Roadtrip am Tegernsee: Rund um einen der schönsten Seen Bayerns

Mit dem Blyb. zu starten, gibt der Tegernsee-Tour gleich mal ein gutes Motto: „Bleib”, das werden wir sehr oft denken – und dann zum nächsten Ort weiterfahren, der sich ähnlich anfühlt. Das Blyb. Hotel liegt in Gmund, ganz oben im Norden des Sees. 2023 haben Moritz Meyn, Florian Zibert und Maximilian Rampf das historische Haus nach monatelanger Renovierung eröffnet. „Wir wollten einen Ort schaffen, an dem wir selbst gerne abhängen, der hell ist und offen”, sagt Meyn. „Die Leute treffen sich an der Bar, im Biergarten, beim Tischtennis.”
Die Geschichte des Grundstücks reicht bis 1892 zurück und hat auch dunkle Jahre hinter sich: Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 wohnte die Familie von Heinrich Himmler hier. Heute hängt im Restaurant die Strecke „Gayle” des Fotografen und Mitarbeiters Ryan Jacobs, sie gibt Einblicke in das Leben der LGBTQ+- Community in Kapstadt.
Das Blyb. Hotel in Gmund: Ruheoase am Tegernsee

Und dann ist da noch dieser riesige Garten, 17.000 Quadratmeter misst er – viel Platz zum Boulespielen, Pizzaessen und für Yogastunden. Auch die Einheimischen kommen gerne zum Abendessen, auf einen Drink oder zu einem der Events vorbei – Grillabend, Ausstellung, Schafkopfen. Moritz Meyn betreibt in München die Restaurants Mural und Mural Farmhouse, beide sind mit dem grünen Stern ausgezeichnet. Auch im Blyb. sind die Gerichte so regional und nachhaltig wie möglich. Es gibt Sashimi von der Lachsforelle aus dem Schliersee und Carne cruda mit Rindfleisch vom Buchberghof in Bad Wiessee. Das Gemüse liefert der benachbarte Gemüsegarten Waakirchen, die Bio-Eier kommen vom Bauer KoBi aus Gmund.
Auf dem Hotelparkplatz gibt es eine Ladestation für E-Autos, hier lädt unser Kia EV9, ein vollelektrischer SUV, passend zum Tegernsee in Metallic-Blau. Gegenüber vom Hotel liegt das Strandbad Seeglas. Wir schlüpfen in unsere Bademäntel, laufen rüber, springen ins Wasser und sehen im Sonnenuntergang die Umrisse der Berge. Gerade noch ergattern wir danach einen Platz im Blyb. Backhaus. Es gibt frische Holzofenpizza und dazu ein eiskaltes Bier – nicht vom Big Player Tegernseer, sondern von der kleinen Brauerei Hoppebräu.



Guter Grund, im Blyb. zu bleiben: die entspannte Atmosphäre, vor allem rund um das Backhaus.
Kaffee und Kunst in Tegernsee

Mit dem Auto sind es von Gmund in den Ort Tegernsee am Ostufer nur wenige Minuten. Viele Tegernsee-Besucher machen hier gerne eine Pause, der Grund dafür heißt Café Aran. Dieser Ort ist vielen Münchnern ein Begriff, wegen der Filiale in den Fünf Höfen. Das Café am Tegernsee hat 2015 eröffnet, es liegt direkt am Ufer. Aus der hauseigenen Konditorei kommen wahre Kunstwerke, passend zum bis in den letzten Winkel durchdachten Design: Mintfarbene Kaffeehausstühle stehen neben gemütlichen Ledersofas in Cognac, auf einer großen Tafel sind die Getränke, Brote und Specials angeschrieben, daneben werden Coffeetable-Bücher angeboten.
Die Tische im Wintergarten mit Blick auf das Wasser sind schwer begehrt, sonst findet sich auf der Veranda oder im Garten ein schöner Platz. Das Tolle am Aran: Es hält zu jeder Tageszeit das richtige Angebot bereit – Frühstück, Kaffee, Kuchen, eine kleine Brotzeit oder Aperitif. Das Café ist so ein Ort, an dem irgendwie alles stimmt, und gleich nebenan ist es ähnlich: Im benachbarten Park liegt das Olaf Gulbransson Museum.
Gulbransson war ein norwegischer Maler und Zeichner, der als Karikaturist für die Münchner Satirezeitschrift „Simplicissimus“ arbeitete und sich in den 1920er Jahren am Tegernsee niederließ. Der Altbau des Museums, ein Pavillon aus den 60er Jahren, ist in seiner Schlichtheit ein Highlight am Tegernsee. Entworfen wurde er von Sep Ruf, dem Architekten des Kanzlerbungalows in Bonn. Er zeigt eine Auswahl an Ölgemälden und Zeichnungen Gulbranssons. Im Erweiterungsbau finden wechselnde Ausstellungen internationaler Größen wie Chagall, Renoir und Richter statt. Der Tegernsee kann auch Kulturschwergewicht.
Roadtrip am Tegernsee: Der neue Luxus in Rottach-Egern

