Auf den Spuren der Kraniche in der Lüneburger Heide

Quietschen der Züge erfüllt die gewaltige Halle des Hamburger Hauptbahnhofes. Hin und wieder durchbricht eine Durchsage das Stimmengewirr entlang der Bahnsteige. An Hamburgs größtem Verkehrsknotenpunkt herrscht an diesem herbstlichen Morgen geschäftiges Treiben. Die Geräusche des Hauptbahnhofes verstummen abrupt, als ich in den ICE 1579 Richtung Uelzen steige. In einem Abteil nehme ich meinen Platz ein und mache es mir mit einem frischen Kaffee aus dem Bordbistro bequem.
Wildtier-Safari mit der Deutschen Bahn: Kranichrast in Niedersachsen

Mit der gemütlich ruckelnden Bahn lasse ich die Hektik der Großstadt hinter mir und tauche langsam in die Weite der niedersächsischen Landschaft ein. Am Fenster ziehen weite Felder, Heidelandschaft, hübsche Flussläufe und herbstlich gefärbte Waldstücke vorbei. Immer wieder wandert der Blick in den Himmel, denn ich bin auf der Suche nach einem einzigartigen Naturspektakel: Von Oktober bis Anfang November ist die Zeit der Kraniche. Zu tausenden ziehen die Vögel über das Land Richtung Süden. Ihre trompetenartigen Rufe erfüllen die herbstliche Luft, oft sind sie schon aus weiter Ferne zu hören.
Kraniche beobachten: Ankunft in der Lüneburger Heide

In der japanischen Kultur gilt der Kranich als Symbol des Glücks. Auf etwas Glück hoffe ich auch, denn das ist bei der Suche nach den Zugvögeln durchaus erforderlich. Nach weniger als einer Stunde Fahrtzeit habe ich mein erstes Ziel erreicht: Ausgangspunkt für den Ausflug und die Suche nach den Zugvögeln ist der berühmte Hundertwasser Bahnhof in Uelzen. Tausende Reisende passieren das außergewöhnliche Gebäude mit seinen bunten Verzierungen und den spannenden Formen täglich. Auch wir sind beeindruckt, wie hier Architektur und Kunst verschmelzen.
Vom Bahnhof geht es nun zu Fuß weiter, mitten in die Natur der Lüneburger Heide, die den ziehenden Kranichen eine ideale Umgebung für die Rast bietet. Vor allem in den Feuchtgebieten der Region fühlen sich die Zugvögel wohl. „Von der Diepholzer Moorniederung in Niedersachsen oder der Mecklenburgischen Boddenküste fliegen die Kraniche weiter über ganz Deutschland Richtung Frankreich und bis nach Spanien“, erzählt uns der Kranich-Experte Dr. Bernhard Weßling. Der gelernte Chemiker ist seit mehr als 40 Jahren im Naturschutz aktiv und erforscht die Tiere und ihr Verhalten.
Die beste Zeit, um Kraniche zu beobachten
Ich mache mich auf den Weg durch den bunt gefärbten Wald, das Laub raschelt unter unseren Füßen. Nur einen kurzen Marsch vom Bahnhof entfernt, stehen die Chancen auf eine Kranichsichtung besonders gut, denn ich wandere hier auf einem ausgewiesenen Kranichpfad entlang von Feuchtgebieten, Feldern und Nasswiesen.
„Morgens vor Beginn der Dämmerung kann man am besten Kraniche beobachten, da sie kurze Zeit später ausfliegen und in der umliegenden Gegend nach Nahrung suchen. Am Abend erblickt man die Kraniche kurz vor Einbruch und während der Dämmerung, wenn sie ihre Schlafreviere aufsuchen”, weiß Kranichexperte Dr. Bernhard Weßling.



