Glacier Express Bahn fahren neu erfunden: In der Excellence Class durch die Schweizer Bergwelt
Die „Excellence Class“ hebt das Schienenerlebnis im Glacier Express auf höchstes Niveau. MERIAN-Autor Mathias Heinze stieg zu – und testete das neue Luxusangebot der legendären Schweizer Schmalspurbahn.

Der rote Teppich ist ausgerollt, am mobilen Welcome Desk vor der Waggontür begrüßt Sie höchstpersönlich Ihr Concierge, drinnen wartet schon der Apéro ...
Genau so geht es los. Ab dem 2. März 2019 ist die Fahrt in den Panoramawagen des berühmten Glacier Express noch exklusiver. Mit der „Excellence Class“ hat das Zugunternehmen, das zwischen den Schweizer Bergorten Zermatt und St. Moritz auf den Schienennetzen der Rhätischen Bahn und der Matterhorn-Gotthard-Bahn verkehrt, ein besonderes Premiumangebot geschaffen. Die neuen edlen Wagons – jeder Zug führt nur genau einen davon mit – bieten Raum für maximal 20 Personen.
So sitzt in dem fahrenden Wintergarten jeder Gast am Fenster – bequem auf Leder, mit Teppich unter den Füßen und ganz, ganz viel Beinfreiheit. Immer zwei Einer-Sessel, multidirektional verstellbar, stehen einander gegenüber und sorgen für ein ungewohnt heimeliges Ambiente. Auch technisch präsentiert sich die „Excellence Class“ auf der Höhe der Zeit. Ein iPad pro Sitzplatz plus Kopfhörer steht für ein umfängliches Strecken-Infotainment zur Verfügung: mit Realtime-Informationen etwa zu Geschwindigkeit, aktueller Position oder zu den Sehenswürdigkeiten der Schweizer Bergwelt.Die „Excellence Class“ rollt über eine der schönsten Zugstrecken der Welt. Man startet wahlweise vom mondänen Walliser Bergdorf Zermatt, am Fuß des Matterhorns gelegen, oder aber vom Engadiner Jetset-Spot St. Moritz – die jeweils andere Destination ist das Ziel. Dazwischen erwartet den Gast eine rund achtstündige Panoramafahrt der Superlative: mit Gipfeln, Tälern und Schluchten zum Sattsehen, 91 Tunnel und 291 Brücken, die von schwer begreiflicher Ingenieurskunst zeugen – alles versüßt mit einer regionalen Spitzenküche zum Dahinschmelzen.
Sobald sich der Zug in Bewegung setzt, ist dies das Signal für die oder den Concierge, die Gäste auf der Fahrt willkommen zu heißen und mit einem Glas Champagner auf die kommenden Stunden einzustimmen. Uns wird fortan Zuzana Kokindova jeden kulinarischen Wunsch erfüllen, als Ortskundige alle Fragen entlang der Strecke beantworten und mit einem steten Lächeln auf den Lippen für eine wohlige Hier-bin-ich-willkommen-Atmosphäre sorgen. Diese persönliche Betreuung ist das Aushängeschild der „Excellence Class“. Damit wird die Fahrt, die umgerechnet gut 600 Euro kostet (siehe unten), unverwechselbar.
Unser Startpunkt ist das im Südschweizer Kanton Wallis gelegene Zermatt. Im ersten, flacheren Abschnitt Richtung Visp und Brigg geht es zügig voran – die Ausblicke sind noch nicht durchgehend spektakulär, aber spätestens als die überdimensionalen Panoramafenster einen unverstellten Blick auf das UNESCO Weltnaturerbe Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch freigeben, bringe ich die Smartphone-Kamera in Anschlag. Hmm ... nein, so wird das nichts. Gerade in diesem Moment verhindern die Reflexionen der Sonne in den riesigen Scheiben das perfekte Foto. Doch sich jetzt über die Sonne zu ärgern, kommt bei den fantastischen Aussichten freilich nicht in Betracht. Außerdem können wir uns über sinnliche Ablenkung freuen. Zum Champagner gesellt unsere Concierge Zuzana Kokindova das „Excellence Class Apéroplättchen“: mit Tartar-Tartelette, Chäschüechli, Frischkäse-Gurken-Tartelette und Gewürznussmischung. Der Auftakt zu einem sechsgängigen Fahrt-Begleit-Menü, an dem sich jeder Fahrgast der „Excellence Class“ wird laben können, macht Lust auf mehr.
Aber nun, da wir den erst 1982 eröffneten Furka-Basistunnel passiert haben, womit die Gesamtstrecke auch im Winter befahrbar wurde, und auf die Ski-Destination Andermatt zurollen, sollen endlich tolle Bilder in den Kasten. Schließlich will man das fantastische, verschneite Bergpanorama teilen, mit der Familie, mit Freunden. Leider verstrahlt mir die Sonne auch diesmal hartnäckig den optimalen Schuss – bis mir die Concierge den entscheidenden Tipp gibt: In den Eingangstüren zu den Waggons, und ab dem nächsten Jahr auch im angrenzenden Bistrowagen, gibt es Fenster, die sich für Fotozwecke öffnen lassen. Ach, wie wunderbar. Danke, Zuzana.
