BRD-Ikonen Alles so schön provisorisch
Als Bonn 1949 vorläufige Hauptstadt wurde, war das eine Notlösung. Die Ministerien der jungen BRD zogen in einige frei stehende Villen am Rhein. Das Regierungsviertel war geboren. Erst ab den 1960ern plante man langfristiger, ein Ende des Kalten Krieges war nicht in Sicht. Neue Bauten sollten Bonn zur repräsentativen Hauptstadt machen. Doch kaum waren sie fertig, fiel die Mauer. Eine Tour zu den Ikonen der Bonner Republik.

Altes Wasserwerk
Der Anfang Im Alten Wasserwerk wurde von 1875 bis Ende der 1950er Jahre Grundwasser für den städtischen Bedarf gefördert, danach diente es als Lager für Möbel und Drucksachen. Ab 1986 war es Ausweichquartier für den Bundestag.
Platzprobleme Bei großen Sitzungen musste auf Klappstühle zurückgegriffen werden. Da nicht jeder Platz mit Pult ausgestattet war, funktionierte Otto Graf Lambsdorff (FDP) seinen Aktenkoffer um und nutzte ihn auf den Knien als Schreibunterlage.
Ereignisse, die Geschichte schrieben Am 20. September 1990 diskutierten die Abgeordneten hier acht Stunden lang über den Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR, er wurde mit überwältigender Mehrheit angenommen. Eine andere Entscheidung fiel fast ein Jahr später weit knapper aus: 337 stimmten am 20. Juni 1991 für Berlin als Sitz von Bundestag und Regierung, 320 für Bonn.
Was in diesem Haus gesagt wurde »Vielleicht hat die räumliche Enge sogar ihr Gutes, indem sie unseren gemeinsamen Wunsch fördert, die Debatten lebendiger zu führen«, Philipp Jenninger (CDU). In Zukunft soll das Haus UN-Konferenzen mit bis zu 650 Teilnehmern beherbergen.

Abgeordnetenhochhaus Langer Eugen
Der Anfang Bonn sollte Provisorium bleiben, daher behalf man sich zunächst damit, bestehende Gebäude umzunutzen. Erst ab Mitte der 1960er Jahre bekam die Hauptstadt auf Zeit markante Gebäude wie dieses: 1966 bis 1969 entstand das Abgeordneten- und Tagungshaus nach Plänen von Egon Eiermann.
Der Name geht auf Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier zurück, der in der Diskussion über das Aussehen des Baus ein Befürworter des Hochhauses war. Gerstenmaier selbst war allerdings kein besonders langer Mann.
Was über dieses Haus gesagt wurde »Das ›Provisorium‹ Bonn ist dabei, sich zu zementieren« (Hamburger Abendblatt). Highlight Georg Meistermanns Glasarbeit »Ehrenchronik demokratischen Verhaltens« im Sitzungssaal 1916.
Heute haben hier rund 20 UN-Organisationen ihre Büros, da- runter etwa das Sekretariat zur Bekämpfung der Desertifikation.Hermann-Ehlers-Straße 10

Bundesrat
Der Anfang Der als pädagogische Akademie geplante Bau entstand 1930 bis 1933 nach Plänen des Architekten Martin Witte im Dessauer Bauhausstil. Ab September 1948 arbeitete hier der Parlamentarische Rat am Grundgesetz.
Ereignisse, die Geschichte schrieben Am 8. Mai 1949 stimmten hier 53 der 63 stimmberechtigten Mitglieder des Parlamentarischen Rates für das Grundgesetz. Die Abstimmung endete kurz vor Mitternacht, um sie noch auf den vierten Jahrestag des Kriegsendes zu datieren. Zwei Wochen später, am 23. Mai 1949, verkündete Konrad Adenauer hier das Grundgesetz. Am 7. September 1949 fand die erste Sitzung des Bundesrates statt, sie dauerte samt Orchesterauftritt nur 41 Minuten.
Was in diesem Haus gesagt wurde »Möge allzeit der Geist und der Wille, der aus diesen Sätzen spricht, im deutschen Volk lebendig sein«, Adenauer 1949 bei der Verkündung des Grundgesetzes. Im selben Jahr ergänzte Karl Arnold seine Antrittsrede als erster Bundesratspräsident um die Anrede »Damen«, auch wenn mit Kulturministerin Christine Teusch nur eine Frau anwesend war.
Highlight Die Ausstellung »Unser Grundgesetz«.
Heute nutzt das Haus der Geschichte den Bau am Platz der Vereinten Nationen, außerdem hat der Bundesrat hier noch immer eine Außenstelle.

