© Beam Suntory
Genuss

Zauberhaftes Islay: Willkommen auf der schottischen Whisky-Insel

Ihr Wert steigt, ihr rauchig-torfiger Geschmack ist unvergesslich und ihr Ruf bringt Menschen aus aller Welt auf eine kleine Insel in Schottlands wildem Westen: Merian war zu Besuch in den Brennereien der Islay-Whiskys.

Text Jonas Morgenthaler
Datum 11.01.2024

Auf der schottischen Insel Islay, mit knapp 615 Quadratkilometern etwa doppelt so groß wie München, kommt man mit dem Auto in einer Stunde praktisch überall hin. Wer unterwegs von den Hauptachsen abzweigt, findet dennoch vor allem eins: Ruhe. Die Landschaft ist rau und karg, aber voller Leben. Austernfischer kreisen in der Luft, Robben lugen aus dem Wasser, Fasane staksen durchs Gras. Hobby-Ornitholog:innen freuen sich auf die 100 verschiedenen Vogelarten, die auf der Insel leben, und auf die 30.000 Nonnengänse aus Grönland, die auf Islay überwintern. 

Es gibt hier also nicht nur den Whisky. Aber seinen internationalen Ruf verdankt das Eiland Namen wie Bowmore, Ardbeg und Laphroaig. Um deren Destillerien zu erleben, kommen Gäste aus jedem Winkel der Welt. Manche reisen bewusst an, wenn es stürmisch und kalt ist, weil dann ideale Bedingungen herrschen für kurze Spaziergänge und ausgedehnte Whisky-Runden am Kaminfeuer.

Das Besondere am Whisky von Islay

„Die Islay-Whiskys haben einen einzigartigen Stil“, sagt Anthony Wills, Gründer der Kilchoman Distillery. „Sie haben diese zusätzliche Dimension, diese salzig-torfige Schärfe, die immer mehr Leute schätzen.“ Der rauchig-süße Lagavulin 16 Jahre, der torfig-ungestüme Ardbeg Corryvreckan oder der 10 Jahre alte Laphroaig mit seinen medizinisch-maritimen Geschmacksnoten: Das sind Whiskys, die niemanden kaltlassen. 

Urlaub auf Islay: Zu Besuch bei Bowmore

© Beam Suntory
Die 1779 gegründete Bowmore Distillery ist eine der ältesten Whisky-Brennereien in Schottland.

Margret Thomson zieht einen kleinen Holzkorken aus Fass 11322 und schiebt einen Valinch durch die Öffnung. Wie mit einer Pipette entnimmt sie mit dem hohlen Stahlrohr eine Kostprobe des Inhalts: Whisky, zwölf Jahre in diesem Fass gereift im „No. 1 Vaults“ von Bowmore, Schottlands ältestem „whisky warehouse“. Es riecht würzig-erdig in dieser Spirituosen-Schatzkammer, wo in langen Reihen akkurat aufgestapelte Eichenfässer lagern. 

Seit 1779 werden sie hier hinein gerollt. Hinter mit grau-brauner Patina überzogenen Steinmauern entwickelt der Whisky über die Jahre komplexe, intensive Aromen. „Diese Tradition wurde nur unterbrochen, als während des Zweiten Weltkriegs mehrere Fliegerstaffeln der Royal Air Force von der Bowmore-Brennerei aus operierten“, erzählt Thomson, die Whisky-Liebhaber:innen durch die Brennerei und ihre Geschichte führt. 

Das Geschäft mit Single Malts auf Islay

Die Torfböden und Quellen auf Islay bieten ideale Whisky-Bedingungen. 2019 eröffnete mit Ardnahoe die neunte Destillerie auf der Insel. Die meisten Betriebe sind inzwischen in Besitz von Global Playern auf dem Getränkemarkt, etwa Diageo und Beam Suntory. Die Geschäfte laufen gut, und die Produktion ist so hoch, dass längst viele Fässer für das normale Sortiment in verkehrsgünstig gelegenen Hochregal-Lagern irgendwo bei Edinburgh oder Glasgow reifen. 

Gleichzeitig schnellen die Preise für Raritäten in immer neue Höhen. Jüngster Rekord ist ein rares Fass Whisky aus den 70er-Jahren, das die Ardbeg-Brennerei 2022 für fast 19 Millionen Euro an einen privaten Sammler in Asien verkaufte. 