Für den weiteren Verlauf der Fahrt führe ich also eine schöne Pendelbeziehung – zwischen meinem reservierten Sitzplatz und meinem Türfenster mit Aussicht, oder genauer: zwischen Geräucherter Forelle mit ofengerösteten Randen (Rote Bete), Salat und Meerrettich-Frischkäse und den Schneewänden und -schluchten am 2044 m hoch gelegenen Oberalppass. Zwischen Rindsfilet mit Trüffel-Kartoffelstampf und Bergkräuterjus und der von 350 Metern hohen Felswänden gesäumten Rheinschlucht, dem Swiss Grand Canyon. Zwischen Afternoon Tea mit Friandises und Bündner Bergkräutertee und dem 65 Meter hohen, weltbekannten Landwasserviadukt bei Tiefencastel.Schließlich suche ich aber doch noch einen ganz neuen Platz – und finde ihn neben den Kollegen an der eigens in der „Excellence Class“ eingerichteten Bar. Nein, nicht zu einem gemeinsamen Aperol-Spritz, Gin Tonic oder was auch immer, kulinarisch sind wir längst voll auf unsere Kosten gekommen. Jetzt starren alle gespannt auf den an der Decke angebrachten, überdimensionalen vergoldeten Kompass. Jeder Richtungswechsel des Zuges – und davon hat es auf dieser Schlängeltour de Suisse gefühlt unendlich viele – lässt sich hier unmittelbar ablesen. Klingt nicht nach einem Krimi, aber jetzt liegt die legendäre Albulalinie von Thusis nach St. Moritz vor uns. Dieser Gleisabschnitt gehört zum Welterbe Rhätische Bahn in der Landschaft Albula/Bernina und ist der wohl spektakulärste Abschnitt des Glacier Express: Zwischen Bergün und Preda winden wir uns über sechs hohe Viadukte sowie durch drei Spiral- und zwei Kehrtunnel langsam, aber stetig gut 400 Meter in die Höhe. Um uns schließlich, im Albulatunnel, unmerklich aber doch sichtbar, auf engstem Raum offenbar einmal komplett um uns selbst gedreht zu haben. Denn der Kompass über uns vollzieht eine glatte 360 Grad-Drehung – bevor uns das Bergmassiv endgültig wieder ausspuckt und es heißt: Glitzer, Glamour, St. Moritz, wir kommen!
Mein Fazit: Sterne, Hauben, Löffel – was für die Hotel- und Gourmetlandschaft selbstverständlich ist, könnte nach meinem Geschmack auch ins Transportgewerbe Einzug halten. Die „Excellence Class“ des Glacier Express’ jedenfalls hätte das Zeug zu fünf von fünf goldenen Waggons.
Glacier Express: Fahrzeiten, Preise, Infos
Züge mit der neuen „Excellence Class“ verkehren vom 2. März bis 13. Oktober 2019. Ab Zermatt: 8:52 Uhr, an St. Moritz 16:38 Uhr. Ab St. Moritz: 9.15 Uhr, an Zermatt 17:10 Uhr.
Preise für die „Excellence Class“ (jeweils nur ein Wagen mit 20 Plätzen pro Zug): 269 Schweizer Franken (Preis 1. Klasse) plus 420,- SFR Sitzplatzreservierung (obligatorisch) = 689,- SFR, umgerechnet ca. 606 Euro.
Normalpreise: 2. Klasse 153 SFR (ca. 135 Euro), 1. Klasse 269 SFR (ca. 235 Euro).
Weitere Infos zu Ermäßigungen, Saisonfahrplänen, Fahrkarten für Teilstrecken, Kombi-Angebote mit Übernachtungen unter www.glacierexpress.ch/de
In aller Kürze: die Geschichte des Glacier Express
Der Glacier Express ist gewissermaßen ein Dinosaurier unter den Panoramazügen, seine Geburtsstunde erlebte er bereits 1930, seine Wandelbarkeit sicherte ihm das Überleben. Und nicht nur das: Mit der neuen Verwöhnklasse setzt der Glacier Express auch Maßstäbe für die Zukunft.
1930: Fertigstellung der ersten durchgehenden Zugverbindung zwischen Zermatt und St. Moritz und die Geburtsstunde des Glacier Express.
1941: vollständige Elektrifizierung der Bahnstrecke, bis dahin verkehrten die Züge abschnittsweise mit Dampflokomotiven.
1982: Eröffnung des Furka-Basistunnels zwischen dem Wallis und Graubünden, damit war erstmals ein ganzjähriges Befahren der Strecke möglich. In den Folgejahren wird „der langsamste Schnellzug der Welt“ zu einer international nachgefragten Touristenattraktion, die Passagierzahlen steigen stetig.
1993: Die Züge führen erstmalig Panoramawagen sowie zuzüglich einen nostalgischen Speisewagen mit.
2006: Um den wachsenden Kundenerwartungen zu entsprechen, werden weitere Panoramawagen eingeführt und ein neues Verpflegungskonzept umgesetzt (u. a. Essen am Sitzplatz in der 1. und 2. Klasse).
2008: Die Passagierzahlen erreichen das bis heute unerreichte Rekordvolumen von 260.000.
2019: Die neue „Excellence Class“ wird lanciert – mit dem Ziel, wieder stärker auch internationale Gäste, etwa aus den USA und Asien, anzuziehen.
2020: Im Hinblick auf das 90-Jahre-Jubiläum werden zwischen 2019 und 2021 alle Panoramawagen designmäßig überholt und mit neuem Infotainment ausgerüstet. Es wird auch nach wie vor möglich sein, Fenster zu öffnen, um die Berglandschaft spiegelfrei im Foto festzuhalten.

