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Städtereisen

Ausgehen in Frankfurt

David und James Ardinast haben Frankfurts Gastroszene aufgemischt wie kaum jemand sonst. Wir sind mit den Brüdern durch die Stadt gezogen. Tipps und Ideen für eine Nacht in Frankfurt am Main.

Text Tinka Dippel
Datum 28.11.2022

Zwischen den Hochhäusern von Frankfurt am Main sieht man die Wolken nicht kommen, am frühen Abend nimmt die Stadt plötzlich eine Dusche. David und James Ardinast, beide ganz in Schwarz, sitzen schon in der „Bar Shuka“, als der Regen draußen auf die Straße prasselt. Die beiden sind pünktlich für unsere Tour durch die kommende Frankfurter Nacht, sie geben die Route vor, und niemand könnte das besser. 

Seit mehr als 20 Jahren sind sie zwei enorm kreative Motoren der Frankfurter Bar- und Restaurant-Szene. Das „Maxie Eisen“, weit über die Stadt hinaus berühmt für sein Pastrami, war ihre Idee, ebenso das edle „Stanley Diamond“ – und die „Bar Shuka“, das Restaurant, in dem wir uns treffen. Während David noch dem Regen zusieht, fängt James sofort an zu erzählen.

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Bar Shuka

© Anja Jahn

„Wir hatten schon lange das Bedürfnis, ein authentisches israelisches Restaurant aufzumachen“, sagt er. Seit Ende 2018 gibt es die „Bar Shuka“ – „Shuk“ ist hebräisch für Markt. Die Inspiration dafür holten sie sich in Tel Aviv, wo ihr Vater seit 20 Jahren wieder lebt. Früher hat der Vater selbst in Frankfurt diverse Burgerläden betrieben, Gastronomie war bei David und James immer präsent. „Sie war aber nie unser Plan“, sagt James. „Und wir haben uns auch nie als reine Gastronomen gesehen.“ Ihre Gedanken gehen weit über Menükarten, gute Zutaten und Restaurant-Styling hinaus. Sie sind die Enkel von Holocaust-Überlebenden, das Weltgeschehen spielte bei ihnen immer eine Rolle.

Beide sind jetzt über 40, selbst Väter, sie sagen von sich selbst, dass sie immer bewusster leben. Es gibt in der „Bar Shuka“ auch Fleisch und Fisch, aber wir starten vegetarisch mit den zu Recht viel gerühmten Falafeln, dazu Auberginen-Carpaccio mit Linsen-Chips und Granatapfelkernen. Die Küche ist groß und offen, was dort entsteht, sei ein Mix, meint James: „New Tel Aviv cuisine, eine Küche, die keine Grenzen kennt.“ Das Restaurant ist aber auch ein Statement. „Freund“ steht zweimal in Leuchtschrift an der unverputzten Wand, einmal auf Hebräisch und einmal auf Arabisch.

Die Bar füllt sich nun schnell, sie war von Anfang an ein großer Erfolg, 2019 wurde sie mit dem Leaders Club Award für Deutschlands innovativstes Konzept ausgezeichnet. „Wir sind bekannt dafür, dass wir die Leute auch in die interessanten Ecken der Stadt holen“, sagt David und meint damit das Bahnhofsviertel, das lange verrufen war und in dem heute eine ziemlich extrovertierte Drogenszene, eine kreative Bar- und Restaurantszene und eine dynamische Geschäftswelt irgendwie zusammenfließen und sich gegenseitig weitgehend in Ruhe lassen.

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Yaldy

© Anja Jahn

„Mir hat mal jemand gesagt, das Bahnhofsviertel sei wie das Labor der Welt“, erzählt James, als wir die Moselstraße Richtung Main hinunterlaufen, und das finde er passend. Der Regen hat aufgehört, die Front des „Yaldy“ ist zur Straße offen, der Gehsteig dort ist voller Menschen. Die Bar mit guter Küche hat 2020 eröffnet, einer ihrer Macher arbeitete zuvor als Barkeeper in der preisgekrönten „Kinly Bar“ gleich um die Ecke.

Unsere Drinks enthalten Tonkabohne, Grüne Soße und Sesam oder Kokos, Kurkuma, Tequila und Heidelbeere. Wir stehen an einem der hohen Tische direkt an der Straße. Die Ardinasts klatschen sich mit jedem zweiten Menschen ab, das Bahnhofsviertel ist ihr Pflaster. Eine Weile haben sie hier auch einen Club betrieben, „Lido“ hieß er. Die beiden spielen gern mit ihrem zwillingshaften Auftreten. Wer wohl der Ältere ist, die Frage geht an mich und macht ihnen sichtlich Spaß. Weil sie wissen, dass man nur raten kann, die vier Jahre, die zwischen ihnen liegen, sind kaum auszumachen, James ist 48, David 44. Jahrelang haben sich die beiden kaum gesehen. James studierte in Boston Hospitality Administration, David ging nach London und Berlin, arbeitete als Barkeeper und lernte Werbekaufmann.