Auf dem Weg zum nächsten Stopp halten wir beim Sportplatz Point Tegernsee und laufen durch den Park bis zum Strandbad. Und da ist er: der perfekte Postkartenausblick auf Rottach-Egern mit seinem hellgelben Kirchturm. Der Kurort ist für Luxushotels wie das Althoff Seehotel Überfahrt, das Bachmair Weissach und das Parkhotel Egerner Höfe bekannt. Letzteres wollen wir uns genauer ansehen, das Fünf-Sterne-Hotel hat erst vor drei Jahren nach umfassender Renovierung wiedereröffnet. Das Publikum ist jünger geworden. Und im Restaurant Dichter, dem einzigen mit zwei Sternen im Tegernseer Tal, kocht Thomas Kellermann, der schon im Münchner Tantris am Werk war. Sowohl im Restaurant als auch im Mangfall Spa beeindruckt die offene, moderne Architektur. Geblieben ist der grandiose Blick aus dem parkähnlichen Garten auf den Wallberg, den Hausberg der Tegernseer.
Wir übernachten im Haltmair am See, einem echten Familienhotel, das auf eine über 120-jährige Geschichte zurückblickt. Bereits die Urgroßeltern der heutigen Betreiber, die im Hauptberuf noch Landwirte waren, empfingen die ersten Gäste in Fremdenzimmern. Heute hat das Haus 40 Zimmer, außerdem gibt es Ferienwohnungen und -häuser, einen Spa-Bereich mit Saunen und Schwimmbad. Die Highlights sind definitiv der weitläufige Garten mit Obstbäumen und Liegen sowie der Seezugang auf der anderen Straßenseite. Tochter Marie Eham führt uns über das Gelände, die 28-Jährige hat ihr Architekturstudium in Wien beendet und schon einige Projekte umgesetzt. Nicht nur im eigenen Haus, sondern auch im Blyb. Hotel. „Mich interessiert, wie man Räume schafft, die attraktiv sind, die einen Urlaub spannend machen.“ So treffen im Haltmair Terrassenmöbel der dänischen Marke Hay auf das Hirschgeweih vom Papa. Und das Hotel schafft es, die gemütliche Tradition des Tegernsees mit modernen Elementen zu verbinden – und mit familiärem Charme.
Die Oma wohnt im Nebenhaus, manchmal kommt sie auf einen Ratsch rüber in den Frühstücksraum, erzählt Marie. Sie selbst ist im Erdgeschoss des Haupthauses aufgewachsen, dort wohnt die Familie Eham bis heute. Als wir auschecken, schläft Kater Giaccomo ganz gemütlich auf einem Sessel hinter der Rezeption.
Ebenso entspannt wie im Haltmair geht es im gegenüberliegenden Sternerestaurant Haubentaucher zu: Hier kocht Alois Neuschmid in einem ehemaligen Bootshaus. Das ganze Tal kennt „Lois“, wenn wir nach einer Restaurantempfehlung fragen, bekommen wir immer wieder sein Lokal genannt. Der Stern sei ihm gar nicht so wichtig, sagt er. Viel mehr Wert legt er auf frische Ware aus der Region sowie ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis. Das Team versucht, Wild zu vermeiden, und verarbeitet größtenteils Fisch aus den bayerischen Seen. Es darf aber natürlich auch mal eine Garnele oder Kaviar sein! Wer nicht das Glück hat, abends noch einen Tisch für das Überraschungsmenü zu bekommen, kann mittags zum Essen oder nachmittags auf Kaffee und Kuchen vorbeischauen.



Von Bootsverleihen über Sterneküche im Parkhotel Egerner Höfe bis zum Interieur im Haltmair am See: Rottach-Egern ist überaus vielseitig.
Handwerksbetriebe in Kreuth: Tradition am Tegernsee

Kreuth liegt genau genommen gar nicht am Ufer, sondern rund fünf Kilometer südlich davon, der Ort gehört aber zum Tegernsee-Erlebnis – schon allein, weil dort das legendäre Waldfest stattfindet, aber auch wegen zweier besonderer Handwerksbetriebe. Die Erste Kaffeerösterei Tegernsee ist hier seit 18 Jahren ansässig, bis heute ist der Familienbetrieb die einzige Spezialitäten-Kaffeerösterei im Landkreis. An die 40 verschiedene Sorten stehen im Sortiment. Im hinteren Teil des Ladens gibt ein großes Fenster den Blick in die Rösterei frei. Und im Café Felix können Besucher nicht nur Kaffee bestellen, sondern auch Bohnen sowie Zubehör kaufen. Das Publikum ist international, viele Touristen kehren ein und probieren sich durch die Karte: Cold Brew, Espresso Tonic, Iced Latte, Nitro Coffee, Affogato.
Nur einen Steinwurf entfernt liegt die Naturkäserei TegernseerLand, idyllisch inmitten von Wiesen, mit Blick auf die Berge. Hier haben sich die Eltern von Josef Stadler 2007 mit anderen Landwirten zusammengeschlossen, um eine eigene, unabhängige Käserei aufzubauen. Heute sitzt der 28-Jährige selbst im Vorstand. Während er uns durch die Käserei führt, erzählt er: „Unsere Naturkäserei wird von rund 15 Landwirten mit Rohmilch beliefert, der kleinste Betrieb hat nur sieben Kühe! Bayerische Bilderbuch-Landwirtschaft, wie man sie sich vorstellt!“ Das Besondere an Rohmilchprodukten, erklärt er, sei, dass die Milch weder erhitzt noch pasteurisiert wird, dafür muss sie innerhalb von zwölf Stunden zu Käse weiterverarbeitet werden. Dieser reift dann zwischen drei Wochen und zwei Jahren. Im hauseigenen Hofladen werden 20 verschiedene Käsesorten sowie Joghurt, Quark und Trinkmilch angeboten. Bei einer der angebotenen Führungen lernen Besucher jede Menge über die Herstellung von Käse und seine Reifung. Und können es sich danach noch im hauseigenen Biergarten gemütlich machen. Wir setzen uns, genießen die Ruhe und trinken eine Craft-Fruchtmolke mit Marille.
Moderne Restaurantkonzepte in Bad Wiessee