Zuganzeige in Zermatt. Nichts lässt erahnen, welch einzigartiges Reiseabenteuer sich hinter dieser Ankündigung verbirgt.

Die Excellence Class. Riesige Panorama-Fenster, edles Interieur – Aufbruch in ein neues Bahnzeitalter.

Ost-West/West-Ost. Täglich wird je ein Excellence Class-Waggon nach St. Moritz, und umgekehrt nach Zermatt mitgeführt.

Infotainment. Neben den ‚privaten‘ I-Pads an jedem Platz lässt sich der Streckenverlauf en Detail auch bequem auf großen Bildschirmen verfolgen.

Speisekarte. „Wir werden mit der neuen Excellence Class ganz neue Maßstäbe in der Bahnkulinarik setzen“, sagt Tim Uebersax, Geschäftsführer Panoramic Gourmet AG, Caterer des Glacier Express.

Panoramafenster. Sie geben den Blick frei in den Himmel – und auf unvergleichliche Bilderbuchlandschaften.

Senkfenster. Befinden sich aktuell nur in den Zugtüren zwischen den Waggons sowie ab dem nächsten Jahr auch im Bistrowagen. Hier lassen sich auch bei voller Fahrt ansprechende Fotos schießen.

Zuzana Kokindova ist eine von vier Concierges (je eine/einer pro Zug), die sich in der „Excellence Class“ um das Wohl der Gäste kümmern. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn als Gastgeberin heißt sie ihre Gäste persönlich willkommen, nach Möglichkeit mit landestypischer Begrüßung, liest ihnen jeden kulinarischen Wunsch von den Lippen ab und beantwortet als Ortskundige Fragen entlang der Strecke. „Die Betreuung der Gäste in der Excellence Class ist sehr intensiv und vielseitig. Das ist eine große Herausforderung, auf die ich mich sehr freue“, sagt Kokindova, die auf Erfahrungen in der Gastronomie sowie in der ersten Klasse des Glacier Express zurückblicken kann.