Geschützte Gebiete und Feuchtbiotope für Kraniche
Nicht nur der Kranichpfad rund um Uelzen eignet sich bestens für die Suche nach den Zugvögeln. Das Diepholzer Moor und das Schweimker Moor in Niedersachsen sind ebenfalls herrliche Ausflugspunkte für Vogelbeobachtungen. Letzteres ist seit einigen Jahren als EU-Vogelschutzgebiet ausgezeichnet und bietet rund 90 Vogelarten einen sicheren Brut- und Rastplatz. „Kraniche haben sich aufgrund ihrer Intelligenz und Anpassungsfähigkeit erfreulich entwickelt“, sagt Weßling. Jetzt, während des Zuges, seien wieder deutlich mehr Kraniche über Deutschland zu beobachten.
Mit einer Drohne und Fernglas ausgerüstet, halten wir Ausschau nach den Vögeln mit ihren dunklen Hälsen und dem grauen Federkleid. Entlang des Pfades spaziere ich weiter durch die leuchtende Landschaft und konzentriere mich auf meine Sinne. Die Augen am Horizont, die Ohren gespitzt, begebe ich mich weiter auf die Wildtier-Safari durch die hiesige Natur.
Auch die Deutsche Bahn setzt sich in der Region für den Schutz der Kraniche ein. Im Rahmen des Streckenausbaus zwischen Stendal und Uelzen hat das Unternehmen Flussläufe renaturieren und umgestalten lassen. So wurden etwa gezielt Steine gesetzt, um die Fließgeschwindigkeit der Flüsse zu verlangsamen. Dadurch sind vor Ort neue Feuchtgebiete entstanden, in denen die Kraniche zur Ruhe kommen. Die Tiere nächtigen vorzugsweise an strömungsarmen, flachen Gewässern, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Auch andere seltene Tierarten, wie Ringelnattern und Haubentaucher, haben in den eingerichteten Feuchtgebieten eine Heimat gefunden. Insgesamt sind auf einer etwa 6,5 Hektar großen Brachfläche neue Brut- und Rastflächen für Kraniche entstanden.
Rast vor der langen Reise
An diesem Herbsttag fehlen mir zunächst die ersehnten Entdeckungen. Kein Anzeichen eines Kranichs ist zu sehen, und die einzigartigen Rufe dieser majestätischen Vögel bleiben stumm. Mit den Gedanken schon wieder im Alltag, sitze ich am späten Nachmittag im Zug der Deutschen Bahn und trete die Rückreise nach Hamburg an.
Doch während die Landschaft vorbeizieht und der Alltag langsam zurückkehrt, fällt uns weit am Horizont eine Bewegung auf. Auf einem scheinbar endlosen Feld verharrt ein kleiner Schwarm großer Vögel. Die charakteristische schwarze Zeichnung verrät es: Hier rasten Kraniche, und zwar nicht irgendwo, sondern in unserer direkten Umgebung.
In den frühen Abendstunden sind die majestätischen Vögel bereits zur Ruhe gekommen, stehen regungslos in der weiten Landschaft. Dieser Anblick ist mehr als eine Entdeckung – es ist ein emotionales Erlebnis, auf das ich den ganzen Tag gehofft haben. Der Herbst umgibt mich mit einer kühlen Brise, und die Stille wird nur vom gelegentlichen Rauschen des Windes durchbrochen. Aus dem Zug heraus schnappen wir uns schnell die Kamera und schießen ein paar Bilder.



Die erhabenen Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen, lässt mich innehalten. Es ist beeindruckend, dass in unserer unmittelbaren Umgebung solch artenreiche Ökosysteme existieren, in denen man nicht nur Kraniche, sondern auch andere faszinierende Wesen entdecken kann – sei es ein Pilz, ein flüchtiger Blick auf ein anderes Tier oder der Duft des Herbstes in der Luft.
Ein letzter Blick aus dem Bahnfenster fängt die Anmut dieser Vögel ein, die gerade die nötige Energie für ihren langen Weiterflug nach Süden tanken. So findet meine Wildtier-Safari hier im eigenen Land ein glückliches Ende. Es erinnert mich daran, wie wichtig es ist, sich für den Schutz dieser faszinierenden Naturwunder einzusetzen, damit zukünftige Generationen sie ebenfalls erleben können.
Schließlich kehre auch ich nach einem ereignisreichen Tag zur Ruhe zurück, erfüllt von den Eindrücken dieser Entdeckungsreise und voller Vorfreude auf die nächste Expedition in die faszinierende Welt der Natur.
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Hier findet ihr zudem meine Entdeckungsreise zu den Wildbienen am Harburger Bahnhof.