Unsere Reise mit dem Kia führt uns weiter nach Bad Wiessee, wo zwei Restaurants den Sprung in die Neuzeit gemeistert haben. Das Berghotel Sonnenbichl wurde erst vor zwei Jahren von dem Münchner Gastronom Sebastian Walther wiedereröffnet, der zuvor unter anderem im Luxushotel Mandarin Oriental gearbeitet hat. Der historische Wandergasthof erstrahlt heute in neuem Glanz: Rostrote Wände treffen auf waldgrüne Details, Bouclé-Sofas auf Natursteinböden. Die alte Rezeption mit feinen Holzarbeiten wurde taubenblau lackiert, die Sonnenterrasse lädt zu Firmenfeiern, Geburtstagen und Partys ein.
Geblieben ist die einmalige Lage: erhöht am Berg, mit Blick auf den Tegernsee. Nebenan ist der Skilift, ansonsten sind da nur Wald und Wiesen. Zum Essen gibt es Steak-Tatar, Ravioli à la Carbonara, Ceviche und Räuchersaibling – alles neu interpretiert und ein großer Genuss. So wird das Tatar mit Dijonsenf-Kaviar, Röstzwiebeln und Sauerteigbrot serviert, der Saibling kommt mit Roter Beete, Apfel und Kren.
Auf eine lange Geschichte blickt auch das Freihaus Brenner zurück: 2024 feierte das Restaurant 50-jähriges Jubiläum. Bekannt ist es für seine Hummerwochen im November, das bayerische Essen auf hohem Niveau und die Geräumigkeit – perfekt für große Feste wie Hochzeiten oder Taufen. Allein die Almhütte bietet Platz für bis zu 120 Gäste. Drinnen riecht es nach Holz und Regen, es ist so gemütlich, man könnte ewig sitzen bleiben. Da die Wirtsleute keine eigenen Kinder hatten, übernahm der Koch Max Jäger mit seiner Frau Katharina das Restaurant. Zu den Klassikern im Freihaus Brenner gehören natürlich Schweinebraten, Ente und Saibling, auf der wechselnden Karte finden sich aber auch modernere Gerichte wie Kokosrisotto oder Wiener Backhendl. Und wie so oft auf unserer Reise bekommen wir den Kaiserschmarrn ans Herz gelegt: Der ist wirklich fantastisch und die Portion so groß, dass er sich auch als Hauptspeise eignet!
Stopp in Waaskirchen: Eine Erfolgsstory

Bevor wir zu unserem letzten Stopp fahren, halten wir beim Gut Kaltenbrunn im Norden des Sees, laufen ans Ufer, stellen uns ins seichte Wasser. Der Tegernsee erstreckt sich vor uns, wir sehen alle Orte, die wir in den letzten Tagen besucht haben, auch das Strandbad Seeglas und das Alte Wallberghaus. Dann fahren wir noch einmal ins Einzugsgebiet des Sees, diesmal ein paar Kilometer nördlich seines Ufers: zu Markus Hoppe nach Waakirchen. Der junge Brauer hat 2010 Hoppebräu gegründet, anfangs in einer Garage. 2018 eröffnete er dann seine eigene Brauerei, mittlerweile arbeiten dort und im Restaurant mit Biergarten um die 30 Leute. Sehr beliebt sind die Führungen sowie die ganztägigen Braukurse.
Dass die bekannte Brauerei Tegernsee nur wenige Autominuten entfernt liegt, stört den jungen Brauer nicht: „Wir spielen in einer ganz anderen Liga, machen gerade einmal 8.000 Hektoliter Bier. Aber dafür kann ich anhand des Mindesthaltbarkeitsdatums sagen, welches Gerstenkorn von welchem Bauern in jeder Flasche steckt.“ Das Blyb. hat sich gerade für sein Bier entschieden, das passt zum Konzept des Hotels. Und es passt zum Wandel des Tegernsees, der regionaler, jünger, bodenständiger wird.