Drei Fragen an Jürg Sutter, Produktmanager Glacier Express
Mit seinem Team arbeitet Jürg Sutter seit vielen Monaten an der Abstimmung aller Details, die dem Gast eine unvergessliche Fahrt im Glacier Express versprechen.
1. Warum wurde es aus Ihrer Sicht höchste Zeit für die Excellence Class?
Besondere Erlebnisse sind in der heutigen Zeit das Wichtigste. Deshalb wurde es Zeit, das Angebot des Glacier Express wieder um eine Stufe zu heben. Aber bis 2021 werden wir auch die Wagen der ersten und zweiten Klasse in einen neuen, wunderschönen Zustand versetzen. Sie werden im neuen Alpine chic daher kommen und vollkommen neu gestaltet.
2. Was ist für Sie persönlich das Besondere an der Excellence Class? Und was ist Ihr Lieblingsabschnitt auf der Strecke?
Für mich ist das absolute Highlight der Concierge. Wir haben einen Gastgeber im Zug, der den Service und das Hosting macht, und in meinen Augen ist das das Wichtigste, denn der Service trägt viel zum Erlebnis bei. Außen ist das immer Geschmacksache, aber mein persönliches Highlight ist die Rheinschlucht.
3. Wann ist die „Excellence Class“ aus Ihrer Sicht ein Erfolg?
Wenn wir von den Gästen hören, dass sie ein besonderes Erlebnis hatten, das ihre Erwartungen übertroffen hat.


Weitere Eindrücke von der Abfahrt vom Oberalppass sehen Sie im Video:

Rheinschlucht. Die Geschichte der Rheinschlucht beginnt mit dem größten Felssturz der Alpen: Vor 10 000 Jahren stürzten 10 Milliarden Kubikmeter Fels über 1 000 Meter in die Tiefe. Die Schuttmassen türmten sich zwischen Castrisch und Reichenau mehrere hundert Meter hoch durch das ganze Tal auf.
Dadurch staute sich der Vorderrhein zu einem riesigen See. Im Laufe der Jahrtausende hat sich der Fluss ein neues Bett gegraben und dabei die Rheinschlucht geformt. Heute ist diese spektakuläre Flusslandschaft mit bis zu 350 Meter hohen Felswänden und Sandsteintürmen auch als «Swiss Grand Canyon» bekannt.

Albulatunnel/Preda. Im Jahr 1902 gelang der lang ersehnte Durchstich am Albula. Damit war ein Meisterwerk und eine Pionierleistung der europäischen Bahn- und Tunnelbaukunst geglückt. Bis es soweit war arbeiteten 1316 Mann fast vier Jahre auf 1800 m ü. M. an dem 6 Kilometer langen Tunnel. Über 110 Jahre später, im Jahr 2014, läuteten die Ingenieure mit dem Bau des neuen Albulatunnels ein neues Zeitalter ein. Voraussichtliche Bauzeit bis 2023. Das Jahrhundertbauwerk der Rhätischen Bahn verbindet den Bahnhof Preda (Nordportal) im Albulatal mit dem im Hochtal Engadin gelegenen Spinas.

Die Albulalinie. Zwischen Preda und Bergün winden sich die Gleise über drei Spiral- und zwei Kehrtunnel auf engstem Raum gut 400 Meter (!) in die Höhe.

St. Moritz. 1864 hatte Hotelpionier Johannes Badrutt eine geniale Marketingidee. Er schlug seinen englischen Sommergästen vor, doch auch im Winter nach St. Moritz zu kommen. Und er wettete mit ihnen: falls es ihnen nicht gefalle, zahle er ihnen die gesamten Reisekosten zurück. Das ließen sich die wettfreudigen Briten nicht zweimal sagen. Sie reisten im Dezember an – und kehrten erst wieder im Frühling braungebrannt und glücklich auf die Insel zurück. Badrutt gewann die Wette und erfand mit dieser Aktion quasi den Wintertourismus. Schon 1928 fanden die ersten von bisher zwei olympischen Winterspielen in St. Moritz statt. Bis heute hat St. Moritz nichts von seiner Attraktivität eingebüßt – und gilt als einer der heißesten Jet Set-Spots weltweit.