Dabei sah es vor gar nicht langer Zeit noch ganz anders aus. In den 80er-Jahren kam es zu einer Überproduktion, und auch in den 90ern galt etwa die Situation der 1881 gegründeten Brennerei Bruichladdich noch als so ausweglos, dass sie geschlossen wurde. Dann begeisterten sich immer mehr Menschen für Single Malt, hochwertigen Whisky aus gemälzter Gerste, der in einer einzigen Destillerie hergestellt wird. Bald gehörten zu den Kollektionen auch wieder Bruichladdich-Flaschen. Die brachliegende Destillerie wurde 2001 von Investoren reaktiviert, inklusive des Equipments, das teils noch aus viktorianischer Zeit stammt. 

Ganz ohne Hightech sorgt das Team seitdem mit neuen Ideen und ungewöhnlichen Whiskys wie dem extrem rauchigen Octomore für Aufsehen. Statt die Gerste wie üblich zu importieren, begann Bruichladdich, mit lokalen Bauern zusammenzuarbeiten. Heute mahlt die noch von einem Lederriemen angetriebene Mühle zur Hälfte Gerste, die auf Islay gewachsen ist.

Destillerien-Boom auf Islay: Kilchoman und Co.

Die Kilchoman Destillerie am Abend von außen © Konrad Borkowski
Kilchoman, die erste neue Whisky-Brennerei, die auf Islay nach über einem Jahrhundert gegründet wurde.

Ähnlich arbeitet Anthony Wills, der 2005 Kilchoman gegründet hat, die erste neue Whisky-Destillerie auf Islay seit 124 Jahren. Damit war er einer der Pioniere in Schottland. Dutzende moderne Brennereien sind seitdem dazugekommen, viele weitere sind in Planung. Wills sitzt in einem der schicken Verkostungsräume des neuen Besucherzentrums, die Sonne scheint durch eine bodentiefe Fensterfront. 

„Die Gründung einer Destillerie war ein sehr hohes Risiko“, sagt er. „Aber ich sah darin eine Chance.“ Jeder schottische Whisky muss drei Jahre oder länger reifen, auch nach der Eröffnung vergeht bis zu den ersten Einnahmen eine lange Zeit. Die Nachfrage an Single Malts wuchs aber so stark, dass Wills die Produktionsmenge bis 2018 verdoppeln konnte. 

Dass bald mindestens drei weitere Destillerien auf Islay eröffnen werden, sieht der Pionier dennoch skeptisch. „Schon die bestehenden Brennereien kämpfen mit schwierigen Bedingungen“, sagt er. Die Infrastruktur kommt dem Whisky-Boom nicht hinterher. Die Fähren auf die Insel, Nadelöhr der Whisky-Logistik und des Tourismus, sind veraltet und unzuverlässig. 

Vor allem aber fehle es an Unterkünften für die benötigten Arbeitskräfte, meint Wills. Schon jetzt herrsche Vollbeschäftigung. Eine Herausforderung ist auch der Klimawandel: Bei manchen Destillerien steht immer mal wieder die Produktion still, weil durch starke Trockenheit das in großen Mengen benötigte Quellwasser fehlt. 

Kleine Destillerien: Whisky-Produktion in Handarbeit

© Konrad Borkowski
In Kilchoman und andere Brennereien auf Islay werden noch Whiskys in Handarbeit gewonnen.

Trotz des Wachstums ist Kilchoman im Vergleich immer noch klein. Caol Ila, die größte Brennerei auf Islay, produziert zehnmal mehr. Doch das passt zum Konzept: Kilchoman versteht sich als familiengeführte Farm Distillery mit Feldern, Kühen und Schafen. Die schmale Straße zur Destillerie im Westen der Insel führt vorbei an Feldern voller Gerste, deren Halme sich sanft im Wind wiegen. Nur ein Fünftel der Whisky-Produktion entsteht daraus, aber bei dem ist der Name Programm: 100% Islay. 