3

AMP

© Anja Jahn

Allein auf dem fünfminütigen Fußweg zu dieser Bar an der Gallusanlage entdecken die Ardinasts zwei Läden, die sie noch nicht kennen. Frankfurt steht nie still, schon gar nicht hier, wo das Bahnhofsviertel sich in den Schluchten des Bankenviertels verläuft und jede kleine Wolke ihr Spiegelbild auf ein paar Wolkenkratzer wirft, bevor sie weiterzieht.

Unmittelbar vor uns ragen einige der ganz großen Frankfurter auf, der Eurotower, der Commerzbank-Tower, der Taunusturm, der Omniturm. Eine Bar am Fuß solcher Riesen muss sich Verhör verschaffen, „AMP“ steht für Amplifier, Verstärker. Ihr Betreiber hat in Frankfurt Legendenstatus: Ata Macias ist auch Gründer des Technoclubs „Robert Johnson“ in Offenbach und gleicht den Ardinasts darin, dass er alle paar Jahre eine neue Idee lebendig werden lässt. Mit dem „AMP“ hat er einen Kunstraum geschaffen, in dem eine Spiegelskulptur von Tobias Rehberger von der Decke hängt und die Blicke auf sich zieht. Vom Aperitif bis zur wilden Party ist hier alles möglich. Wir bestellen Drinks, die „AMP Wallbanger“ und „Equalizer“ heißen.

4

Emma Metzler

© Anja Jahn

Langsam wird mir klar, dass dies sehr viel mehr ist als ein kulinarischer Rundgang, die Brüder führen mich durch eine von ihnen kuratierte Frankfurt-Ausstellung, von einem Gastro- und Lebenskünstler zum nächsten. Wir gehen über den Main, hier weitet sich die Stadt, hier hat sie in den letzten Jahren an Grün, an Wassernähe und an Lebensqualität gewonnen wie nirgendwo sonst. Am Südufer in Sachsenhausen liegt das Museum Angewandte Kunst mit dem Restaurant „Emma Metzler“. 

2017 hat dort der junge Koch Anton de Bruyn übernommen. Wir probieren von seinen Vorspeisen, etwa marinierten Mozzarella mit Kirschtomaten und Wassermelone oder Rindertatar mit Petersilie-Brotbröseln. Anton weiß von jeder Zutat, woher sie kommt, er backt das Sauerteigbrot selbst – und verarbeitet hier komplette Schweine „nose to tail“. Den Ansatz hat er aus London mitgebracht, wo er im Spitzenrestaurant „The Clove Club“ gekocht hat. Anton ist gebürtiger Frankfurter wie die Ardinasts, auch er war in der Welt unterwegs, und auch er kam zurück an den Main.

5

Antipodean Gelato

© Anja Jahn

Die Stadt entwickelt einen Sog und zieht viele ihrer Kinder wieder nach Hause. Aber sie hält auch Menschen fest, die der Zufall nach Frankfurt geführt hat. Wie die Australierin Rachel Dodoo-Mehl. Wir besuchen sie im Nordend, Frankfurts dichtest besiedeltem Stadtteil. Die Berger Straße, längste Einkaufsstraße der Stadt, führt mitten durchs Quartier, in einer ihrer Seitenstraßen liegt das „Antipodean“, Rachels Werk. 

Sie zog vor fünf Jahren mit ihrem Mann, einem Deutschen, an den Main. Dass sie vom anderen Ende der Welt kommt, soll der Name „Antipodean“ ausdrücken. Ihr Gelato – sie sagt bewusst nicht „Eis“ – macht sie hinter einer Glaswand selbst. Es ist nicht so arg gekühlt wie Eis, cremiger, zuckerärmer, und sie verzichtet auf jede Art von Geschmacksverstärkern, verwendet nur natürliche Zutaten. In Sydney ist das Gelato schon lange sehr beliebt, Rachels Idee, es nach Deutschland zu bringen, hat in Frankfurt sofort funktioniert.

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BKK

© Anja Jahn

Mananya Chantarabamroongs Traum war authentisches Thai-Streetfood in
lockerer Restaurant-Atmosphäre. Am Oeder Weg, am südwestlichen Rand des Nordends, hat sie ihn gemeinsam mit ihrem Mann Chanon Anfang 2020 wahr gemacht. Die Ardinasts und die Chantarabamroongs kennen sich seit Jahrzehnten, Mananyas Schwiegereltern eröffneten 1974 im Bahnhofsviertel das „Bangkok“, es gilt als erstes Thai-Restaurant in Deutschland. David und James sind als Kinder mit ihrem Vater oft dort gewesen, und sie gehen immer noch gerne hin. Inzwischen haben es Mananya und ihr Mann übernommen. 

