeeps auf dem staubigen Weg, wo eben noch die Großkatze schnürte. Dann beginnt das große Lauern und Rasen.
Die Parzelle wird umkreist, denn irgendwo muss das Tier wieder aus dem Dickicht kommen, und meist tut der Leopard den Touristen den Gefallen. Genauso belauert werden die rund 200 Elefanten des Parks, die man öfter hört als sieht. Krachend verspeisen die Dickhäuter einen jungen Baum, während die Jungtiere possierlich mit dem Essen spielen und sich gegenseitig Grashüte auf dem Kopf arrangieren.
Auf einer Fläche so groß wie Bayern vereint Sri Lanka ungewöhnlich viele verschiedene Landschaften – jede einzelne spektakulär und einzigartig. Korallenriffe und Nebelwald, Mangrovenhaine und Hochlandsavannen, Salzmarschen und Regenwälder beherbergen eine solche Vielzahl von Lebewesen, dass es für einen ganzen Kontinent reichen würde.
Allein 50 der heimischen Schlangenarten sowie 70 weitere Reptilienarten gibt es nur hier. Auch von den Fröschen, Hunderten Süßwasserfischen und Vögeln sind die meisten endemisch, sowie über 3000 Pflanzen. Sollten sie hier aussterben, wären sie für immer von der Erde verschwunden. So weit, so typisch für eine tropische Insel. Ganz inseluntypisch aber sind die großen Säuger. Nirgends sonst auf der Welt sieht man so gut so viele wilde Elefanten. Auch die Leoparden lassen sich hier weltweit am besten beobachten, und sogar dem scheuen Lippenbären kann man begegnen.
Wer im Süden Sri Lankas reist, ist deshalb nicht einfach unterwegs, sondern auf der Pirsch nach diesen Big Three. Die Touristen am Yala Nationalpark begrüßen sich mit „Und? Haben Sie ihn gesehen?“ Und fast jeder berichtet mit leuchtenden Augen von seiner Begegnung mit dem Leoparden. Fotos werden verglichen: eine gefleckte Schwanzspitze, die im Unterholz verschwindet, die eleganten Katzen lasziv auf einem Felsen dösend, Leopardenmutter und Kind auf staubiger Straße vor einem Jeep voller Touristen.
Rund 100 Kilometer nordwestlich machen sich die Leoparden rar, dafür sind Elefanten keine seltene Attraktion mehr. Im Uda Walawe Nationalpark leben 600 von ihnen auf einem Viertel der Fläche von Yala. In der Savanne hört man bald auf, die Herden zu zählen, die man im Schatten dösen sieht, die gewaltigen Einzelgänger-Bullen, die in einer Pfütze auf dem Weg ein ausgiebiges Schlamm- und Staubbad nehmen, die halbstarken Elefantenkinder, die ihre zahlreichen Tanten necken.
Über dem weiten Busch- und Grasland segeln majestätisch Schlangen- und Fischadler. Damit die Elefanten nicht weiterziehen müssen, sondern immer genug Wasser finden, wurden viele künstliche Seen aufgestaut, in denen tote Bäume stehen – mit perfekten Nisthöhlen für die vielen Papageien. 210 Vogelarten kann man hier beobachten, endemische, einheimische sowie Zugvögel, die aus Indien vorbeikommen.
Die allermeisten erlebt man im Sinharaja-Regenwald im Südwesten Sri Lankas. Das große Waldgebiet ist seit 1988 UNESCO-Weltnaturerbe. Der namengebende Ceylonlöwe (Sinha) ist zwar in prähistorischer Zeit ausgestorben, und das Biosphärenreservat wurde nur deshalb nicht abgeholzt – wie der Rest des Regenwalds auf der Insel –, weil die steilen Hänge schwer zugänglich sind. Sri Lanka hat 95 Prozent seines Waldes verloren, die Briten verwandelten ihn in Plantagen, er wich Siedlungen, Straßen und wurde zur Tropenholzgewinnung gerodet.