Dass die Ernte selbst verarbeitet wird, ist alles andere als selbstverständlich. Zusammen mit Bowmore und Laphroaig gehört Kilchoman zu einem guten halben Dutzend schottischer Brennereien, die noch eigene „malting floors“ haben. Auf diesen Malzböden verteilen die Mitarbeitenden die befeuchtete Gerste und bringen sie bei regelmäßigem Wenden über fünf bis sechs Tage zum Keimen. Bei Kilchoman geschieht das von Hand, alle zwei bis vier Stunden, Tag und Nacht. 

Aber es ist vor allem der nächste Schritt, der die Whiskys prägt, für die Islay so bekannt geworden ist: Das Malz wird über einem Torffeuer getrocknet und geräuchert. Für den 100%-Islay-Whisky sticht das Team den benötigten Torf am Ufer des nahen Loch Gorm. Die unkaputtbare Porteus-Mühle, ein über hundert Jahre altes Fundstück aus einer englischen Brauerei, schrotet und mahlt das gemälzte Getreide. 

Schwerer, süßlicher Duft steigt aus dem dampfenden Maischbottich, in dem ihm durch heißes Wasser der vergärbare Zucker entzogen wird. Der übrig gebliebene Treber ist Futter für die Rinder. Die Zuckerlösung gärt durch Hefezugabe 85 Stunden zu einem bierartigen Ferment, das dann in sogenannten „pot stills“, zwiebelförmigen Brennblasen mit schwanenartigem Hals, so oft wie nötig destilliert wird. Vier bis sechs Wochen dauert bei Kilchoman der Prozess vom Mälzen bis zum Brennen. Danach reifen die Whiskys über Jahre in einem Warehouse und werden schließlich abgefüllt. 

Willkommen auf Islay: Ein zauberhafter Ort zum Leben

© Jonas Morgenthaler
Ein zauberhafter Ort mit viel Natur und besonderem Flair: Islay.

Anthony Wills war von Anfang an klar, dass er für den neuen Betrieb mit seiner Frau Kathy nach Islay zieht. „Die Insel ist ein sehr freundlicher Ort zum Leben und Arbeiten“, sagt er. „Es gibt keinen Druck, es ist nicht wie in einer Stadt mit viel Verkehr.“ Wer mehrere Tage auf der Insel bleibt, erlebt sie wie ein kleines Dorf, in dem man sich ständig wiedersieht. 

Mit dem „Islay wave“ haben die Ileachs – die gut 3.200 Menschen, die auf der Insel wohnen – auch eine liebenswerte Gepflogenheit: Wer am Steuer sitzt, grüßt grundsätzlich entgegenkommende Fahrzeuge. Manche tun es mit einem Fingerzeig. Andere winken fröhlich mit dem ganzen Arm. 

Das könnte Sie auch interessieren

© Philip Koschel
Aktiv
Insel Fehmarn: Ein Wochenende an der Ostsee

Die Wochenenden verbringt die frühere Surfweltmeisterin Andrea Hoeppner da, wo sportlich alles anfing: auf Fehmarn. Längst ist es eine Langzeitbeziehung zwischen der Insel, dem Meer und ihr. Sie nimmt uns mit für einen Ausflug auf die Sonneninsel in der Ostsee.

© QuentinBoulegon
Natur
Noirmoutier: Insel der Salzbauern und Mimosen

Unglaublich schön, wenn sich der Sonnenuntergang im Labyrinth der Kanäle und Becken spiegelt – ein Besuch bei den Salzbauern auf der Mimosen-Insel vor Nantes lohnt sich. Schon die Hinfahrt ist abenteuerlich: Der Weg ist nur bei Ebbe passierbar.

© Jaume Galofre/Unsplash
Natur
Brasilien-Reise: Willkommen in Paraty

Sattgrüner Regenwald, imposante Wasserfälle, türkisblaues Wasser und eine denkmalgeschützte Altstadt warten im brasilianischen Paraty auf Reisende. MERIAN nimmt Sie mit zu den sehenswerten Ecken der Stadt und gibt Einblick in deren Geschichte.

© Christina Körte
Genuss
Der Stern des Bliesgau: Spitzenkoch Cliff Hämmerle

Cliff Hämmerle verwandelte die Imbissbude seines Vaters in ein Gourmetrestaurant – und wurde selbst zum Star. Er kocht mit Zutaten aus der Region und weiß: Gute Ware aus dem Bliesgau ist die Basis seines Erfolgs. MERIAN begleitete ihn zu Ölmüllern, Käsern und Bauern seiner Heimat.