Das Dorf der Zukunft Das Pilotprojekt Casas Bioclimáticas
Für Attenya Campos sind sie vor allem ein Ort, an dem man eine Ahnung davon bekommt, was die Zukunft sein könnte. Die junge Architektin hat sich auf erneuerbare Energien und die Nutzung natürlichen Lichts spezialisiert. Sie und ihre Kollegen können an den Häusern neue Ideen und Funktionen testen. Denn während Feriengäste hier wohnen, werden Daten wie Temperatur, Feuchtigkeit und Licht erhoben und ausgewertet.
Fragt man Campos, welcher Typ Tourist die Häuser bucht, muss sie grinsen. Das Feriendorf ist ein Ort für Liebhaber. Meistens seien es Menschen, die sich privat oder beru ich mit Wasserkraft, Solar- und Windenergie beschäftigen, sagt sie. Denn ein Problem mit dem konstanten Scharren der Windräder sollte man hier nicht haben. Wenn es auf Teneriffa zwei Dinge im Über uss gibt, dann sind das Sonne und Wind. Beste Voraussetzungen für Windkraft und Solarenergie – eigentlich. »Die Technologie für Alternativen wäre da, aber es mangelt noch an politischer Initiative«, sagt Campos. Und damit beginnt eine lange Kette von Problemen für die Insel. Denn im Gegensatz zu Wind und Sonne droht das Süßwasser in den kommenden Jahren knapp zu werden, und Strom und Trinkwasser hängen auf der Insel eng zusammen.Wie eng, kann Manuel Hernández erklären. Er beschäftigt sich schon seit seinem Studium in den Siebzigern damit, wie man Trinkwasser gewinnt. Hernández beginnt damit, dass er einen unförmigen Schweizer Käse auf ein Blatt Papier malt. Er wird beim Erklären jeden Zentimeter seines Zettels vollkritzeln und danach ressourcenschonend auf der Rückseite weitermachen. Denn um das Problem Teneriffas zu erörtern, muss er weit ausholen und zu Strom und Wasser noch Tourismus und Landwirtschaft hinzufügen. Der Schweizer Käse stellt Teneriffa dar, ein Kreis markiert den Teide. An den Rand der Insel hat Manuel Hernández rundherum viele kleine Löcher gemalt. »Stollen, Stollen, Stollen«, sagt er und blickt vom Blatt auf, »eine durchlöcherte Insel«.
Im Gegensatz zu anderen kanarischen Inseln hat Teneriffa nämlich durchaus Grundwasser zur Verfügung. Trotz Saharanähe gibt es zum Teil ansehnliche Niederschläge, denn der Nordost-Passat bringt Regenwolken, die an den Bergen hängen bleiben und sich dort entleeren.
Wer auf Teneriffa Urlaub macht, erwartet, dass es fast tropisch aussieht«, sagt Hernández. Allein die Golfplätze grün zu halten, koste große Mengen Wasser. »Aber die Insel lebt vom Tourismus.« Hernández greift wieder zum Stift. Er malt eine steigende Kurve für den Wasserverbrauch in ein Koordinatensystem. Darüber setzt er eine sinkende, die für den Grundwasserspiegel steht. An der Stelle, wo sich die beiden Linien kreuzen, schreibt er 2020 und sagt: »Wenn wir nur auf die Stollen setzen, bekommt die Landwirtschaft schon in drei Jahren ein Problem.«
Eine Insel in einem Ozean voller Wasser und eine Technologie, die dieses Meerwasser trinkbar macht – eigentlich könnte Manuel Hernández genauso zufrieden sein wie Francisco Urquijo. Aber er hat schon wieder eine Falte auf der gebräunten Stirn: Es geht um Elektrizität. »Als das Verfahren neu war, verbrauchte eine Entsalzungsanlage 22 Kilowattstunden Strom pro Kubikmeter Wasser«, sagt er. Über die Jahre sei die Technik effizienter geworden, sodass man heute für einen Kubikmeter nur noch zwei bis drei Kilowattstunden Strom brauche. »Trotzdem«, sagt Hernández und legt den Stift auf die Tischplatte, »ohne Strom kein Wasser. Und da liegt ein weiteres Problem.« Denn auf Teneriffa wird Strom zum größten Teil aus Erdöl gewonnen. Ob man aus Meerwasser Süßwasser machen kann, ist also von der Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe abhängig. Darum sind erneuerbare Energien für Teneriffa so wichtig und die Casas Bioclimáticas, diese 24 Häuser, ein Schritt in die Zukunft. Man sieht der Architektin Attenya Campos an, dass es ihr Spaß macht, zu beobachten, wie die Raffinessen von »El Cubo« (der Würfel), »El Escudo« (das Wappenschild), »La Estrella« (der Stern), »El Cangrejo« (der Krebs) und den anderen Häusern ihre Besucher überraschen.
BIOHÄUSER: Casas Bioclimáticas
Die 24 Passivhäuser, alle umweltfreundlich erbaut, liegen im Südosten Teneriffas. Windräder und Solarzellen erzeugen Strom, Sensoren bestimmen das Raumklima, das Trinkwasser kommt aus dem Ozean. Die futuristischen Unterkünfte bieten jeweils 4, 5 oder 6 Gästen Platz.
Adresse: Granadilla de Abona, Polígono Industrial, http://casas.iter.es