Trotzdem überwältigt Sri Lanka mit seiner Natur. Das kleine Land hält sich einfach an keine ökologische Regel. In den isolierten Waldflecken, in denen Arten normalerweise gefährdet sind, entwickeln sich womöglich sogar neue Arten. Bei einer Froschsammelaktion wurden 2002 über 100 neue Arten entdeckt. Als die Waldgebiete noch zusammenhingen, waren es möglicherweise weniger. Sri Lanka gehörte auch früher schon zu den sogenannten Hotspots der Artenvielfalt, weil hier auf kleiner Fläche unverhältnismäßig viele Tierarten leben.
Sri Lanka: Frösche mit Fransen und schwimmende Schlangen
Ganz anders bei den Bäumen. „Sinharaja ist einer der wenigen noch ungestörten Wälder, deshalb ist er für uns interessant“, sagt Thorsten Wiegand vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Gemeinsam mit einem internationalen Team analysiert er die Artenzusammensetzung tropischer Wälder – und wieder fällt Sri Lanka aus dem Rahmen: In einem vergleichbar immerfeuchten Wald in Ecuador zählten Forscher 1114 Baumarten, im Sinharaja-Regenwald dagegen nur 204. „Das liegt an der Geschichte“, sagt Wiegand, „vor mehr als einer Million Jahren war es in Indien und Sri Lanka so trocken, dass viele Baumarten ausstarben.“ Dem Besucher zeigt sich diese Besonderheit des sri-lankischen Regenwaldes nicht. Was man sieht, sind gewaltige Baumfarme und Brettwurzeln und viele, viele Tiere.
Wer genau und geduldig auf den Boden schaut, wird eine Vielzahl unauffällig brauner Frösche entdecken. Manche mit spitzen Schnuten, andere mit Fransen an den Gliedmaßen. Auf Ästen sitzen verschiedene Eidechsen. Schmetterlinge in allen Größen und Farben tanzen in den Sonnenflecken, Wasserschlangen schwimmen elegant in Tümpeln. Doch die Vögel stehlen allen die Schau. Allein zwölf Nachtschwalben-, Eulen- und Froschmaularten kann man hier an einem Tag zu sehen bekommen, Raritäten und absolute Neuheiten wie die endemische Zwergohreule, die erst 2001 entdeckt wurde.
Zwar wird die Artenliste für Sri Lanka mit jeder biologischen Exkursion länger, doch geraten auch zunehmend einzigartige Exoten auf die Liste der bedrohten Arten. Die zwölf Nationalparks und 52 Schutzgebiete sollen zwar die wichtigsten Ökosysteme bewahren, doch Umweltschützer sehen die staatlichen Institutionen kritisch. Tatsächlich scheint in den Nationalparks der Verkauf der teuren Eintrittskarten oberste Priorität vor dem Naturschutz zu haben. „Die Parks werden nur verwaltet, aber nicht kompetent betrieben“, meint Ravi Corea. Der 48-jährige Biologe aus Colombo begann bereits während des Studiums ein Projekt, das ein friedliches Zusammenleben von Elefanten und Menschen ermöglichen sollte. Die gewaltigen Elefantenherden verwüsten nicht nur jedes Reisfeld und jede Plantage, durch die sie ziehen, sie trampelten auch Dörfer nieder und töteten Menschen.
70 Prozent der geschätzten 6000 Dickhäuter leben außerhalb der Nationalparks und machen den Menschen Platz und Pflanzen streitig. „Im Nordwesten der Insel gibt es immer noch Elefanten, die sofort angreifen, wenn sie einen Menschen sehen. Sie sind zu oft mit Fackeln und Geschossen verjagt worden.“ Corea stellt entlang der Pfade der Elefanten gewaltige Elektrozäune auf, die Elefanten auf verträgliche Weise umleiten – zur Sicherheit von Mensch und Tier.