Villa Hammerschmidt
Der Anfang Der klassizistische Bau nach den Plänen des Bonner Architekten August Diekhoff entstand um 1860 im Auftrag eines Kaufmanns. 1868 kaufte es der erste, 1899 ein weiterer Zuckerfabrikant: Rudolf Hammerschmidt.
1945 beschlagnahmten die Alliierten das Haus, 1950 erwarb es die Bundesrepublik Deutschland als Amts- und Wohnsitz des Bundespräsidenten.
Ereignisse, die Geschichte schrieben Ende 1950 bezog Theodor Heuss als erster Bundespräsident die Villa. Bei der Renovierung wurden die Türme abgeschlagen. Am 4. Januar 1951 fand der erste Neujahrsempfang des Bundespräsidenten statt – große Bankette feierte man aber meist im »Hotel Petersberg«, in der Redoute oder im Schloss Brühl, da der Speisesaal der Villa nur Platz für 38 Personen bot.
Highlight 1888 legte der Hamburger Gartendirektor Rudolph Christian Jürgens Gärten an, die 1949 zu einem fünf Hektar großen Landschaftspark umgestaltet wurden. Besonders schön: die Nibelungengrotte an der Ufermauer.
Heute ist die Villa zweiter Amtssitz des Bundespräsidenten. Einige Räume werden etwa für Hochzeiten vermietet.

Plenarsaal Deutscher Bundestag
Der Anfang Gebaut 1986 bis 1992 nach Plänen von Günter Behnisch. Die Sitzordnung wurde teils kritisiert: Da Legislative, Exekutive und Judikative nun im Kreisrund saßen, kämen die jeweiligen Zuständigkeiten nicht mehr zum Ausdruck.
Ein Ereignis, das Geschichte schrieb Am 1. Juli 1999 fand hier die letzte Parlamentssitzung vor dem Umzug nach Berlin statt.
Highlight Der Bundesadler – das asymmetrische, lückenhafte Gefieder der »fetten Henne« sollte den Abgeordneten vor Augen führen, dass sie niemals Perfektion erreichen würden.
Heute nutzt das World Conference Center den Bau am Platz der Vereinten Nationen.

Bundeskanzleramt
Der Anfang Das 1976 eingeweihte Bundeskanzleramt atmet noch heute den Geist des Provisoriums.
Was über dieses Haus gesagt wurde »Es könnte genauso gut eine rheinische Sparkasse darin residieren« (Helmut Schmidt).
Ereignisse, die Geschichte schrieben Während der Entführung von Hanns Martin Schleyer im September und Oktober 1977 leitete Helmut Schmidt hier mehrmals Krisensitzungen. Anfang 1990 fanden in dem Haus Gespräche zur Wiedervereinigung Deutschlands statt.
Highlights Vor dem Kanzleramt steht der Adenauer-Kopf, der einen Streit auslöste: Nach Kriegsende wollten viele Deutsche einem demokratisch gewählten Politiker kein öffentliches Denkmal setzen. Der Entwurf von Hubertus von Pilgrim kam dennoch durch, da man Adenauer auf Augenhöhe begegnet. Das Kanzlerarbeitszimmer ist mit Originalmöbeln von Helmut Schmidt ausgestattet. Zu sehen sind etwa seine Rauchutensilien und ein Schachspiel, das ihm 1978 der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit schenkte.
Heute ist der Bau Erster Dienstsitz des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Palais Schaumburg
Der Anfang Prinz zu Schaumburg-Lippe baute die Millionärsvilla 1894 zu seinem Palais um. Im Zweiten Weltkrieg wurde es Kaserne und 1949 nach Plänen von Hans Schwippert zum Sitz des Bundeskanzlers umgestaltet. Dabei stritten Adenauer und Schwippert über Entwurf und Einrichtung. Adenauer kritisierte die Eingangshalle als Überdachung einer Tankstelle; eine der Treppen soll er nie benutzt haben.
Was über dieses Haus gesagt wurde »Das Palais Schaumburg war mir immer sympathisch: auch wegen seiner Unvollkommenheit.« (Klaus Harpprecht, Redenschreiber von Willy Brandt).
Ein Ereignis, das Geschichte schrieb Das erste Kanzlerfest fand am 24. Juni 1969 unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger im Park des Palais statt.
Highlights Ab 1963 wurde im Park für jeden Altbundeskanzler ein Baum gepflanzt. Für Adenauer ließ Schmidt einen Kaiserbaum pflanzen – und für sich selbst eine Trauerweide. Berühmt für seine beeindruckende Deckenverzierung ist das Hallstein-Zimmer, in dem Adenauers enger Vertrauter Walter Hallstein arbeitete, erster Präsident der EWG-Kommission.
Heute ist das Palais der Bonner Dienstsitz der Bundeskanzlerin. Allerdings wird es bis 2022 saniert.