Das „BKK“, so lautet der Flughafen-Code für Bangkok, ist der Laden, den sie zusätzlich schon lange machen wollten. Es ist ein Gesamtkunstwerk geworden, in dem es zu jedem Detail eine Geschichte gibt. Die Rezepte und die Einrichtung hat Mananya aus verschiedenen Regionen Thailands nach Frankfurt gebracht: schlichte Metalltische, Plastikstühle, handbemaltes Geschirr, riesige Glastöpfe, gefüllt mit Kräuterschnäpsen. Auf unserem Tisch ist bald schon kein Platz mehr, Mananya bringt frittierte Hühnerhaut, Papayasalat, Zitronengras-Bratwurst, scharfes Rinderhack, gebratenen Wasserspinat, Hot Pot mit Tiger Garnelen – und dazu perfekt gekühlte Weiß- und Roséweine. Die würde man in einer Thai-Garküche nicht bekommen, aber sie passen extrem gut zu ihren Kochkunstwerken – von denen wir wesentlich mehr essen als wir eigentlich noch können.

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Pop-up am Opernplatz

Danach spazieren wir ein Stück durch die angrenzende Innenstadt, auch durch die Goethestraße, Frankfurts Adresse für Chanel, Hermès und Louis Vuitton. In einer kleinen Parallelstraße sind die Ardinasts zu Gastronomen geworden. „Unser Großvater hatte gesagt: 'So lange ich lebe, geht in dieser Familie keiner mehr in die Gastronomie'“, erzählt James. Der Großvater starb im Jahr 2000, 2002 zogen die beiden ein Konzept aus der Schublade und eröffneten die „IMA Multibar“, von deren Wraps die Stadt noch heute spricht. 

IMA (Mutter) ist bis heute ihre Dachmarke, inzwischen bringen sie ihre Ideen auch bei anderen Unternehmen ein. Aber die Bar machten sie nach einigen Jahren zu, der Mietvertrag wurde nicht verlängert. Frankfurt ist einer der überdrehtesten Immobilienmärkte des Landes, am Opernplatz zeigen die beiden mir ein gutes Beispiel – auch dafür, welche Zwischenräume sich hier für Gastronomen öffnen. Gegenüber der Alten Oper, die im Krieg zerstört und Ende der siebziger Jahre wieder aufgebaut wurde, an einem der beliebtesten Plätze der Stadt, steht ein riesiges Geschäftshaus leer. 

Der längst beschlossene Abriss wurde immer wieder verschoben. Im Sommer 2020 haben sich verschiedene Restaurantbetreiber zusammengetan, um die Fläche zu nutzen. „Das ist das Schöne hier in Frankfurt, dass viele Gastronomen sich gegenseitig supporten“, sagt David. „Frankfurt wird auch in der Gastronomie langsam zur Metropole.“ Und zwar zu einer, in der man noch viel bewegen könne. Wir sitzen draußen und sehen Menschen zu, die vor der Oper Tango tanzen. Ganz versunken wirken sie. „Als ob es kein Drumherum gibt, das ist untypisch für Frankfurt“, meint David. Und während wir, obwohl wir abgewunken haben, großartige Pasta serviert bekommen – man kennt sich auch hier – erzählen die Brüder, dass sie es in nächster Zeit so machen wollen wie diese Tänzer: sich auf das konzentrieren, was sie gerade tun, eher entschleunigen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie dennoch gerade wieder auf neuen Ideen herumdenken.

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Funky Mr. Salvador

© Anja Jahn

Noch einmal geht es ins Nordend, jetzt zu diesem Restaurant mit Bar, 2020 eröffnet von Duran Özer, auch er ein Frankfurt-Heimkehrer. Er hat für die Ardinasts im „Maxie Eisen“ gearbeitet, davor war er als Schauspieler am Sächsischen Staatsschauspiel in Dresden. „Ein extrem guter Gastgeber“, sagt David, „was er macht, ist fast schon intellektuelle Gastronomie.“ Lange sitzen wir bei Kerzenschein im hinter dem Restaurant versteckten Hinterhof und reden über die Welt nach Corona und den Zauber, den sowohl ein gutes Theaterstück als auch ein guter Abend an einem Ort wie diesem entfalten kann. Duran bringt uns Duroc-Schwein und Pastete zum Teilen, und dass wir es nach diesem Abend noch aufessen, sagt alles über die Qualität. Danach mixt er jedem einen Drink nach Wunsch Beschreibung.

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Bar Marmion

Den Absacker nehmen wir im Ostend, wo beide Ardinasts wohnen. Das einstige Arbeiterviertel rund um den Osthafen liegt jetzt auch nah an der Europäischen Zentralbank und ist selbst für Frankfurter Verhältnisse eines, das sich extrem schnell wandelt. 2019 eröffnete hier das Hotel „Lindley Lindenberg“, und ganz oben liegt diese bis ins kleinste Detail stilvolle Bar – in der wir dann bald auch die letzten Gäste sind. Die Brüder warten, bis mein Taxi kommt, verabschieden sich herzlich und versichern, sie hätten noch mehr zu zeigen. Und es gäbe ja auch noch die Tage in Frankfurt. Ich freue mich auf das, was sie mit ihnen vorhaben.

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