Mit der von ihm gegründeten Sri Lankan Wildlife Conservation Society versucht Corea, Dorfbewohner für Artenschutz zu interessieren und Regierungsorganisationen mit ins Boot zu holen – vergebens. „Ich bin total frustriert. Und wir haben so viel zu verlieren! Den Nebelwald und die Wale, die Trockengebiete, die Mangroven – Sri Lanka ist ein Kontinent auf einer Insel, zudem hat der Tsunami gezeigt, wie verletzlich sie ist.“
Kein Tourist wird die allgegenwärtigen Holzstapel an den Straßen übersehen, Lager der emsigen staatlichen und damit legalen Holzfällerei. Das Tropenholz Bangkirai in unseren Baumärkten stammt oft aus Sri Lanka. Und dennoch überwiegt der Eindruck einer tropisch üppigen Idylle. Wenn in den Horton Plains die mächtigen Sambarhirsche an kühlen Abenden hinter den Rhododendronbäumen herauskommen und in großen Rudeln äsen, wenn der Teufelsvogel, der Nepaluhu, unheimlich schreit, bevor er lautlos über die Ebene gleitet, scheint die Welt in Ordnung. Dass wenig Forschung und Tierschutz betrieben wurde, wird gern mit dem Bürgerkrieg begründet.
Tatsächlich stammt viel wertvolles Wissen noch aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft: Im botanischen Garten bei Kandy zeigt das viktorianische Orchideenhaus vorbildlich die Schönheit der 170 heimischen Orchideenarten – von denen 74 endemisch sind. Gesammelt und erfasst wurden sie von britischen Botanikern im 19. Jahrhundert. Dass die Natur Sri Lankas größte Touristenattraktion ist, könnte sie retten. An Land hat sich die Natur erstaunlich schnell vom verheerenden Tsunami erholt, die Korallenriffe sind zwar noch lädiert, doch immer noch bunt und schön – so wie es der Kunde wünscht. Immer mehr Hotels werben mit ökologischen Standards, bieten naturkundliche Führungen an, die mit Glück gut sein können, und arbeiten am Bild der intakten Inselnatur.
Im Jahr 2010 gelang Forschern der Zoological Society of London in den Horton Plains ein Sensationsfoto: Der endemische Rote Schlanklori, ein kleiner nachtaktiver Primat, war wieder aufgetaucht. Nachdem Briten ihn 1937 entdeckt hatten, wurde er fast 70 Jahre lang nicht mehr gesehen und galt als ausgestorben. Für Forscher wie für Touristen gibt es auf Sri Lanka noch viel zu entdecken.
INFO NATIONALPARKS SRI LANKA
Zwölf Nationalparks und 52 Schutzgebiete zählt Sri Lanka. Hier vier Parks, die wir besonders empfehlen.
Yala
Hier sieht man Elefanten, Hirsche, Wildschweine sowie die dichteste Leoparden-Population der Welt. Eine Jeep-Safari durch Monsunregenwald, Mangroven und Buschland ist morgens und nachmittags lohnend. Fahrer am besten am Vortag buchen.
Sinharaja Forest
Der letzte primäre Regenwald Sri Lankas ist bergig und nur zu Fuß zu passieren. Ein Muss für Vogelfreunde. Viele endemische Arten. Man braucht ein Fernglas und Geduld. Exzellente Guides bucht man am Parkeingang.
Horton Plains
Im kühlen Hochland sollte man in der Frühe eine Wanderung zum „World’s End“ machen, einem Abhang von 900 Meter, sowie zu den Baker-Wasserfällen. Unterwegs kann man große Rudel Sambarhirsche sehen sowie endemische Hochlandvögel.
Minneriya
Ende Juli bis Mitte August sammeln sich Hunderte Elefanten in den grasreichen Ebenen am Wasserreservoir. Aber auch außerhalb der Trockenzeit sieht man hier verschiedene Hirsche und große Herden endemischer Affen.
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